Die Fondsbranche hat zu früh gejubelt
Fondsbesitzer sollen auf Wertzuwachs der Fonds jedes Jahr Einkommensteuer zahlen
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ham. FRANFKURT, 19. November. Die Fondsindustrie hat angesichts der angeblich entschärften Steuerpläne der Bundesregierung zu früh aufgeatmet. Denn der jüngste Kabinettsentwurf der Bundesregierung enthält gravierende Benachteiligungen des Fondsanlegers gegenüber dem Direktanleger. Deshalb fordert die Fondsbranche jetzt eine "schleunige Reparatur des verunglückten Gesetzentwurfs", der allerdings schon am heutigen Dienstag vom Kabinett verabschiedet werden soll.
Das Bundesfinanzministerium hat gleichwohl angekündigt, mit der Fondsindustrie das Gespräch zu suchen. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium Hendricks hat am Dienstag abermals betont, es werde keine Doppelbesteuerung von Fonds geben. Die Fonds müßten realisierte Kursgewinne nicht versteuern. Auch soll für inländische Aktienfonds das Halbeinkünfteverfahren gelten, so daß Besitzer dieser Fonds, die einen Veräußerungsgewinn erzielen, nur den halben Gewinn pauschal mit 15 Prozent versteuern müssen. Allerdings soll der Anleger, der jahrelang Fondsanteile hält, jedes Jahr die vom Fonds innerhalb eines Jahres realisierten Kursgewinne versteuern - und zwar nicht pauschal mit dem niedrigen Steuersatz von 15 Prozent, sondern mit seinem individuellen Einkommensgrenzsteuersatz, der zuzüglich Solidaritätszuschlag 50 Prozent betragen kann. Der einzige Ausweg für den Anleger: Er verkauft künftig vor Ende des Fondsgeschäftsjahres wieder. Falls er dann einen Wertzuwachs realisiert, muß er diesen lediglich mit 15 Prozent versteuern, weil es bei inländischen Fonds keine Doppelbesteuerung geben soll.
Der im Gesetzentwurf vertretenen Auffassung zufolge ist es wegen der Gleichbehandlung der Anteilsscheininhaber von Fonds mit den Direktanlegern erforderlich, vom Fonds erzielte Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren zeitnah beim Anteilsscheininhaber zu besteuern, gleich ob diese ausgeschüttet oder vom Fonds thesauriert werden. "Diese Lücke wird mit dem Gesetzentwurf geschlossen", heißt es in dem Entwurf. Und später: "Die pauschale Besteuerung (mit einem Steuersatz von 15 Prozent) ist nicht anzuwenden. Sie wäre nicht sachgerecht, da es sich bei Veräußerungsgewinnen des Fonds um Erträge aus der laufenden Geschäftstätigkeit handelt."
Tatsächlich wird der Fondsanleger durch die Besteuerung der jährlichen Wertzuwäche des Fonds mit seinem Einkommensgrenzsteuersatz nicht mit dem Direktanleger gleichgestellt sondern stark benachteiligt. Dies zeigt ein Rechenbeispiel eindrucksvoll (Kasten). Die Benachteiligung wird dadurch etwas gemildert, daß der Fondsanleger in früheren Jahren gezahlte Steuern auf Veräußerungsgewinne bei inländischen Fonds angerechnet bekommt. Dies gilt allerdings nicht für ausländische Fonds. Hier findet auch bei reinen Aktienfonds das Halbeinkünfteverfahren keine Anwendung, so daß auf den vollen Veräußerungsgewinn 15 Prozent Steuer zu zahlen sind. Zudem ist bisher offenbar keine Anrechnung von zuvor schon durch den Anleger gezahlter Steuer vorgesehen.
Manche Fondsanleger zahlen das Siebenfache
Fall 1: Der Direktanleger kauft eine Aktie für 100 Euro und verkauft sie später für 150 Euro. Er zahlt 15 Prozent pauschale Steuer auf den halben Veräußerungsgewinn, also 3,75 Euro.
