Dr. Jens Ehrhardt,Der Magier der Märkte boerse.de

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jack303:

Dr. Jens Ehrhardt,Der Magier der Märkte boerse.de

 
18.10.02 09:40


Alan Greenspan – ,Der Magier der Märkte

Market-Wizard – Magier der Märkte – heißt ein lesenswertes Buch von Jack Schwager. Schwager begeht darin nicht den Fehler, auf der Basis seiner eigenen Börsenerfahrung ein mehr oder minder erfolgreiches Kochrezept zusammenzustellen, wie man an der Börse reich werden könne. Bücher dieser Art sind dutzendweise auf dem Markt. Schwager dagegen ging in seinem Buch einen völlig anderen Weg und interviewte einfach viele erfolgreiche Händler und Marktexperten. Aus den Antworten und Lebenserfahrungen dieser Leute kann der Leser sehr interessante Rückschlüsse ziehen, handelt es sich inhaltlich dabei um den wertvollen Erfahrungsschatz äußerst erfolgreicher Marktakteure. Natürlich sind eigene Erfahrungen die prägendsten, aber warum soll man externe nicht nützen, wenn dadurch der eigene Geldbeutel geschont bzw. unnötige Risiken vermieden werden können?

Auch der amerikanische Notenbank-Präsident Greenspan wird gerne mit Attributen, wie Magier der Märkte, Maestro bzw. Ikone und dergleichen belegt. Tatsache ist jedoch, daß Greenspan durch seine Politik des leichten Geldes die Märkte mit Liquidität geflutet und die ohnehin schon besorgniserregenden Verschuldungsexzesse weiter angefacht hat. Greenspan wurde vor allem in den 90er Jahren von vielen Börsianern auf den Börsen-Olymp gehoben, da er lange Zeit den Ruf genoß, auf äußerst geschickte und feinfühlige Art und Weise den Aktienmarkt zu steuern. Greenspan soll einmal einem Freund, lange bevor er Notenbank-Präsident wurde, anvertraut haben, daß es sein innigster Wunsch sei, am Ende eines langfristigen Wirtschaftszyklus als Notenbank-Präsident an den Schalthebeln des Geldes zu sitzen und durch eine aggressive radikale Geldpolitik (starkes Herabschleusen der Zinssätze und Aufblähen der Geldmenge) einer drohenden Wirtschaftsabschwächung frühzeitig und nachhaltig gegenzusteuern. Diesem Anspruch ist Greenspan in seiner inzwischen 15-jährigen Funktion als Notenbank-Präsident denn auch mehr als gerecht geworden.

Dabei war Greenspan keineswegs nur immer der Liebling der Börsianer, der mit wohltuendem Öffnen der Geldschleusen die Börsenkurse nach oben trieb. Bereits einen Monat nach Beginn seiner Amtszeit (11. August 1987) erhöhte er in den USA sogar den Leitzins. Kritiker warfen ihm damals vor, damit den Börsencrash 1987 mit eingeleitet zu haben. Tatsächlich dürfte es sich jedoch lediglich um den berühmten Nadelstich gehandelt haben, der die damals völlig überspekulierte Blase zum Platzen brachte. Auch bis in die erste Hälfte der 90er Jahre hinein galt Greenspan teilweise als „Feind“ der Wall Street, da er einige (auch geldpolitische) Entscheidungen traf, die für die Börse zunächst unpopulär waren. Auch die heutigen Warnungen Greenspans vor den Gefahren der US-Wirtschaft werden von der Bush-Administration nicht gerne gehört. Jedenfalls fällt auf, daß Bush zuletzt zeitgleich mit der Sitzung des Offen-Markt-Ausschusses zu einem Wirtschaftsgipfel ins texanische Waco einlud, auf dem er sich – im Gegensatz zu Greenspan – „unglaublich optimistisch“ für die Zukunft der USA zeigte. Auch mit den gigantischen fiskalpolitischen Ausgabeprogrammen der Bush-Regierung konnte sich Greenspan nicht anfreunden bzw. hat diese kritisiert. Es besteht allerdings kein Zweifel, daß die Aktienmärkte auf die Ausführungen Greenspans nach wie vor erheblich sensibler reagieren als auf den durch offensichtliche Insider-Geschäfte in Wirtschaftsfragen an Glaubwürdigkeit fragwürdigen US-Präsidenten Bush.

