Geschäfte in China
Die Verhandlungslist des großen Drachen
Immer mehr Unternehmen aus dem Westen wagen den Schritt nach China. Auch deutsche Mittelständler gründen Tochterfirmen im Reich der Mitte, denn die Perspektiven scheinen enorm. Doch wer dem großen Drachen unvorbereitet entgegentritt, kann sich leicht an seinem Feuer verbrennen. Ein China-Test von Handelsblatt.com gibt Hilfestellung.
DÜSSELDORF. Die Liste der Superlative ist lang: 1,2 Milliarden Menschen leben in China, das entspricht 1,2 Milliarden potenziellen Kunden. So verwundert es nicht, dass bei der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland China für Unternehmen in Europa und Nordamerika den Spitzenplatz einnimmt. Einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung Bain & Company zufolge nannten 66 Prozent von 138 befragten Firmen die Volksrepublik als attraktivsten Standort unter den Niedriglohnländern.
Dabei steht steht China nicht mehr nur im Fokus der Großkonzerne, auch viele Mittelständer engagieren sich im Reich der Mitte. Deutschland ist seit 1999 Chinas größter europäischer Investor. Deutsche Unternehmen haben laut Auswärtigem Amt bis Mitte 2004 Direktinvestitionen in China in Höhe von rund 9,8 Mrd. Dollar getätigt. Die Investitionen fließen neben dem Bereich der chemischen Industrie vor allem in die Sektoren des Automobilbaus sowie des Maschinen- und Anlagenbaus.
Insbesondere für hochkomplizierte Technologien kommen die Chinesen bevorzugt mit deutschen Firmen ins Geschäft. Die deutliche Mehrheit wird dabei immer noch an Chinas Ostküste aktiv, nach Schanghai oder nach Peking. Über 2000 deutsche Unternehmen sind mit Repräsentanzen oder Produktionen vor Ort vertreten.
China-Fitness-Check - Prüfen Sie, ob Ihr Unternehmen für Geschäfte in China ausreichend vorbereitet ist!
Ohne Zweifel sind die Herausforderungen enorm. Dies gilt vor allem für die kulturellen Unterschiede. Hinzu kommen Sprachbarrieren, ausufernde Bürokratie, Rechtsunsicherheit und ein schwieriger Zugang zu lokalen Informationen. Verhandlungen werden im Reich der Mitte ganz anders geführt als hier zu Lande: mit lokalen Regierungen, die oft eigene Wege gehen, um später von Peking gestoppt zu werden. Mit Verhandlungspartnern, für die ausgebuffte Winkelzüge zum Handwerk gehören. Das reicht von übertriebenen Preisen für Anlagen über Verhandlungstermine vor westlichen Feiertagen bis hin zu spendierten Bordellbesuchen, die gefilmt werden.
"List ist in China ein altes Kulturgut", erklärt Sinologie-Professor und Autor des Buches "36 Strategeme für Manager", Harro von Senger. "Stategem" ist ein altgriechisches Wort für Kriegslist oder allgemein für List. Was viele deutsche Unternehmen nicht wissen: In der Volksrepublik existiert eine Art Kanon von Listtechniken, auf den Chinesen bei Verhandlungen mit westlichen Geschäftspartnern im Bedarfsfall zurückgreifen. Die Strategeme stammen unter anderem aus Militärtraktaten und Kriegskunstbüchern wie dem des berühmten Sun Tsu. "Ihre Bedeutung wird von westlichen Geschäftsleuten oft unterschätzt", so von Senger.
Eines der bekanntesten Strategeme ist das Verwirrungsstrategem: „Das Wasser trüben, um die Fische zu fangen.“ In Verhandlungen heißt das, ständig neue Änderungswünsche stellen und so Verwirrung stiften. Dazu gehört die Kunst, „dürre Bäume mit Blumen zu schmücken“. Also in Joint Venture eingebrachtes Land überzubewerten oder auch Firmenbilanzen zu liften.