Fall 2: Der Fondsanleger erwirbt den Anteil eines inländischen Fonds zu 100 Euro. Der Fonds kauft dann eine Aktie zu 100 Euro. Diese Aktie wird später durch den Fonds zu 150 Euro veräußert. Verkauft der Anleger vor Ende des Fondsgeschäftsjahres, zahlt er wie in Fall 1 auf den halben Veräußerungsgewinn 15 Prozent, also 3,75 Euro. Hält er den Fondsanteil, bis das Geschäftsjahr des Fonds endet, thesauriert der Fonds den Veräußerungsgewinn. Anschließend gibt der Anleger den Fondsanteil zu 150 Euro zurück. Im Zuge der Thesaurierung muß der Anleger die Hälfte des auf Fondsebene angefallenen Veräußerungsgewinns von 50 Euro mit dem persönlichen Steuersatz (angenommen 40 Prozent) versteuern. Seine Steuerlast beträgt 10 Euro.
Fall 3: Der Aktienfonds ist im Ausland aufgelegt. Weil das Halbeinkünfteverfahren nicht gilt, versteuert der Anleger bei Veräußerung vor Ende des Fondsgeschäftsjahres den vollen Veräußerungsgewinn mit 15 Prozent. Behält er seinen Fondsanteil länger, muß der Anleger den gesamten im Zuge der Thesaurierung auf Fondsebene erzielten Veräußerungsgewinn von 50 Euro mit seinem Einkommensgrenzsteuersatz (angenommen 40 Prozent) versteuern. Im Rahmen der Thesaurierung fallen also Steuern von 20 Euro an. Da für ausländische Fonds offenbar keine Anrechnungslösung besteht, wird der Veräußerungsgewinn bei Verkauf des Fondsanteils durch den Anleger erneut besteuert, und zwar nunmehr mit 15 Prozent. Für den Anleger fallen so weitere Steuern von 7,50 Euro an. Die Gesamtsteuerlast ist 27,50 Euro. (ham.)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2002, Nr. 270 / Seite 23
Fondsbesitzer sollen auf Wertzuwachs der Fonds jedes Jahr Einkommensteuer zahlen
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ham. FRANFKURT, 19. November. Die Fondsindustrie hat angesichts der angeblich entschärften Steuerpläne der Bundesregierung zu früh aufgeatmet. Denn der jüngste Kabinettsentwurf der Bundesregierung enthält gravierende Benachteiligungen des Fondsanlegers gegenüber dem Direktanleger. Deshalb fordert die Fondsbranche jetzt eine "schleunige Reparatur des verunglückten Gesetzentwurfs", der allerdings schon am heutigen Dienstag vom Kabinett verabschiedet werden soll.
Das Bundesfinanzministerium hat gleichwohl angekündigt, mit der Fondsindustrie das Gespräch zu suchen. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium Hendricks hat am Dienstag abermals betont, es werde keine Doppelbesteuerung von Fonds geben. Die Fonds müßten realisierte Kursgewinne nicht versteuern. Auch soll für inländische Aktienfonds das Halbeinkünfteverfahren gelten, so daß Besitzer dieser Fonds, die einen Veräußerungsgewinn erzielen, nur den halben Gewinn pauschal mit 15 Prozent versteuern müssen. Allerdings soll der Anleger, der jahrelang Fondsanteile hält, jedes Jahr die vom Fonds innerhalb eines Jahres realisierten Kursgewinne versteuern - und zwar nicht pauschal mit dem niedrigen Steuersatz von 15 Prozent, sondern mit seinem individuellen Einkommensgrenzsteuersatz, der zuzüglich Solidaritätszuschlag 50 Prozent betragen kann. Der einzige Ausweg für den Anleger: Er verkauft künftig vor Ende des Fondsgeschäftsjahres wieder. Falls er dann einen Wertzuwachs realisiert, muß er diesen lediglich mit 15 Prozent versteuern, weil es bei inländischen Fonds keine Doppelbesteuerung geben soll.
