20.10.02 11:55
DER STAAT ZOCKT AB - Jetzt greifen sie richtig zu (EurAmS)
Aktionäre und Fondssparer sind die großen Verlierern der neuen Berliner Finanzpolitik. Aber sie sind beileibe nicht die einzigen
von Stefan Beste und Ursula Wanders
Euro am Sonntag 42/02
Blumensträuße werden teurer: Der Mehrwertsteuersatz auf "Erzeugnisse des Gartenbaus" wird von sieben auf 16 Prozent erhöht. 281 Millionen Euro sollen so zusätzlich in die Staatskasse kommen. Aber das reicht nicht. Und so harmlos wie die höhere Abgabe auf Blumen ist längst nicht alles, was die Koalitionäre in 14 Verhandlungsrunden ausgeheckt haben.
Die Liste der Maßnahmen, mit denen die rot-grüne Bundesregierung in den kommenden vier Jahren die Staatsfinanzen in Ordnung bringen will, ist lang. Und die Tinte unter dem Koalitionsvertrag war noch nicht trocken, da hagelte es schon Proteste: "Die Koalition bittet zur Kasse", titelte das "Handelsblatt". "Jetzt nehmen sie uns richtig aus", befand "Bild". Der 88 Seiten starke Koalitionsvertrag, den die Vertreter von SPD und Grünen am Mittwoch in der Neuen Nationalgalerie in Berlin unterzeichneten, hat es in der Tat in sich. Angesichts leerer Kassen einigte sich die Runde um Bundeskanzler Gerhard Schröder auf eine Mixtur aus höheren Steuern, weniger Staatsausgaben und mehr Schulden. Ein Blick in die Streichliste, die schon am 20. November im Kabinett abgesegnet werden soll, zeigt: Fast jedem geht es ans Portemonnaie. Unternehmen, Anleger, Besserverdienende und Häuslebauer sind die größten Verlierer.
Den dicksten Brocken machen die Einsparungen am Arbeitsmarkt aus: Durch sie soll der Etat 2003 um 7,4 Milliarden Euro entlastet werden. Der Abbau von Steuervergünstigungen bringt weitere 4,2 Milliarden Euro.
Doch das reicht nicht, um die erforderlichen 14,2 Milliarden Euro zusammenzukratzen. Die fehlenden 2,6 Milliarden sollen durch neue Schulden gedeckt werden. Statt der im kommenden Jahr geplanten 15,5 Milliarden Euro wird Eichel nun 18,1 Milliarden Euro an neuen Krediten aufnehmen müssen. Der Finanzminister will dennoch an seinem Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushalts bis 2006 festhalten.
Neue Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung sucht man im Koalitionspapier vergeblich. Die großen Strukturreformen etwa der sozialen Sicherungssysteme, auf die nicht zuletzt die Finanzmärkte gehofft hatten, bleiben in der zweiten Legislaturperiode von Rot-Grün auf der Strecke. Nur das Hartz-Konzept zur Reform des Arbeitsmarktes soll eins zu eins umgesetzt werden.
Dennoch hagelt es Prügel von Wirtschaftsfachleuten und Lobbyisten: ."Die höhere Neuverschuldung und die Steuererhöhungen sind ein ernüchterndes Signal dafür, dass die rot-grüne Koalition weiterhin den Weg des geringsten politischen Widerstands gehen wird", sagt der Leiter des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs, Thomas Straubhaar. Noch härter fällt das Urteil von Hans-Werner Sinn aus. Für den Leiter des Münchner ifo-Instituts ist das Sparprogramm nichts weiter als ein "massives Zehn-Punkte-Programm zur Steuererhöhung".
