Mit mehr als 50 Prozent Kursgewinn seit dem 12. März hat der Deutsche Aktienindex Dax den US-Index Dow Jones (plus 27 Prozent) klar übertrumpft. Für die deutliche Kurserholung machen die Experten der LRP vor allem drei treibende Kräfte verantwortlich: Den Rückgang der geopolitischen Unsicherheiten, den Einstieg der Schnäppchenjäger auf Grund der historisch niedrigen Bewertung von Aktien und die aufkeimende "Reformlust" in Deutschland.
Nach Ende des Irak-Kriegs und der Eindämmung der Lungenkrankheit SARS in Asien sei die "Angststarre" der Börsianer beseitigt. Einige Akteure haben bereits die im historischen und internationalen Vergleich deutlich niedrigen Bewertungen genutzt.
Treiber für den Aufschwung: Dax 3500 bis Jahresende
Auch nach der Kurserholung berge der Index noch Potenzial. Die Analysten sehen das aus fundamentaler Sicht "faire" Kursniveau des Dax bis Ende 2003 bei 3900 Punkten. Die im Ausland vielfach beklagte Reformunfähigkeit stelle jedoch einen "Deutschland-Malus" dar, so dass ein Abschlag auf 3500 Punkte bis Jahresende 2003 gerechtfertigt sei.
Hoffnungsvoll stimme jedoch, dass nach dem Vorziehen der Steuerreform und der Reformagenda 2010 ein Gefühl von "Reformlust" in Deutschland aufkomme, Zwar seien die realen Wachstumseffekte der geplanten Reformen eher begrenzt, doch die psychologischen Impulse und das steigende Interesse ausländischer Investoren seien bereits zu spüren.
Kurzfristige Konsolidierung - doch Dax bei 4100 Punkten bis Ende 2004
Nach der deutlichen Erholung seien die kurzfristigen Perspektiven des Dax unmittelbar an die Entwicklung der Konjunkturdaten gekoppelt. Anleger setzen auf den Aufschwung, doch bislang fehlten die konkreten Belege wirtschaftlicher Dynamik. Bis sich der konjunkturelle Nebel gelichtet habe, erscheine eine Fortsetzung der Dax-Rallye unwahrscheinlich, so die Analysten der LRP. Kurzfristig sei eher mit einer Seitwärtstendenz zu rechnen.
In den kommenden Wochen werde sich der Blick der Anleger immer stärker auf das Börsenjahr 2004 richten. Trotz der noch bestehenden Unsicherheitsfaktoren sei aus fundamentaler Sicht ein Dax-Ziel von 4100 Punkten bis Ende 2004 gerechtfertigt.
Gründe für den Aufschwung: USA schreitet voran
Die Prognose von 4100 Punkten im Dax bis Ende 2004 basiere auf folgenden Überlegungen: Die Zeichen der US-Wirtschaft stehen auf Erholung. Die Steuersenkungen der Bush-Administration im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2004, die aggressiven Zinssenkungen der Notenbank auf das niedrigste Leitzinsniveau sein 45 Jahren sowie die Politik des schwachen Dollar geben der US-Konjunktur Impulse.
Der von den Analysten erwartete Rückgang der Ölpreise werde die US-Wirtschaft zusätzlich stärken und die Stimmung der Verbraucher weiter verbessern. Nach einem Wachstum von 2,4 Prozent im zweiten Quartal seien sind die Chancen, dass die Erholung der Weltwirtschaft einmal mehr ihren Ausgangspunkt in den USA nehmen werde, deutlich gestiegen.
Zartes Wachstum in Deutschland und Europa
In Europa und besonders in Deutschland seien die rezessiven Tendenzen noch nicht überwunden, die Arbeitslosigkeit steige und die Investitionsverweigerung der Unternehmen halte an. Dennoch lassen die Stimmungsindikatoren für 2004 eine moderate Zunahme der wirtschaftlichen Dynamik im Fahrwasser der US-Konjunktur erahnen.
Niedrige Zinsen, eine konjunkturbedingte Entspannung der Währungssituation und positive Impulse durch einen Ölpreisrückgang sollten die Wachstumsambitionen unterstützen. Nach einem Nullwachstum im laufenden Jahr könnte die deutsche Volkswirtschaft 2004 wieder eine bescheidene Wachstumsrate von 1,5 Prozent erreichen, für Euroland rechnet die LRP mit zwei Prozent Wachstum.
Unternehmen sparen sich gesund - Dax noch immer attraktiv bewertet
Selbst bei einer nur bescheiden steigenden Nachfrage dürfte sich die Gewinnentwicklung der Unternehmen in den kommenden Monaten weiter verbessern, so die LRP. Die jüngsten Quartals- und Halbjahresberichte der deutschen Unternehmen hätten bereits erste Ergebnisse der teils drastischen Sparmaßnahmen und Restrukturierungsmaßnahmen gezeigt. Die Analysten prognostizieren ein Dax-Gewinnwachstum im kommenden Jahr von deutlichen 43 Prozent.
