Seit dem Höchststand am 7. März 2000 haben sich fast 400 Mrd. Euro Anlegergelder in Luft aufgelöst – Streit um Wiedereinstieg ist voll entbrannt
von Holger Zschäpitz
Berlin - Drei Jahre können eine Ewigkeit sein. So kommt es zumindest den meistern Anlegern vor. Denn seit nunmehr 36 Monaten erleben sie eine der schlimmsten Krisen der Börsengeschichte. Vom Hoch im März 2000 büßte der Dax 68,3 Prozent ein. Exakt am 7. März vor drei Jahren kletterte das deutsche Marktbarometer bis auf 8136 Punkte und ging dann bei 8064,97 Zählern aus dem Handel. Über der 8000-er Marke schloss der Index später nie wieder. Was folgte, war ein Absturz wie aus dem Bilderbuch. Dabei traf es einige Einzelwerte besonders hart. MLP-Aktien knickten seit März 2000 um fast 94 Prozent ein, die Volksaktie Deutsche Telekom verlor fast 90 Prozent. Selbst die als Witwen- und Waisenpapier bekannte Allianz-Aktie raste um 83 Prozent in die Tiefe.
Zwar waren sich alle Marktteilnehmer in der Analyse schnell einig: Die lange Blütezeit bis zum März 2000 war eine absolute Übertreibung – vielleicht handelte es sich sogar um die größte Investmentblase der Geschichte. Doch die Länge des Ausnüchterungsprozesses haben nicht nur die Strategen sondern sogar alte Börsenfüchse unterschätzt. Beim Unterschreiten jeder neuen Tausender-Marke stimmten die unverwüstlichen Optimisten Durchhalteparolen an, deklamierten das Ende des Bärenmarktes und bliesen zum Wiedereinstieg. In letzter Zeit wurde der Chor freilich ein wenig leiser, was aber auch darauf zurückgeführt werden kann, dass die überwiegend pessimistischen Arbeitgeber die Optimisten vor die Tür gesetzt haben.
Auch jetzt verweist die Mehrzahl der Strategen wieder unverdrossen auf die günstige Bewertung von Aktien. Gerade im Vergleich zu den Staatsanleihen seien Dividendenpapiere auf ein Rekordtief gepurzelt. „Bei der Betrachtung der Bewertungen legt die Mehrzahl der Strategen Kennzahlen aus den 80ern und 90er Jahren zugrunde. Doch in einem Bärenmarkt gelten die Gesetze aus den Aktienhochzeiten nicht mehr“, warnt Philip Manduca, Partner bei Titanium Capital in London. „Die Kurse werden weiter fallen. Jede Rallye würde ich zum Ausstieg nutzen.“
Tatsächlich sind die Dax-Unternehmen auch nach dem Kurssturz nicht wirklich billig. Im Schnitt werden die 30 Gesellschaften aktuell mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von 14 gehandelt. In den zurückliegenden Bärenmärkten Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre waren einstellige KGVs zwischen acht und neun üblich.
Auch ein Blick in die Vergangenheit müsste die Strategen eigentlich lehren, dass nach dem Platzen einer Spekulationsblase die Märkte nicht sofort wieder zur Tagesordnung zurückkehren. So kamen nach der Südsee-Bubble im 18. Jahrhundert (jedes Unternehmen, was sich damals auf die neu entdeckten Wachstumsmärkte im Südatlantik stürzte, wurde ungeachtet des konkreten Geschäftsmodells mit gewaltigen Kursgewinnen belohnt) und dem Eisenbahn-Boom etwa 150 Jahre später – beide Ereignisse sind am ehesten mit der Internet-Manie vergleichbar – die Kurse an den Weltmärkten erst wieder nach acht bis zehn Jahren auf die Beine. Nimmt man dies heute zum Maßstab, folgt der nächste große Aufschwung frühestens 2006.
Doch auch jene vier Fünftel der Bundesbürger, die keine Aktien haben, sollte die Dauer-Baisse nicht kalt lassen. Schließlich sind die Notierungen inzwischen so weit gefallen, dass darunter die Gesamtwirtschaft leidet. Der Einbruch von März 2000 bis heute löste 380 Mrd. Euro an Anlegergeldern in Luft auf – Geld, das nun beim Konsum fehlt. Und auch der Markt für Neuemissionen kam völlig zum Erliegen, was Unternehmensinvestitionen erschwert. Nach Berechnungen von Dieter Wermuth, Ökonom der UFJ Bank, hat der Aktienmarktcrash das Wachstum der deutschen Ökonomie in drei Jahren um 0,4 Prozentpunkte gebremst.