----
Die Wirtschaft stagniert, die Steuern steigen. Damit Sie wissen, wie Sie in schwierigen Zeiten Ihr Geld zusammenhalten, startet EURO in der nächsten Ausgabe eine Serie zum Thema Sparen. Folge 1: Steuern
Kasten 1
Ende der Bauförderung
Die Entscheidung, die Eigenheimzulage zu kürzen, kommt nicht überraschend. Schließlich war sie mit 9,0 Milliarden Euro der größte Posten im Subventionsbericht der Bundesregierung. Dass die Einschnitte allerdings so drastisch ausfallen würden, dürfte für manchen angehenden Häuslebauer dann doch ein Schock sein. Derzeit erhalten Bauherren oder Käufer eines Neubaus acht Jahre lang jeweils 2556 Euro, insgesamt also 20448 Euro. Beim Kauf eines Altbaus gibt es die Hälfte: acht mal 1278 Euro. Dazu kommen pro Kind 767 Euro jährlich. Einzige Bedingung: Das Gehalt darf in zwei Jahren zusammengerechnet nicht mehr als 81807 Euro betragen, bei Ehepaaren sind es 163614 Euro. Dazu kommen weitere 30677 Euro pro Kind.
Doch damit ist nun Schluss: In Zukunft soll die Förderung auf die Kinderzulage beschränkt werden. Die bisherige Grundförderung wird ersatzlos gestrichen, Kinderlose gehen somit auf jeden Fall leer aus. Auch Familien mit Kindern müssen sich auf drastische Einschnitte gefasst machen: Zwar wird das Baukindergeld auf 1200 Euro erhöht. Der Verlust der Grundförderung wird dadurch aber erst ab sechs Kindern ausgeglichen. Dazu kommt: Die Einkunftsgrenze für den maßgeblichen Zweijahreszeitraum wird auf 140000 Euro für zusammen veranlagte Ehepaare abgesenkt. Für Alleinstehende beträgt sie künftig 70000 Euro.
Die neuen Regelungen gelten ab dem 31. Dezember 2002. Wer seinen notariellen Kaufvertrag noch vorher abschließt oder einen Bauantrag einreicht, profitiert noch von der alten Regelung. Auch Hausbesitzer, deren Förderung bereits genehmigt ist, sind nicht betroffen. Sie erhalten die bisherige Eigenheimlage bis zum Ablauf der acht Jahre unverändert weiter.
Kasten 2
Teure Rente
Es war schon länger absehbar: Sowohl in der Renten- als auch in der Krankenversicherung fehlt Geld. Der Rentenversicherungsbeitrag dürfte deswegen 2003 von 19,1 Prozent auf 19,3 Prozent steigen. Doch das reicht nicht.
Um einen weiteren Anstieg - Experten rechnen mit bis zu 19,8 Prozent - zu vermeiden, bittet die Regierung die Besserverdienenden zur Kasse. Die Beitragsbemessungsgrenze für die Renten- und die Arbeitslosenversicherung wird im Westen von 4500 auf 5100 Euro und im Osten von 3750 auf 4275 Euro des Bruttoeinkommens angehoben. Im schlimmsten Fall - bei einem Bruttogehalt von 5100 Euro oder mehr im Westen - muss ein Arbeitnehmer danach im Monat 154,80 Euro mehr abführen. Die Hälfte davon trägt der Arbeitgeber. Allerdings erwirbt der Arbeitnehmer dafür höhere Rentenansprüche.
Zusätzlich will Rot-Grün die so genannte Schwankungsreserve, also das Finanzpolster der Rentenkasse, weiter verringern, von 80 Prozent auf künftig nur noch 60 Prozent einer Monatsausgabe.
Bei den gesetzlichen Krankenkassen dürfte der durchschnittliche Beitragssatz im kommenden Jahr von 14 auf 14,4 Prozent steigen. Um gegenzusteuern, soll Berufsanfängern der Wechsel in die Privatkassen erschwert werden. Künftig müssen sie mindestens 4500 Euro brutto monatlich verdienen. Bislang waren es 3275 Euro.
Kasten 3
Reiche und Erben zur Kasse bitte!
Sigmar Gabriel (SPD) ist hartnäckig. Niedersachsens Ministerpräsident fordert eine höhere Erbschaftsteuer und die Wiedereinführung der Vermögensteuer. "Wir bleiben dabei und bereiten eine Bundesratsinitiative vor", bestätigt Gabriels Sprecher Volker Benke. Spätestens Anfang 2003 soll es so weit sein. Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz sind schon mit im Boot. "Wir suchen aber noch weitere Verbündete", sagt Benke. Die werden die Genossen auch brauchen - im Bundesrat hat Rot-Grün derzeit nicht die Mehrheit. Leere Kassen könnten aber manch einen CDU-Landesfürsten schwach werden lassen. Bei der Erbschaftsteuer könnte übrigens das Bundesverfassungsgericht eine Steilvorlage geben. Karlsruhe soll noch in diesem Jahr über die Steuer entscheiden. Knackpunkt: die unterschiedliche Bewertung von Immobilien und anderem Vermögen. Eine Neuauflage der Vermögensteuer würden die Verfassungsrichter dagegen wieder kassieren - da sind sich Juristen sicher.