Der im Gesetzentwurf vertretenen Auffassung zufolge ist es wegen der Gleichbehandlung der Anteilsscheininhaber von Fonds mit den Direktanlegern erforderlich, vom Fonds erzielte Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren zeitnah beim Anteilsscheininhaber zu besteuern, gleich ob diese ausgeschüttet oder vom Fonds thesauriert werden. "Diese Lücke wird mit dem Gesetzentwurf geschlossen", heißt es in dem Entwurf. Und später: "Die pauschale Besteuerung (mit einem Steuersatz von 15 Prozent) ist nicht anzuwenden. Sie wäre nicht sachgerecht, da es sich bei Veräußerungsgewinnen des Fonds um Erträge aus der laufenden Geschäftstätigkeit handelt."
Tatsächlich wird der Fondsanleger durch die Besteuerung der jährlichen Wertzuwäche des Fonds mit seinem Einkommensgrenzsteuersatz nicht mit dem Direktanleger gleichgestellt sondern stark benachteiligt. Dies zeigt ein Rechenbeispiel eindrucksvoll (Kasten). Die Benachteiligung wird dadurch etwas gemildert, daß der Fondsanleger in früheren Jahren gezahlte Steuern auf Veräußerungsgewinne bei inländischen Fonds angerechnet bekommt. Dies gilt allerdings nicht für ausländische Fonds. Hier findet auch bei reinen Aktienfonds das Halbeinkünfteverfahren keine Anwendung, so daß auf den vollen Veräußerungsgewinn 15 Prozent Steuer zu zahlen sind. Zudem ist bisher offenbar keine Anrechnung von zuvor schon durch den Anleger gezahlter Steuer vorgesehen.
Manche Fondsanleger zahlen das Siebenfache
Fall 1: Der Direktanleger kauft eine Aktie für 100 Euro und verkauft sie später für 150 Euro. Er zahlt 15 Prozent pauschale Steuer auf den halben Veräußerungsgewinn, also 3,75 Euro.
Fall 2: Der Fondsanleger erwirbt den Anteil eines inländischen Fonds zu 100 Euro. Der Fonds kauft dann eine Aktie zu 100 Euro. Diese Aktie wird später durch den Fonds zu 150 Euro veräußert. Verkauft der Anleger vor Ende des Fondsgeschäftsjahres, zahlt er wie in Fall 1 auf den halben Veräußerungsgewinn 15 Prozent, also 3,75 Euro. Hält er den Fondsanteil, bis das Geschäftsjahr des Fonds endet, thesauriert der Fonds den Veräußerungsgewinn. Anschließend gibt der Anleger den Fondsanteil zu 150 Euro zurück. Im Zuge der Thesaurierung muß der Anleger die Hälfte des auf Fondsebene angefallenen Veräußerungsgewinns von 50 Euro mit dem persönlichen Steuersatz (angenommen 40 Prozent) versteuern. Seine Steuerlast beträgt 10 Euro.
Fall 3: Der Aktienfonds ist im Ausland aufgelegt. Weil das Halbeinkünfteverfahren nicht gilt, versteuert der Anleger bei Veräußerung vor Ende des Fondsgeschäftsjahres den vollen Veräußerungsgewinn mit 15 Prozent. Behält er seinen Fondsanteil länger, muß der Anleger den gesamten im Zuge der Thesaurierung auf Fondsebene erzielten Veräußerungsgewinn von 50 Euro mit seinem Einkommensgrenzsteuersatz (angenommen 40 Prozent) versteuern. Im Rahmen der Thesaurierung fallen also Steuern von 20 Euro an. Da für ausländische Fonds offenbar keine Anrechnungslösung besteht, wird der Veräußerungsgewinn bei Verkauf des Fondsanteils durch den Anleger erneut besteuert, und zwar nunmehr mit 15 Prozent. Für den Anleger fallen so weitere Steuern von 7,50 Euro an. Die Gesamtsteuerlast ist 27,50 Euro. (ham.)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2002, Nr. 270 / Seite 23