Die Aktienlüge

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Die Aktienlüge

 
06.07.01 19:07
Die Aktienlüge

Von Harald Schumann

Wer in Wertpapiere investiert, könne sich seine Rente sichern, verspricht die Finanzindustrie. Doch das ist keineswegs ausgemacht. Der Bevölkerungsschwund wird auch die Kapitalmärkte erschüttern. Droht 2015 der Rentner-Crash?

Berlin - Meinhard Miegel, der Chefdenker des Deutschen Instituts für Altersvorsorge, ließ das rhetorische Fallbeil niedergehen. Die Riestersche Rentenreform, so rechnete er gleich nach deren Verabschiedung vor, streue "Illusionen" und beruhe auf allzu optimistischen Annahmen. Die Versorgung der künftigen Rentner werde "so schlecht sein wie nie zuvor". Folglich sei das "ganze Machwerk nur Makulatur".

Die private, kapitalgedeckte Altersvorsorge müsse weit stärker ausgebaut werden, um die absehbaren Rentenlücken zu schließen, erklärte Miegel. Ältere Arbeitnehmer sollten nicht nur die staatlich geförderten vier, sondern am besten gleich bis zu acht Prozent ihrer Einkommen am Kapitalmarkt anlegen. Erst damit stünden sie auf der sicheren Seite.

Rentensicherheit durch Sparen in Wertpapieren: So hören es die Finanziers des Miegel-Instituts bei der Deutschen Bank gerne. Und genau diese Botschaft propagieren Deutschlands Banken und Versicherungen derzeit landauf, landab mit einer Werbekampagne, die einem Trommelfeuer gleicht. Fondsparen, Privatrente, Lebensversicherungen, AS-Sondervermögen - noch bevor auch nur ein einziges Programm das amtliche Siegel der Förderungswürdigkeit erhalten hat, preist die Finanzindustrie ihre Produkte auf allen Kanälen in den rosigsten Farben als Ausweg aus der Renten-Misere.

Selbst die Bundesbank mahnt

Vor allem Aktienanlagen, die im Schnitt der vergangenen 30 Jahre in Deutschland über acht Prozent Jahresrendite abwarfen, verkauft die Finanzbranche als aussichtsreichste Anlageform. Darum legen Investmentfonds trotz Kursrückschlägen weiter zu und bescheren Fondverwaltern wie Investmentbankern eine warmen Milliardenregen aus Provisionen, Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren.

Doch die Versprechungen vom kapitalgedeckten Rentner-Paradies sind unsolide. Längst warnen vorsichtige Ökonomen, dass der programmierte Bevölkerungsschwund infolge des Geburtenrückgangs die Volkswirtschaften der Industrieländer in die Stagnation treiben könnte. Zwangsläufig würden damit auch die Renditen an den Finanzmärkten einbrechen. Selbst die traditionell bankenfreundlichen Volkswirte der Bundesbank mahnen: "Auch kapitalgedeckte Alterssicherungssysteme sind nicht immun gegenüber demografischen Veränderungen".

Das ist sehr vorsichtig ausgedrückt. Tatsächlich könnte wohl nur ein grandioser weltweiter Wachstumsschub verhindern, dass das Vermögen der heutigen Rentensparer irgendwann zwischen 2010 und 2025 drastisch entwertet wird.


Verblüffenderweise drehte sich die Rentendebatte bislang stets nur um das Problem, dass es künftig wegen der Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung an Beitragszahlern für die umlagenfinanzierten Rentensysteme mangeln wird. Doch das gleiche Phänomen wird auch die Märkte für Wertpapiere treffen. Denn wer heute sein Geld in Aktien und Zinstiteln anlegt, benötigt nach der Verrentung Käufer für eben diese Anlagen. Was im Umlagesystem das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern ist, das sind am Kapitalmarkt die Sparer und die Ent-sparer, die Käufer und Verkäufer von Wertpapieren.

Die Babyboom-Generation läuft in die Falle

Als Sparergeneration setzen Fachleute gemeinhin die Altersgruppe der 30- bis 59-jährigen an, ihnen gegenüber stehen alle Älteren ab 60. Stehen so heute in Deutschland statistisch gesehen einem Entsparer noch rund 1,7 Sparer gegenüber, wird es infolge des Geburtenrückgangs in 40 Jahren nur noch einer sein. Und dies auch nur dann, wenn jährlich im Schnitt 200.000 Menschen nach Deutschland einwandern, errechnete Andreas Heigl, Demograf und Rentenexperte bei der Hypovereinsbank.

Beim Aktiensparen könnten so vor allem die geburtenstarken Jahrgänge von 1950 bis 1970 regelrecht in die Falle laufen. Denn durch den jetzt ausgelösten Run auf Dividendentitel rechnet die Finanzbranche auf zehn Jahre mit stark steigenden Aktienwerten. Bis 2010, so kalkulierte die Investmentbank Morgan Stanley, werden wegen der Altersvorsorge zusätzlich über 10 Billionen Dollar an Europas Börsen angelegt, weit mehr, als selbst bei guter Wirtschaftsentwicklung an neuen Aktien ausgegeben wird. Der Nachfrageüberschuss werde einen "Liquiditäts-Superzyklus" treiben, frohlocken die Analysten.