Kasten 4
Hier und dort ein paar Euro...
Kleinvieh macht auch Mist: Die Liste der Steuervorteile, die Rot-Grün streichen will, ist lang.
Mehrwertsteuer
Viele Produkte, auf die bislang nur der verminderte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent angewendet wurde, werden künftig mit dem vollen Satz von 16 Prozent besteuert: Kunstgegenstände gehören ebenso dazu wie Blumen- und Zierpflanzen. Auch der Besuch beim Zahnarzt sowie Zahnersatz werden in Zukunft teurer. Besonders hart trifft es die Landwirte: Sie müssen künftig für landwirtschaftliche Vorprodukte wie Samen oder Futter, aber auch auf lebende Tiere den vollen Mehrwertsteuersatz bezahlen. Insgesamt sollen die Steuererhöhungen in der Landwirtschaft 1,27 Milliarden Euro bringen. Klar, dass die Landwirte versuchen werden, ihre Mehrkosten durch höhere Preise wieder reinzuholen. Tiefer in die Tasche greifen müssen künftig auch Flugreisende: Erstmals soll auf Flüge ins Ausland Mehrwertsteuer erhoben werden (Einnahmeziel: 425 Millionen Euro). Entlastung dagegen bei der Bahn: Ab 2005 soll für Fahrten über 100 Kilometern nur sieben Prozent statt wie bislang 16 Prozent Mehrwertsteuer angesetzt werden.
Einkommensteuer
Bei privat genutzten Firmenwagen sollen künftig 1,5 Prozent des Listenpreises versteuert werden - statt wie bisher ein Prozent. Darunter wird auch die Autoindustrie leiden. Nach harschen Protesten wird die Regelung jetzt aber nochmals überdacht.Auch Vermieter werden es in Zukunft schwerer haben, Steuern zu sparen. Um die vollen Werbungskosten - etwa Schuldzinsen - geltend zu machen, müssen sie künftig mindestens drei Viertel der ortsüblichen Miete verlangen. Bisher waren es 50 Prozent. Ein legales Steuersparmodell für Familien verliert dadurch seinen Charme: Mietverträge mit Angehörigen, etwa mit dem auswärts studierenden Sprössling.
Energiesteuer
Auch auf die 16,8 Millionen Haushalte, die mit Erdgas heizen, kommen höhere Kosten zu: Die Erdgassteuer soll von rund 3,5 auf rund sechs Euro pro Megawattstunde steigen. Bei einem Vier-Personen-Haushalt bedeutet das nach Angaben des Wirtschaftsverbands Erdöl- und Erdgasgewinnung im Jahr Mehrkosten von rund 60 Euro.
Kasten 5
Steuerhammer für Anleger
Börse und Immobilien
Anleger gehören zu den Verlierern der rot-grünen Steuerpläne.Künftig sollen alle Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren und vermieteten Immobilien versteuert werden. Bislang hält der Fiskus nur die Hand auf, wenn die Papiere innerhalb von zwölf Monaten mit Plus verkauft werden. Bei Immobilien dauert die Spekulationsfrist zehn Jahre.
Details sind noch unklar. So auch die brisante Frage: Ab wann sollen die neuen Spielregeln gelten? Wahrscheinlich ab 2003. Aber: Gelten sie nur für Käufe ab einem bestimmten Datum - etwa ab dem 1. Januar 2003? Oder auch für bereits gekaufte Wertpapiere und Immobilien? Das wäre hart. Wer fürs Alter vorgesorgt hat und seit Jahren Aktien und Fonds im Depot hortet, müsste seine Kursgewinne künftig versteuern.