Ein kleiner Trost mag da die Erkenntnis sein, dass die jetzige Börsenkrise schon jetzt einen Eintrag in den Börsen-Geschichtsbücher sicher hat. „In 50 Jahren wird man die jetzige Baisse in einem Atemzug mit 1929 nennen“, meint Joachim Paech, Händler von Julius Bär. Zwar mag es verwunderlich klingen, dass Paech jetzt zum Wiedereinstieg rät, doch hat er dafür auch ein historisches Argument parat: Den 1929er Absturz von 73,5 Prozent habe der Dax schon jetzt fast erreicht. Und auch dem Vergleich mit der japanischen Börsenbubble 1990 halte der Index stand. „Den späteren Verlust, für den Tokio dreizehn Jahre brauchte, hat Frankfurt in nur drei Jahren geschafft.“
von Holger Zschäpitz
Berlin - Drei Jahre können eine Ewigkeit sein. So kommt es zumindest den meistern Anlegern vor. Denn seit nunmehr 36 Monaten erleben sie eine der schlimmsten Krisen der Börsengeschichte. Vom Hoch im März 2000 büßte der Dax 68,3 Prozent ein. Exakt am 7. März vor drei Jahren kletterte das deutsche Marktbarometer bis auf 8136 Punkte und ging dann bei 8064,97 Zählern aus dem Handel. Über der 8000-er Marke schloss der Index später nie wieder. Was folgte, war ein Absturz wie aus dem Bilderbuch. Dabei traf es einige Einzelwerte besonders hart. MLP-Aktien knickten seit März 2000 um fast 94 Prozent ein, die Volksaktie Deutsche Telekom verlor fast 90 Prozent. Selbst die als Witwen- und Waisenpapier bekannte Allianz-Aktie raste um 83 Prozent in die Tiefe.
Zwar waren sich alle Marktteilnehmer in der Analyse schnell einig: Die lange Blütezeit bis zum März 2000 war eine absolute Übertreibung – vielleicht handelte es sich sogar um die größte Investmentblase der Geschichte. Doch die Länge des Ausnüchterungsprozesses haben nicht nur die Strategen sondern sogar alte Börsenfüchse unterschätzt. Beim Unterschreiten jeder neuen Tausender-Marke stimmten die unverwüstlichen Optimisten Durchhalteparolen an, deklamierten das Ende des Bärenmarktes und bliesen zum Wiedereinstieg. In letzter Zeit wurde der Chor freilich ein wenig leiser, was aber auch darauf zurückgeführt werden kann, dass die überwiegend pessimistischen Arbeitgeber die Optimisten vor die Tür gesetzt haben.
Auch jetzt verweist die Mehrzahl der Strategen wieder unverdrossen auf die günstige Bewertung von Aktien. Gerade im Vergleich zu den Staatsanleihen seien Dividendenpapiere auf ein Rekordtief gepurzelt. „Bei der Betrachtung der Bewertungen legt die Mehrzahl der Strategen Kennzahlen aus den 80ern und 90er Jahren zugrunde. Doch in einem Bärenmarkt gelten die Gesetze aus den Aktienhochzeiten nicht mehr“, warnt Philip Manduca, Partner bei Titanium Capital in London. „Die Kurse werden weiter fallen. Jede Rallye würde ich zum Ausstieg nutzen.“
Tatsächlich sind die Dax-Unternehmen auch nach dem Kurssturz nicht wirklich billig. Im Schnitt werden die 30 Gesellschaften aktuell mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von 14 gehandelt. In den zurückliegenden Bärenmärkten Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre waren einstellige KGVs zwischen acht und neun üblich.
Auch ein Blick in die Vergangenheit müsste die Strategen eigentlich lehren, dass nach dem Platzen einer Spekulationsblase die Märkte nicht sofort wieder zur Tagesordnung zurückkehren. So kamen nach der Südsee-Bubble im 18. Jahrhundert (jedes Unternehmen, was sich damals auf die neu entdeckten Wachstumsmärkte im Südatlantik stürzte, wurde ungeachtet des konkreten Geschäftsmodells mit gewaltigen Kursgewinnen belohnt) und dem Eisenbahn-Boom etwa 150 Jahre später – beide Ereignisse sind am ehesten mit der Internet-Manie vergleichbar – die Kurse an den Weltmärkten erst wieder nach acht bis zehn Jahren auf die Beine. Nimmt man dies heute zum Maßstab, folgt der nächste große Aufschwung frühestens 2006.
Doch auch jene vier Fünftel der Bundesbürger, die keine Aktien haben, sollte die Dauer-Baisse nicht kalt lassen. Schließlich sind die Notierungen inzwischen so weit gefallen, dass darunter die Gesamtwirtschaft leidet. Der Einbruch von März 2000 bis heute löste 380 Mrd. Euro an Anlegergeldern in Luft auf – Geld, das nun beim Konsum fehlt. Und auch der Markt für Neuemissionen kam völlig zum Erliegen, was Unternehmensinvestitionen erschwert. Nach Berechnungen von Dieter Wermuth, Ökonom der UFJ Bank, hat der Aktienmarktcrash das Wachstum der deutschen Ökonomie in drei Jahren um 0,4 Prozentpunkte gebremst.
Ein kleiner Trost mag da die Erkenntnis sein, dass die jetzige Börsenkrise schon jetzt einen Eintrag in den Börsen-Geschichtsbücher sicher hat. „In 50 Jahren wird man die jetzige Baisse in einem Atemzug mit 1929 nennen“, meint Joachim Paech, Händler von Julius Bär. Zwar mag es verwunderlich klingen, dass Paech jetzt zum Wiedereinstieg rät, doch hat er dafür auch ein historisches Argument parat: Den 1929er Absturz von 73,5 Prozent habe der Dax schon jetzt fast erreicht. Und auch dem Vergleich mit der japanischen Börsenbubble 1990 halte der Index stand. „Den späteren Verlust, für den Tokio dreizehn Jahre brauchte, hat Frankfurt in nur drei Jahren geschafft.“