 
Rentenfachmann Andreas Heigl: "Jeder ist Gefangener seiner Geburtskohorte"


Doch anschließend droht das genaue Gegenteil. Um ihre Gewinne zu sichern, werden die Verwalter von Pensionsfonds und Sparplänen die Aktienanlagen im großen Stil auf festverzinsliche Anlagen umschichten müssen, also auf Staatsanleihen und verbriefte Kredite von Unternehmen. Das wird nicht nur die langfristigen Zinsen tief nach unten drücken. Zugleich werden die vorher wegen des Nachfragebooms zu teuer eingekauften Aktienwerte genau zu der Zeit verfallen, wo die Mitglieder der Babyboom-Generation ihre Ersparnisse benötigen. "Sie könnten Probleme bekommen, ihre Finanztitel einer immer kleiner werdenden Sparerklientel zu verkaufen, möglicherweise nur mit erheblichen Kursverlusten", schreibt Hypovereinsbank-Experte Heigl in einer kürzlich vorgelegten Studie.

Zwar hält der Demograf unter den Bankern "Negativ-Renditen für den Gesamtmarkt für sehr unwahrscheinlich". Trotzdem müsse sich die Generation der jetzt 30- bis 50-jährigen darüber im Klaren sein, "dass sie im Vergleich zur Vorgängergeneration mit niedrigeren Renditen leben muss". Heigl: "Jeder ist Gefangener seiner Geburtskohorte".

Dresdner Bank: "Diese Sorgen sind unbegründet"

Derlei Mahnungen wollen die zahlreichen Propagandisten der neuen Aktienlüge jedoch nicht gelten lassen. "Diese Sorgen sind unbegründet", behauptet etwa die volkswirtschaftliche Abteilung der Dresdner Bank in einer diese Woche publizierten Studie. Anders als das Umlagesystem seien die Kapitalanlagen schließlich nicht national gefangen, sondern könnten weltweit gestreut werden. Der absehbare Beitritt der osteuropäischen Staaten zur Europäischen Währungsunion biete da wegen ihres Nachholbedarfs große Chancen ohne Wechselkursrisiko.

Doch diese Argumentation hält einer Überprüfung nicht stand.

Lesen Sie in Teil zwei: Können die Schwellenländer unsere Renten finanzieren, oder droht Stagnation in der Vergreisung nach dem Modell Japan?




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© SPIEGEL ONLINE 2001
hjw2:

So ist es... o.T.

 
06.07.01 19:16
draki:

interessant o.T.

 
07.07.01 09:56
boomer:

Was erwartet die Öffentlichkeit anderes von

 
07.07.01 11:37
einem Mann namens Riester?

Ich möchte nicht arrogant wirken, aber die Problematik ist derart komlex, dass man zur Entscheidung nicht nur "Fliesenleger, Gewerkschaftsfunktionär und angeblich omnipotenter Politiker" sein darf.
Wenn man klug ist, hört man in einer solchen Funktion auf seine Berater ... ..wenn man sich gute vorher ausgesucht hat.

Das alles wurde mit einer heissen Nadel genäht.

MfG
hjw2:

Hört man auf Berater , wird man nicht gewählt !

 
07.07.01 12:34
Da fast alle Politiker "Machtgeil" sind und in erster Linie die "Eigenversorgung" im Sinn haben, wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern....

Man sehe sich mal die Tagesschau von vor 20 Jahren an.........!!

Die Rentenproblematik ist mindestens seit den 70 igern bekannt...

Versäumnisse über Versäumnisse, nicht nur bei den Renten...

Wer wählt eigentlich diese Selbstversorger...und ist glücklich dabei??


Chancen auf Änderungen...noch mehr Eierwerfer....?? Dieses Gesindel...hehe
Spitfire33:

Solange diese Lügner nicht persönlich zur

 
07.07.01 12:54
Verantwortung gezogen werden, siehe Nobbi Blüm noch vor wenigen Jahren: Die Rente ist sicher, wird sich in diesem Lande nie etwas ändern.

Hat jemand eine Alternative zu den bestehenden Parteien?
flexo:

Das Kind mit dem Bade ausschütten...

 
07.07.01 13:01
...nenne ich das mal. Boomen die Finanz- und Aktienmärkt, dann heißt es (von allen, die sich damit befassen auch die, die jetzt "mahnen") Die Rente muss unbedingt sebstverantwortlicher von allen gestaltet werden, also Aktienanlagen, Immobilien, Renten etc. Knickt der Aktienmarkt ein, Wußten alle vorher, das es so nicht geht. Und das beste ist, ihr pflichtet dem auch noch bei...
Dabei ist doch ganz klar: Unternehmen werden sich auch in Zukunft auf dem Kapitalmarkt eindecken, die Aktienmärkte werden in 3 oder 5 Jahren wieder einen Boom begründen, der vielleicht 5 Jahre dauert und danach wird es sich wieder abkühlen.
Fazit das man aus dieser Zeit, also dem Zeitraum von 2000 bis jetzt ziehen kann: Nur qualitativ hochwertige Kapitalgesellschaften werden in Zukunft frisches Geld bekommen - so wie auch klar ist, das in jeder Boomphase zum Tode verdammte AG´s irgendwann hinweggespült werden. Das ist der Preis für eine höhere Rendite, wie man sie auch in Zukunft haben wird, da bin ich ganz sicher.

P.S.Schaut euch doch mal Funkwerk an...
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