Ein Beispiel: Wer in den vergangenen 30 Jahren monatlich 50 Euro in deutsche Aktienfonds investiert hat, verfügte am 30. Juni 2002 über ein Vermögen von durchschnittlich 82833 Euro - bei Einzahlungen in Höhe von 18000 Euro. Die Differenz (minus jährlich versteuerte Dividenden) wäre steuerpflichtig (Quelle: bvi).
Gestraft wären auch Erben von Mietimmobilien. Oft müssen Erben die Immobilie verkaufen, um die Erbschaftsteuer zu zahlen. Addiert man Erbschaft- und Einkommensteuer, enstünde eine Last von bis zu 75 Prozent des Verkaufserlöses.
Trost: Noch ist nicht das letzte Wort gesprochen. Und durch den Bundesrat müsste die Änderung auch noch. Laut Finanzminister wird es eine Übergangsregelung geben. Wie die aussieht, weiß noch niemand.
Tipps: 1) Statt in Fonds in fondsgebundene Lebensversicherungen (Kosten beachten!) investieren. Die Erträge sind nach zwölf Jahren steuerfrei. 2) 2002 bleiben Gewinne, die außerhalb der noch bestehenden Spekulationsfrist anfallen, steuerfrei. 3) Liegt ein Verlustbringer länger als ein Jahr im Depot, lassen sich die Miesen derzeit nicht geltend machen. Vielleicht aber im nächsten Jahr.
Adieu, Bankgeheimnis
Steuersünden fliegen künftig leichter auf. Banken sollen bald Kontrollmitteilungen über Aktiengewinne, Zinsen und Dividenden verschicken - möglicherweise schon ab 2003. Besonders pikant: Selbst wenn die Banken dem Fiskus nur aktuelle Daten liefern - die Finanzbeamten werden auch nach Gewinnen früherer Jahre fragen. Tipp: Steuersünder sollten über eine Selbstanzeige nachdenken - aber nur in Absprache mit einem Anwalt oder Steuerberater.
Kasten 6
Keine Null-Nummern mehr
Eichels Sparliste trifft Unternehmen hart. Doch der Bundesrat könnte die geplanten Änderungen noch stoppen. Rot-Grün hat in der Länderkammer zur Zeit keine Mehrheit.
Mindestbesteuerung
Bislang können Konzerne ihre Gewinne mit Hilfe von Verlustvorträgen bis auf null drücken. Doch nach den Plänen der rot-grünen Regierung dürfen Unternehmen Verlustvorträge künftig nur noch auf die Hälfte ihrer Gewinne anrechnen. Im Klartext: Unternehmen müssten mindestens 50 Prozent ihrer Gewinne versteuern. Hinzu kommt: Die bisherige Regelung, dass ein "nicht verbrauchter Verlustvortrag" auf den Erben übergehen kann, wird gestrichen. Damit nicht genug. SPD und Grüne wollen auch den Zeitraum für Verlustvorträge begrenzen: auf sieben Jahre. Bislang können Verluste zeitlich unbegrenzt vorgetragen werden. Ausnahmen und steuerliche Erleichterungen für den Mittelstand sind bereits im Gespräch. Im Finazministerium will man jedoch keine näheren Einzelheiten nennen.Das Streichkonzert geht noch weiter: Beispiel steuerliche Organschaften. Sie ermöglichen Verlustverrechnungen zwischen Gesellschaften - etwa bei der Gewerbesteuer. Das soll nun nicht mehr möglich sein. Die einzelnen Unternehmen sollen stattdessen die Gewerbesteuer in der Gemeinde zahlen, in der sie anfällt. Zudem dürfen Körperschaften Spenden nicht mehr steuerlich geltend machen. Das Motto "Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft" ist auch bald überholt - zumindest vor dem Fiskus: Gaben an Geschäftsfreunde sollen nicht mehr als Betriebsausgaben anerkannt werden.
Ökosteuer
Ausnahmen bei der Ökosteuer fallen dem Rotstift zum Opfer. Unternehmen des produzierenden Gewerbes und der Land- und Forstwirtschaft sollen stärker als bisher belastet werden. Der "Wettbewerbssituation besonders energieintensiver Unternehmen" soll "Rechnung getragen" werden. Übrigens: Die Ökosteuer muss nicht durch den Bundesrat. Die Regierung hat hier freie Hand.