Ein weiteres zentrales Strategem betrifft den nationalen Aufbauplan Chinas 1978-2049. Denn im Gegensatz zu Europäern dienen im Reich der Mitte Abschlüsse nicht nur dem individuellen Geschäft. "Wer die Wirtschaft Chinas verstehen will, darf diesen Aspekt nicht ignorieren", so von Senger.
Gegen solche Tricks kennen China-Erfahrene gute Mittel: Genügend Zeit mitbringen, seine Schmerzgrenze zuerst genau definieren und die lokalen Sitten studieren. Wer in China mit der Tür ins Haus fällt, kann gleich auf dem Bauch liegen bleiben. „Höflichkeit und Respekt sind ganz zentral“, betont von Senger. Für Chinesen ist es eminent wichtig, stets das Gesicht zu wahren.
Unerwartete Hindernisse auch beim Verkauf
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln hat mit ihrem Schwerpunktbereich China ähnliche Erfahrungen gesammelt. "Die Probleme sind vor allem für mittelständische Unternehmen vielfältig", sagt der Beauftrage für Internationales, Victor Vogt. "Für viele Situationen fehlen klare Regelungen. Verhandlungen ziehen sich sehr lange hin und meist fehlt den Mittelständlern die juristische Begleitung." Hinzu kommen Hindernisse beim Verkauf, so Vogt. "Viele Unternehmen überlassen diese Aufgabe Chinesen, die nie gelernt haben, aggressiv und überzeugend aufzutreten."
Auch wenn die Schwierigkeiten mit der chinesischen Kultur und Bürokratie für eine gewisse Zurückhaltung sorgen, überzeugen immer mehr Unternehmer letztlich die Zahlen: Der Internationale Währungsfonds geht für 2005 von einem Wachstum der chinesischen Wirtschaft um 7,5 Prozent aus, die Asiatische Entwicklungsbank von etwa 8 Prozent und die chinesische Akademie der Wissenschaften gar von 9,4 Prozent.
Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 06. September 2005, 10:14 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Die Verhandlungslist des großen Drachen
Immer mehr Unternehmen aus dem Westen wagen den Schritt nach China. Auch deutsche Mittelständler gründen Tochterfirmen im Reich der Mitte, denn die Perspektiven scheinen enorm. Doch wer dem großen Drachen unvorbereitet entgegentritt, kann sich leicht an seinem Feuer verbrennen. Ein China-Test von Handelsblatt.com gibt Hilfestellung.
DÜSSELDORF. Die Liste der Superlative ist lang: 1,2 Milliarden Menschen leben in China, das entspricht 1,2 Milliarden potenziellen Kunden. So verwundert es nicht, dass bei der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland China für Unternehmen in Europa und Nordamerika den Spitzenplatz einnimmt. Einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung Bain & Company zufolge nannten 66 Prozent von 138 befragten Firmen die Volksrepublik als attraktivsten Standort unter den Niedriglohnländern.
Dabei steht steht China nicht mehr nur im Fokus der Großkonzerne, auch viele Mittelständer engagieren sich im Reich der Mitte. Deutschland ist seit 1999 Chinas größter europäischer Investor. Deutsche Unternehmen haben laut Auswärtigem Amt bis Mitte 2004 Direktinvestitionen in China in Höhe von rund 9,8 Mrd. Dollar getätigt. Die Investitionen fließen neben dem Bereich der chemischen Industrie vor allem in die Sektoren des Automobilbaus sowie des Maschinen- und Anlagenbaus.
Insbesondere für hochkomplizierte Technologien kommen die Chinesen bevorzugt mit deutschen Firmen ins Geschäft. Die deutliche Mehrheit wird dabei immer noch an Chinas Ostküste aktiv, nach Schanghai oder nach Peking. Über 2000 deutsche Unternehmen sind mit Repräsentanzen oder Produktionen vor Ort vertreten.
China-Fitness-Check - Prüfen Sie, ob Ihr Unternehmen für Geschäfte in China ausreichend vorbereitet ist!
