von Jochen Steffens
Nehmen wir an, Sie wären in Urlaub und hielten sich an einem vergessenen und abgelegenen Ort dieser Welt auf, ohne Zugang zu Nachrichten, schon gar nicht zu Börsennachrichten. Nun hören Sie durch Zufall, dass in London ein riesiger Terroranschlag vereitelt worden wäre – was würden Sie denken, wie die Märkte reagieren?
Natürlich würden Sie davon ausgehen, dass die Märkte einbrechen und der Ölpreis deutlich nach oben zieht (der Ölpreis neigt bei jeder „Krise“ einen Risikoaufschlag einzupreisen.)
Und nichts geschah
Um so seltsamer scheint es, dass trotz Terrorängste die amerikanischen Indizes sich gestern behaupten konnten und das obwohl Aktien von Airlines zunächst auch unter den Nachrichten aus London gelitten haben.
Das ist auffällig. Gehen wir logisch vor, um einmal alle Eventualitäten darzustellen (wir lassen den Dax dabei aufgrund der gestern schon genannten Sonderfaktoren außen vor).
Schlechte Nachrichten werden nicht verkauft
Ich hatte am Anfang der Woche bereits geschrieben, dass ich erste Anzeichen dafür erkenne, dass schlechte Nachrichten nicht mehr abverkauft werden und das dies ein Zeichen für einen Boden sei. Es könnte also sein, dass aus diesem Grund diese Terrornachrichten nicht zu stärker fallenden Kursen geführt hat.
Aber gleichzeitig ist auch der Ölpreis gefallen. Es kann also sein, dass der Markt auch einfach aufgrund des gefallenen Ölpreises gestiegen ist. Nur, warum sollte der Ölpreis nach solchen Nachrichten fallen? Das ist unlogisch.
Also müssen wir einen Blick auf den Chart werfen.
Interessanterweise ist der Ölpreis an einer Trendlinie (rote Linie) innerhalb des großen Trends (schwarze gestrichelten Linien) abgeprallt. Diese Trendlinie entsteht durch die letzten beiden Bewegungshochs. Setzt man dazu die Linie der letzten Bewegungstiefs des entsprechenden Zeitraumes in Zusammenhang, erkennt man eine sich verjüngende, aufwärtsgerichtete Formation. Solche sind in den meisten Fällen bearish.
Nun ist gerade auch im Ölpreis sehr viel spekulatives Kapital unterwegs. Es kann sein, dass hier die Charttechnik eine gewisse Rolle gespielt hat. Als dann Spekulanten merkten, dass der Ölpreis trotz dieser Nachricht nicht gefallen ist, haben Sie verkauft, was zu dem starken Einbruch gestern geführt hat.
Und noch einmal: „Wenn, dann...“
Charttechnisch gesehen, sind jetzt diese beiden roten Linien nach oben wie nach unten relevant. Bricht es nach oben aus, dann steht noch die schwarze, gestrichelte Linie im Weg, danach würde es dann sehr bullish werden.
Nach unten hin, würde der Bruch der kleinen blauen Linie einen ersten bescheidenen bearishen Hinweis geben, der Bruch der unteren roten Linien einen deutlichen, der den Ölpreis zumindest auf die schwarze Trendlinie schicken sollte.
Viele schlechte Nachrichten für Öl
Es bleibt trotz dieser charttechnischen Betrachtung auf jeden Fall interessant, dass diese Nachricht von dem vereitelten Terroranschlag den Ölpreis nicht weiter nach oben getrieben hat. Insbesondere da diese Nachricht kurz der Mitteilung folgte, dass die Alaska-Pipelinie eventuell mehrere Monate ausfällt.
Im Prinzip passen beide Reaktionen zusammen und bedingen sich auch noch gegenseitig:
Schlechte Nachrichten werden nicht mehr verkauft UND der Ölpreis scheint langsam ein Niveau erreicht zu haben, wo die Luft nach oben zu dünn wird.
Eine interessante Mischung
Stellen wir uns also vor, dass der Markt das begreift und es nun zu einem weiter fallenden Ölpreis bei steigenden Märkten kommen würde, dann hätte die Fed auf einmal sehr schnell kein „wirkliches“ Inflationsproblem mehr.
Denn, sinkt der Ölpreis, wird die ölpreisgetriebene Inflation in sich zusammenfallen. Schließlich braucht diese importierte Inflation „immer weiter steigende“ Ölpreise – allein schon ein konstanter Ölpreis würde die Inflation sehr günstig beeinflussen.
Da sich aber im Moment gleichzeitig auch noch das US-Wirtschaftswachstum abschwächt, wird auch von dieser Seite der Inflationsdruck deutlich nachlassen.
Beide Effekte zusammen könnten, noch rein theoretisch, im nächsten Jahr das Wörtchen Deflation wieder aufkommen lassen – zumindest wenn die Fed nicht reagiert.
Was ich eigentlich damit sagen will: Sollte der Ölpreis nicht weiter steigen, müssen wir eigentlich nicht mehr mit weiter steigenden US-Zinsen rechnen. Sollte er sogar fallen, dann kann es sein, dass wir zum Jahresende sogar bereits eine Zinssenkung in den USA sehen werden.
Zusammenfassung:
Schlechte Nachrichten werden nicht verkauft, der Ölpreis schafft es nicht mehr zu steigen und die Möglichkeit, dass die US-Zinsen nicht mehr weiter steigen, beziehungsweise sogar fallen – das wäre der Stoff aus dem die Bullenträume sind.
Sie kennen mich, ich neige dazu, Entwicklungen immer etwas früh, manchmal zu früh aufzuzeigen. Mir wären noch ein paar deutlichere Hinweise lieb, welche die oben genannte Thesen unterstützen. Ich werde noch abwarten, wie sich die Märkte in der nächsten Woche halten.
Heute kann es durchaus zu fallenden Kursen kommen. Wer will angesichts der noch akuten Terrorgefahr (wenn ich die Medien richtig verstanden habe) am Wochenende kurzfristig investiert sein? Andere werden sich absichern. Also, wenn die Kurse heute fallen, dann hat das wenig Aussagekraft. Sollten sie hingegen weiter steigen, wäre das ein starkes Signal.