DER STAAT ZOCKT AB - Jetzt greifen sie richtig zu (EurAmS)
Aktionäre und Fondssparer sind die großen Verlierern der neuen Berliner Finanzpolitik. Aber sie sind beileibe nicht die einzigen
von Stefan Beste und Ursula Wanders
Euro am Sonntag 42/02
Blumensträuße werden teurer: Der Mehrwertsteuersatz auf "Erzeugnisse des Gartenbaus" wird von sieben auf 16 Prozent erhöht. 281 Millionen Euro sollen so zusätzlich in die Staatskasse kommen. Aber das reicht nicht. Und so harmlos wie die höhere Abgabe auf Blumen ist längst nicht alles, was die Koalitionäre in 14 Verhandlungsrunden ausgeheckt haben.
Die Liste der Maßnahmen, mit denen die rot-grüne Bundesregierung in den kommenden vier Jahren die Staatsfinanzen in Ordnung bringen will, ist lang. Und die Tinte unter dem Koalitionsvertrag war noch nicht trocken, da hagelte es schon Proteste: "Die Koalition bittet zur Kasse", titelte das "Handelsblatt". "Jetzt nehmen sie uns richtig aus", befand "Bild". Der 88 Seiten starke Koalitionsvertrag, den die Vertreter von SPD und Grünen am Mittwoch in der Neuen Nationalgalerie in Berlin unterzeichneten, hat es in der Tat in sich. Angesichts leerer Kassen einigte sich die Runde um Bundeskanzler Gerhard Schröder auf eine Mixtur aus höheren Steuern, weniger Staatsausgaben und mehr Schulden. Ein Blick in die Streichliste, die schon am 20. November im Kabinett abgesegnet werden soll, zeigt: Fast jedem geht es ans Portemonnaie. Unternehmen, Anleger, Besserverdienende und Häuslebauer sind die größten Verlierer.
Den dicksten Brocken machen die Einsparungen am Arbeitsmarkt aus: Durch sie soll der Etat 2003 um 7,4 Milliarden Euro entlastet werden. Der Abbau von Steuervergünstigungen bringt weitere 4,2 Milliarden Euro.
Doch das reicht nicht, um die erforderlichen 14,2 Milliarden Euro zusammenzukratzen. Die fehlenden 2,6 Milliarden sollen durch neue Schulden gedeckt werden. Statt der im kommenden Jahr geplanten 15,5 Milliarden Euro wird Eichel nun 18,1 Milliarden Euro an neuen Krediten aufnehmen müssen. Der Finanzminister will dennoch an seinem Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushalts bis 2006 festhalten.
Neue Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung sucht man im Koalitionspapier vergeblich. Die großen Strukturreformen etwa der sozialen Sicherungssysteme, auf die nicht zuletzt die Finanzmärkte gehofft hatten, bleiben in der zweiten Legislaturperiode von Rot-Grün auf der Strecke. Nur das Hartz-Konzept zur Reform des Arbeitsmarktes soll eins zu eins umgesetzt werden.
Dennoch hagelt es Prügel von Wirtschaftsfachleuten und Lobbyisten: ."Die höhere Neuverschuldung und die Steuererhöhungen sind ein ernüchterndes Signal dafür, dass die rot-grüne Koalition weiterhin den Weg des geringsten politischen Widerstands gehen wird", sagt der Leiter des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs, Thomas Straubhaar. Noch härter fällt das Urteil von Hans-Werner Sinn aus. Für den Leiter des Münchner ifo-Instituts ist das Sparprogramm nichts weiter als ein "massives Zehn-Punkte-Programm zur Steuererhöhung".