Ohne Zweifel sind die Herausforderungen enorm. Dies gilt vor allem für die kulturellen Unterschiede. Hinzu kommen Sprachbarrieren, ausufernde Bürokratie, Rechtsunsicherheit und ein schwieriger Zugang zu lokalen Informationen. Verhandlungen werden im Reich der Mitte ganz anders geführt als hier zu Lande: mit lokalen Regierungen, die oft eigene Wege gehen, um später von Peking gestoppt zu werden. Mit Verhandlungspartnern, für die ausgebuffte Winkelzüge zum Handwerk gehören. Das reicht von übertriebenen Preisen für Anlagen über Verhandlungstermine vor westlichen Feiertagen bis hin zu spendierten Bordellbesuchen, die gefilmt werden.
"List ist in China ein altes Kulturgut", erklärt Sinologie-Professor und Autor des Buches "36 Strategeme für Manager", Harro von Senger. "Stategem" ist ein altgriechisches Wort für Kriegslist oder allgemein für List. Was viele deutsche Unternehmen nicht wissen: In der Volksrepublik existiert eine Art Kanon von Listtechniken, auf den Chinesen bei Verhandlungen mit westlichen Geschäftspartnern im Bedarfsfall zurückgreifen. Die Strategeme stammen unter anderem aus Militärtraktaten und Kriegskunstbüchern wie dem des berühmten Sun Tsu. "Ihre Bedeutung wird von westlichen Geschäftsleuten oft unterschätzt", so von Senger.
Eines der bekanntesten Strategeme ist das Verwirrungsstrategem: „Das Wasser trüben, um die Fische zu fangen.“ In Verhandlungen heißt das, ständig neue Änderungswünsche stellen und so Verwirrung stiften. Dazu gehört die Kunst, „dürre Bäume mit Blumen zu schmücken“. Also in Joint Venture eingebrachtes Land überzubewerten oder auch Firmenbilanzen zu liften.
Ein weiteres zentrales Strategem betrifft den nationalen Aufbauplan Chinas 1978-2049. Denn im Gegensatz zu Europäern dienen im Reich der Mitte Abschlüsse nicht nur dem individuellen Geschäft. "Wer die Wirtschaft Chinas verstehen will, darf diesen Aspekt nicht ignorieren", so von Senger.
Gegen solche Tricks kennen China-Erfahrene gute Mittel: Genügend Zeit mitbringen, seine Schmerzgrenze zuerst genau definieren und die lokalen Sitten studieren. Wer in China mit der Tür ins Haus fällt, kann gleich auf dem Bauch liegen bleiben. „Höflichkeit und Respekt sind ganz zentral“, betont von Senger. Für Chinesen ist es eminent wichtig, stets das Gesicht zu wahren.
Unerwartete Hindernisse auch beim Verkauf
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln hat mit ihrem Schwerpunktbereich China ähnliche Erfahrungen gesammelt. "Die Probleme sind vor allem für mittelständische Unternehmen vielfältig", sagt der Beauftrage für Internationales, Victor Vogt. "Für viele Situationen fehlen klare Regelungen. Verhandlungen ziehen sich sehr lange hin und meist fehlt den Mittelständlern die juristische Begleitung." Hinzu kommen Hindernisse beim Verkauf, so Vogt. "Viele Unternehmen überlassen diese Aufgabe Chinesen, die nie gelernt haben, aggressiv und überzeugend aufzutreten."
Auch wenn die Schwierigkeiten mit der chinesischen Kultur und Bürokratie für eine gewisse Zurückhaltung sorgen, überzeugen immer mehr Unternehmer letztlich die Zahlen: Der Internationale Währungsfonds geht für 2005 von einem Wachstum der chinesischen Wirtschaft um 7,5 Prozent aus, die Asiatische Entwicklungsbank von etwa 8 Prozent und die chinesische Akademie der Wissenschaften gar von 9,4 Prozent.
Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 06. September 2005, 10:14 Uhr
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Der Einsame Samariter