Der berühmt-berüchtigte Ausspruch von „Irrational Exuberance“, also von irrationaler Übertreibung an den Aktienmärkten im Dezember 1996 bei einem Punktestand des Dow Jones-Durchschnitts von damals ca. 6.400 von Alan Greenspan ist vielen Börsianern nachhaltig im Gedächtnis haften geblieben. Allerdings reichte diese Bemerkung Greenspans allenfalls zu einer kleinen Delle im Hausse-Aufwärtstrend der 90er Jahre. Anschließend hat sich der Dow Jones Durchschnitt bekanntlich nochmals fast verdoppelt. Bedenkt man, daß Greenspan bereits (sicherlich nicht unberechtigt) bei einem Dow Jones-Stand von 6.400 Ende 1996 von irrationaler Übertreibung sprach und gleichzeitig die volkswirtschaftlichen Gewinne in den USA (außerhalb des Finanzsektors) seit 1997 gefallen sind (im Gegensatz zu den künstlich nach oben gerechneten Gewinnen je Aktie vieler maßgeblicher börsennotierter AGs), so sagt einem der gesunde Menschenverstand, daß der Dow Jones Durchschnitt selbst bei einem Rückgang auf das 1996er Warnungsniveau von 6.400 Punkten angesichts der seit 1997 katastrophalen Gewinnentwicklung analytisch noch stärker überbewertet sein müßte als damals.

Bei allen Warnungen und Kritiken an politischen Weichenstellungen, die Greenspan immer wieder ausgesprochen hat, muß er sich jedoch einen schwerwiegenden Vorwurf gefallen lassen. Er hat seinen Traum, Rezessionen bzw. langfristige wirtschaftliche Abwärtszyklen mit einer massiven expansiven Geldpolitik zu bekämpfen, bis zum Exzeß verwirklicht, sehr zum Schaden und auf Kosten der Stabilität des Finanzsystems. Nach dem Börsencrash 1987 wurde das schnell entschlossene Handeln Greenspans von allen Seiten gelobt. Im Gegensatz zu 1929/32 (damals aufgrund des Goldstandards erheblich eingeschränkter Einsatz der Geldpolitik als Stabilisierungsmittel für den Aktienmarkt), hatte Greenspan die Finanzmärkte sofort mit Liquidität geflutet und eine Stabilisierung des Finanzsystems ohne größere realwirtschaftliche Schäden bewirkt. Auch Anfang der 90er Jahre senkte Greenspan den Zins sehr aggressiv. Jedenfalls hätten Kreditausfälle von ca. 300 Mrd. $ im US-Bankensystem ohne die Niedrigzinspolitik Greenspans zu ernsthaften Problemen geführt. Kehrseite der Greenspan’schen Geld-Expansionsmedaille war allerdings, daß die Finanzmärkte in immer kürzeren Abständen immer dramatischer schwankten (siehe beispielsweise LTCM-Zusammenbruch im Spätsommer 1998, der den verantwortlichen Entscheidungsträgern und Geldlenkern die Augen über die Zerbrechlichkeit des internationalen Finanzsystems öffnete). Auch die bisher noch nie dagewesene explosive Überspekulation mit Höhepunkt im März 2000 auf der New Economy-Ebene wäre ohne die Millennium-bedingten Liquiditätsschübe seitens Alan Greenspan undenkbar gewesen. Seine massiven Liquiditäts-Injektionen haben allerdings die konjunkturelle Talfahrt nicht mehr aufhalten können. Die Verschuldung in den USA (insgesamt ca. 300% des US-Bruttoinlandsprodukts!), aber auch weltweit ist dramatisch gestiegen. 11 Zinssenkungen in weniger als einem Jahr haben nichts genutzt. Ganz im Gegenteil, die von Greenspan angefachte Spekulationsblase NASDAQ ist währungsbereinigt aus der Sicht eines Europäers inzwischen um ca. 80% zusammengefallen, und weltweit wurden ca. 12.000 Mrd. Dollar (etwa das 6-fache deutsche Bruttoinlandsprodukt!) an Aktionärsvermögen vernichtet. Greenepan versucht inzwischen, die Schuld den massiven Manipulationsversuchen der Statistiken (siehe hedonischer Preisindex in den USA, massive Bilanzmanipulationen) zuzuschieben und seine Hände in Unschuld zu waschen. Tatsächlich ist er jedoch kein Magier der Finanzmärkte, sondern ein Schönwetter-Kapitän, dem die Dinge bei Sturm völlig aus dem Ruder gelaufen sind und der die verschuldungsbedingten Schwierigkeiten der internationalen Finanzmärkte sogar noch verschärft hat. Inzwischen ist das Kind jedenfalls in den Brunnen gefallen und eine Bereinigung der durch die Greenspan’sche Geldpolitik verschärften schweren Struktur- und Verschuldungsprobleme dürfte erheblich mehr Zeit in Anspruch nehmen, als es den meisten Börsianern und Ökonomen heute lieb ist.

Dr. Jens Ehrhardt
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