----
Die Wirtschaft stagniert, die Steuern steigen. Damit Sie wissen, wie Sie in schwierigen Zeiten Ihr Geld zusammenhalten, startet EURO in der nächsten Ausgabe eine Serie zum Thema Sparen. Folge 1: Steuern
Kasten 1
Ende der Bauförderung
Die Entscheidung, die Eigenheimzulage zu kürzen, kommt nicht überraschend. Schließlich war sie mit 9,0 Milliarden Euro der größte Posten im Subventionsbericht der Bundesregierung. Dass die Einschnitte allerdings so drastisch ausfallen würden, dürfte für manchen angehenden Häuslebauer dann doch ein Schock sein. Derzeit erhalten Bauherren oder Käufer eines Neubaus acht Jahre lang jeweils 2556 Euro, insgesamt also 20448 Euro. Beim Kauf eines Altbaus gibt es die Hälfte: acht mal 1278 Euro. Dazu kommen pro Kind 767 Euro jährlich. Einzige Bedingung: Das Gehalt darf in zwei Jahren zusammengerechnet nicht mehr als 81807 Euro betragen, bei Ehepaaren sind es 163614 Euro. Dazu kommen weitere 30677 Euro pro Kind.
Doch damit ist nun Schluss: In Zukunft soll die Förderung auf die Kinderzulage beschränkt werden. Die bisherige Grundförderung wird ersatzlos gestrichen, Kinderlose gehen somit auf jeden Fall leer aus. Auch Familien mit Kindern müssen sich auf drastische Einschnitte gefasst machen: Zwar wird das Baukindergeld auf 1200 Euro erhöht. Der Verlust der Grundförderung wird dadurch aber erst ab sechs Kindern ausgeglichen. Dazu kommt: Die Einkunftsgrenze für den maßgeblichen Zweijahreszeitraum wird auf 140000 Euro für zusammen veranlagte Ehepaare abgesenkt. Für Alleinstehende beträgt sie künftig 70000 Euro.
Die neuen Regelungen gelten ab dem 31. Dezember 2002. Wer seinen notariellen Kaufvertrag noch vorher abschließt oder einen Bauantrag einreicht, profitiert noch von der alten Regelung. Auch Hausbesitzer, deren Förderung bereits genehmigt ist, sind nicht betroffen. Sie erhalten die bisherige Eigenheimlage bis zum Ablauf der acht Jahre unverändert weiter.
Kasten 2
Teure Rente
Es war schon länger absehbar: Sowohl in der Renten- als auch in der Krankenversicherung fehlt Geld. Der Rentenversicherungsbeitrag dürfte deswegen 2003 von 19,1 Prozent auf 19,3 Prozent steigen. Doch das reicht nicht.
Um einen weiteren Anstieg - Experten rechnen mit bis zu 19,8 Prozent - zu vermeiden, bittet die Regierung die Besserverdienenden zur Kasse. Die Beitragsbemessungsgrenze für die Renten- und die Arbeitslosenversicherung wird im Westen von 4500 auf 5100 Euro und im Osten von 3750 auf 4275 Euro des Bruttoeinkommens angehoben. Im schlimmsten Fall - bei einem Bruttogehalt von 5100 Euro oder mehr im Westen - muss ein Arbeitnehmer danach im Monat 154,80 Euro mehr abführen. Die Hälfte davon trägt der Arbeitgeber. Allerdings erwirbt der Arbeitnehmer dafür höhere Rentenansprüche.
Zusätzlich will Rot-Grün die so genannte Schwankungsreserve, also das Finanzpolster der Rentenkasse, weiter verringern, von 80 Prozent auf künftig nur noch 60 Prozent einer Monatsausgabe.
Bei den gesetzlichen Krankenkassen dürfte der durchschnittliche Beitragssatz im kommenden Jahr von 14 auf 14,4 Prozent steigen. Um gegenzusteuern, soll Berufsanfängern der Wechsel in die Privatkassen erschwert werden. Künftig müssen sie mindestens 4500 Euro brutto monatlich verdienen. Bislang waren es 3275 Euro.
Kasten 3
Reiche und Erben zur Kasse bitte!
Sigmar Gabriel (SPD) ist hartnäckig. Niedersachsens Ministerpräsident fordert eine höhere Erbschaftsteuer und die Wiedereinführung der Vermögensteuer. "Wir bleiben dabei und bereiten eine Bundesratsinitiative vor", bestätigt Gabriels Sprecher Volker Benke. Spätestens Anfang 2003 soll es so weit sein. Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz sind schon mit im Boot. "Wir suchen aber noch weitere Verbündete", sagt Benke. Die werden die Genossen auch brauchen - im Bundesrat hat Rot-Grün derzeit nicht die Mehrheit. Leere Kassen könnten aber manch einen CDU-Landesfürsten schwach werden lassen. Bei der Erbschaftsteuer könnte übrigens das Bundesverfassungsgericht eine Steilvorlage geben. Karlsruhe soll noch in diesem Jahr über die Steuer entscheiden. Knackpunkt: die unterschiedliche Bewertung von Immobilien und anderem Vermögen. Eine Neuauflage der Vermögensteuer würden die Verfassungsrichter dagegen wieder kassieren - da sind sich Juristen sicher.
