Peter Kabel: Der gefallene Internet-Held
Von Gregory Lipinski
Er galt als der Star der Internetszene. Doch Peter Kabel kümmerte sich mehr um die eigenen Finanzen als um das Wohl seiner Agentur Kabel New Media. Jetzt ist sie pleite.
HAMBURG. Eigentlich hat Peter Kabel mit Aktien wenig am Hut. Denn in der Hamburger Zentrale der Internetagentur Kabel New Media AG kümmern sich bereits fünf seiner rund 1 000 Mitarbeiter um die Performance der Aktie am Neuen Markt. „Das muss reichen“, meinte er einmal. Es sei schließlich wichtiger, die Firma weiterzuentwickeln. „Wer sich nur an der Börse orientiert, kann keine Geschäfte machen“, spielte der Vorstandschef und Großaktionär der Web-Agentur immer wieder öffentlich seine Leidenschaft für das Frankfurter Parkett herunter.
Wie sich jetzt herausstellt, hat sich der „Entrepreneur des Jahres 2000“ (Manager Magazin) wohl doch weniger um das Wohl seiner Firma als vielmehr um sein eigenes gekümmert: Die Kabel New Media AG, die 1999 an die Börse ging, ist pleite. Das Unternehmen stellte gestern, wie bereits erwartet, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Aber Peter Kabel – stets braun gebrannt, mit Kurzhaarschnitt und Ring im Ohr – läuft offenbar mit prall gefüllten Taschen herum: Auf dem Höhepunkt der New-Economy-Welle am Neuen Markt im März 2000 soll der 38-Jährige mit sicherem Weitblick rund 700 000 Aktien aus seinem Bestand verkauft und satte 100 Millionen Mark Gewinn eingestrichen haben.
Wofür der gebürtige Schwabe das Geld verwendet hat, ist offen. Böse Zungen behaupten, dass er es gebunkert habe, um sich mit Hilfe von Freunden wieder die Aktienmehrheit und Alleinherrschaft im Unternehmen zu sichern. Danach habe der machtbesessene Werbeprofi von langer Hand geplant, das von ihm ins Leben gerufene Unternehmen schleichend in die Insolvenz zu treiben. So wolle er, heißt es, die durch eine wilde Akquisitionspolitik entstandene millionenschwere Schuldenlast abschütteln.
Tatsächlich scheint für ihn ein Neustart mental kein Problem zu sein. So offenbarte er erst vor kurzem Magazin-Journalisten auf die Frage, was er bei einer Pleite seiner Firma tun würde: „Die Wunden pflegen und von vorn anfangen.“ Ob ein Neubeginn aber wirklich möglich ist, scheint äußerst unwahrscheinlich. Sein Image als Visionär der deutschen Internet- und Werbeszene ist stark beschädigt.
Noch vor einem Jahr sah es ganz anders aus. Damals wurde er in einem Atemzug mit dem Gründer von Pixelpark, Paulus Neef, als Vordenker der aufblühenden E-Business-Szene in Deutschland genannt. Peter Kabel hatte eine Bilderbuchkarriere hingelegt: Nach dem Studium der visuellen Kommunikation gründet er bereits als 31-Jähriger die Multimedia-Firma. Sechs Jahre später führt er das Unternehmen an die Börse. Die Agentur, die Geschäftsprozesse von Großbetrieben vollständig digitalisiert, steigt schnell von der Bezirksliga in die Champions-League der Internetszene auf. Sie gewinnt einen Etat nach dem anderen – auch den des Autokonzerns BMW.
Mit dem rasanten Aufstieg der Internetagentur kommen die ersten Probleme. Dem „Multimedia-Papst“ fällt es immer schwerer, seine zahlreichen Firmenzukäufe in den Griff zu bekommen. Das Unternehmen rutscht tiefer und tiefer in die roten Zahlen. Am Ende muss der Werbeguru für das Geschäftsjahr 2000/2001 einen Fehlbetrag von 130 Millionen Mark offenbaren, obwohl er ein „ausgeglichenes Ergebnis“ versprochen hat.
Der Kurs des einstigen Shootingstars unter den Internetwerten sackt dramatisch ab: von 80 Euro auf gestern nur noch rund 0,54 Cent. Viele Fonds haben die Hoffnung aufgegeben, dass der Firmenchef mit einer Professur für visuelle Kommunikation an der Fachhochschule Hamburg die Wende schaffen wird. Dass der Vater eines Sohnes als Geschäftsmann versagt hat, werden ihm die Mitarbeiter kaum übel nehmen. Vielmehr dürfte die Belegschaft schmerzen, dass er mit seinen Börsengeschäften mehr verdient hat als sie in ihrer nächtelangen Schufterei vor den flimmernden Computer-Bildschirmen.
Dabei hat sich Peter Kabel doch einmal etwas geschworen: nicht „für Geld meine Überzeugungen, Weggefährten, Freunde und Familienmitglieder zu verraten“.