Kasten 4
Hier und dort ein paar Euro...
Kleinvieh macht auch Mist: Die Liste der Steuervorteile, die Rot-Grün streichen will, ist lang.
Mehrwertsteuer
Viele Produkte, auf die bislang nur der verminderte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent angewendet wurde, werden künftig mit dem vollen Satz von 16 Prozent besteuert: Kunstgegenstände gehören ebenso dazu wie Blumen- und Zierpflanzen. Auch der Besuch beim Zahnarzt sowie Zahnersatz werden in Zukunft teurer. Besonders hart trifft es die Landwirte: Sie müssen künftig für landwirtschaftliche Vorprodukte wie Samen oder Futter, aber auch auf lebende Tiere den vollen Mehrwertsteuersatz bezahlen. Insgesamt sollen die Steuererhöhungen in der Landwirtschaft 1,27 Milliarden Euro bringen. Klar, dass die Landwirte versuchen werden, ihre Mehrkosten durch höhere Preise wieder reinzuholen. Tiefer in die Tasche greifen müssen künftig auch Flugreisende: Erstmals soll auf Flüge ins Ausland Mehrwertsteuer erhoben werden (Einnahmeziel: 425 Millionen Euro). Entlastung dagegen bei der Bahn: Ab 2005 soll für Fahrten über 100 Kilometern nur sieben Prozent statt wie bislang 16 Prozent Mehrwertsteuer angesetzt werden.
Einkommensteuer
Bei privat genutzten Firmenwagen sollen künftig 1,5 Prozent des Listenpreises versteuert werden - statt wie bisher ein Prozent. Darunter wird auch die Autoindustrie leiden. Nach harschen Protesten wird die Regelung jetzt aber nochmals überdacht.Auch Vermieter werden es in Zukunft schwerer haben, Steuern zu sparen. Um die vollen Werbungskosten - etwa Schuldzinsen - geltend zu machen, müssen sie künftig mindestens drei Viertel der ortsüblichen Miete verlangen. Bisher waren es 50 Prozent. Ein legales Steuersparmodell für Familien verliert dadurch seinen Charme: Mietverträge mit Angehörigen, etwa mit dem auswärts studierenden Sprössling.
Energiesteuer
Auch auf die 16,8 Millionen Haushalte, die mit Erdgas heizen, kommen höhere Kosten zu: Die Erdgassteuer soll von rund 3,5 auf rund sechs Euro pro Megawattstunde steigen. Bei einem Vier-Personen-Haushalt bedeutet das nach Angaben des Wirtschaftsverbands Erdöl- und Erdgasgewinnung im Jahr Mehrkosten von rund 60 Euro.
Kasten 5
Steuerhammer für Anleger
Börse und Immobilien
Anleger gehören zu den Verlierern der rot-grünen Steuerpläne.Künftig sollen alle Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren und vermieteten Immobilien versteuert werden. Bislang hält der Fiskus nur die Hand auf, wenn die Papiere innerhalb von zwölf Monaten mit Plus verkauft werden. Bei Immobilien dauert die Spekulationsfrist zehn Jahre.
Details sind noch unklar. So auch die brisante Frage: Ab wann sollen die neuen Spielregeln gelten? Wahrscheinlich ab 2003. Aber: Gelten sie nur für Käufe ab einem bestimmten Datum - etwa ab dem 1. Januar 2003? Oder auch für bereits gekaufte Wertpapiere und Immobilien? Das wäre hart. Wer fürs Alter vorgesorgt hat und seit Jahren Aktien und Fonds im Depot hortet, müsste seine Kursgewinne künftig versteuern.
Ein Beispiel: Wer in den vergangenen 30 Jahren monatlich 50 Euro in deutsche Aktienfonds investiert hat, verfügte am 30. Juni 2002 über ein Vermögen von durchschnittlich 82833 Euro - bei Einzahlungen in Höhe von 18000 Euro. Die Differenz (minus jährlich versteuerte Dividenden) wäre steuerpflichtig (Quelle: bvi).
Gestraft wären auch Erben von Mietimmobilien. Oft müssen Erben die Immobilie verkaufen, um die Erbschaftsteuer zu zahlen. Addiert man Erbschaft- und Einkommensteuer, enstünde eine Last von bis zu 75 Prozent des Verkaufserlöses.
Trost: Noch ist nicht das letzte Wort gesprochen. Und durch den Bundesrat müsste die Änderung auch noch. Laut Finanzminister wird es eine Übergangsregelung geben. Wie die aussieht, weiß noch niemand.
Tipps: 1) Statt in Fonds in fondsgebundene Lebensversicherungen (Kosten beachten!) investieren. Die Erträge sind nach zwölf Jahren steuerfrei. 2) 2002 bleiben Gewinne, die außerhalb der noch bestehenden Spekulationsfrist anfallen, steuerfrei. 3) Liegt ein Verlustbringer länger als ein Jahr im Depot, lassen sich die Miesen derzeit nicht geltend machen. Vielleicht aber im nächsten Jahr.
Adieu, Bankgeheimnis
Steuersünden fliegen künftig leichter auf. Banken sollen bald Kontrollmitteilungen über Aktiengewinne, Zinsen und Dividenden verschicken - möglicherweise schon ab 2003. Besonders pikant: Selbst wenn die Banken dem Fiskus nur aktuelle Daten liefern - die Finanzbeamten werden auch nach Gewinnen früherer Jahre fragen. Tipp: Steuersünder sollten über eine Selbstanzeige nachdenken - aber nur in Absprache mit einem Anwalt oder Steuerberater.
Kasten 6
Keine Null-Nummern mehr
Eichels Sparliste trifft Unternehmen hart. Doch der Bundesrat könnte die geplanten Änderungen noch stoppen. Rot-Grün hat in der Länderkammer zur Zeit keine Mehrheit.
Mindestbesteuerung
Bislang können Konzerne ihre Gewinne mit Hilfe von Verlustvorträgen bis auf null drücken. Doch nach den Plänen der rot-grünen Regierung dürfen Unternehmen Verlustvorträge künftig nur noch auf die Hälfte ihrer Gewinne anrechnen. Im Klartext: Unternehmen müssten mindestens 50 Prozent ihrer Gewinne versteuern. Hinzu kommt: Die bisherige Regelung, dass ein "nicht verbrauchter Verlustvortrag" auf den Erben übergehen kann, wird gestrichen. Damit nicht genug. SPD und Grüne wollen auch den Zeitraum für Verlustvorträge begrenzen: auf sieben Jahre. Bislang können Verluste zeitlich unbegrenzt vorgetragen werden. Ausnahmen und steuerliche Erleichterungen für den Mittelstand sind bereits im Gespräch. Im Finazministerium will man jedoch keine näheren Einzelheiten nennen.Das Streichkonzert geht noch weiter: Beispiel steuerliche Organschaften. Sie ermöglichen Verlustverrechnungen zwischen Gesellschaften - etwa bei der Gewerbesteuer. Das soll nun nicht mehr möglich sein. Die einzelnen Unternehmen sollen stattdessen die Gewerbesteuer in der Gemeinde zahlen, in der sie anfällt. Zudem dürfen Körperschaften Spenden nicht mehr steuerlich geltend machen. Das Motto "Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft" ist auch bald überholt - zumindest vor dem Fiskus: Gaben an Geschäftsfreunde sollen nicht mehr als Betriebsausgaben anerkannt werden.
Ökosteuer
Ausnahmen bei der Ökosteuer fallen dem Rotstift zum Opfer. Unternehmen des produzierenden Gewerbes und der Land- und Forstwirtschaft sollen stärker als bisher belastet werden. Der "Wettbewerbssituation besonders energieintensiver Unternehmen" soll "Rechnung getragen" werden. Übrigens: Die Ökosteuer muss nicht durch den Bundesrat. Die Regierung hat hier freie Hand.