Der jüngste Kursaufschwung habe die fundamentale Unterbewertung des Dax zwar vermindert, aber nicht beseitigt. Der Abschlag vom fundamentalen fairen DAX-Wert sei von zeitweise 55 Prozent (März, Dax 2200) auf knapp 30 Prozent (Anfang August, Dax 3300 Punkte) gesunken. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 14,7 auf Basis der Gewinne für 2004 sei der Dax nicht mehr billig, aber sowohl im historischen wie auch im internationalen Vergleich attraktiv bewertet.
Weltwirtschaft - genug Antrieb für Take-Off?
Es sei weiterhin mühsam, die Folgen des Anlage- und Investitionsbooms der 90er Jahre abzubauen, so die Analysten der Landesbank Rheinland-Pfalz. Dennoch mühen sich die großen Volkswirtschaften parallel, Konjunktur und Nachfrage durch massive Stimulierung wieder in Gang zu bringen. Das globale Wirtschaftswachstum sollte 2003 wie bereits im Vorjahr um knapp 3 Prozent expandieren und bereits 2004 mit gut 4 Prozent wieder dynamischer wachsen, schätzen die Analysten der LRP.
Das Ausmaß des Abschwungs nach dem Boom der 90er Jahre habe in vielen Ländern zu energischen Maßnahmen geführt. Dazu gehören die Senkung der amerikanischen Leitzinsen in 13 Schritten von 6,5 auf 1,0 Prozent, die Stimulierung der US-Nachfrage durch ein Steuerentlastungspaket in Höhe von 350 Milliarden US-Dollar, dem größten Programm dieser Art in der US-Geschichte.
Weiterhin vergibt die chinesische Regierung großzügige Kreditprogramme und erhöht die Staatsausgaben, um einen Wirtschaftsabschwung im Gefolge von SARS zu verhindern.
In Europa werden einschneidende Reformen der Sozialversicherungen angekündigt. Außerdem gebe es eine Diskussion um eine flexiblere Handhabung der Defizitgrenzen des Euro-Stabilitätspaktes, um die Konjunktur zu stärken. Deutschland werde außerdem die dritte Stufe der Steuerreform von 2005 auf 2004 vorziehen.
USA: Nur durch Aufschwung aus der Schuldenfalle
Die Nachfrageeffekte aus Steuersenkungen, günstigem Refinanzierungsumfeld und Investitionsanreizen für die Unternehmen sollten die Expansion in den USA in 2004 auf rund 3,5 Prozent beschleunigen. Die USA ist auf eine Erholung der eigenen und globalen Wirtschaft angewiesen: Auf Grund der hohen Importneigung der US-Wirtschaft (der Wert der Importe ist praktisch doppelt so hoch wie derjenige der Exporte) bestünden nur geringe Hoffnungen auf eine rasche Reduzierung des Handelsbilanzdefizits, so die LRP.
Das Leistungsbilanzdefizit könnte sich damit sogar deutlicher über fünf Prozent ausweiten. Gleichzeitig bewirken die Steuersenkungsmaßnahmen und hohe Sicherheitsausgaben (allein für Irak und Afghanistan rund fünf Milliarden US-Dollar pro Monat) im Staatsbudget rapide wachsende Fehlbeträge, die sich nach Regierungsangaben im laufenden Jahr bereits auf 4,6 Prozent des BIP (455 Milliarden Dollar) und 2004 auf 475 Milliarden Dollar summieren dürften.
China: Starkes Wachstum erwartet - Aufwertung des Yuan wahrscheinlich
Nach dem Abklingen von SARS rechnen die Analysten in China mit einer wirtschaftlichen Expansion von acht Prozent für das Gesamtjahr. Auch für 2004 sei eine ähnlich gute Performance zu erwarten. Wegen der hohen Produktivitätsfortschritte schätzen die Analysten das Potenzialwachstum sogar auf bis zu zehn Prozent, jedoch seien Überhitzungserscheinungen nicht auszuschließen.
Auch ausländische Direktinvestitionen stiegen mit Blick auf den kostengünstigen und hochproduktiven Standort weiter (für das Gesamtjahr wird ein Wert von mehr als 50 Milliarden US-Dollar erwartet). Diese Entwicklung werde von einer aggressiven Kreditvergabe der vorwiegend staatlichen Banken begleitet.
Inzwischen gelte es angesichts des internationalen Drucks als zunehmend wahrscheinlich, dass China in absehbarer Zeit eine Aufwertung des seit 1994 an den Dollar gekoppelten Yuan, zulassen wird. Der Beitritt zur WTO und weitere Freihandelsabkommen hat bislang große Exportchancen eröffnet.
Die chinesische Regierung scheut bislang eine Aufwertung des Yuan, da diese zwar den Import von Rohstoffen und von ausländischer Technologie erleichtern und die Auslandsschulden verringern würde, aber auch die Exporte verteuern und eine zusätzliche Belastung der Bankbilanzen auslösen könnte. Die Ausfallrisiken des chinesischen Bankensektors könnten somit in den nächsten Monaten in den Mittelpunkt treten.
Europa tappt hinterher - Aufschwung mit Verzögerung
Die europäische Konjunkturschwäche kontrastiere auffällig mit der wirtschaftlichen Dynamik Asiens, so das Urteil der LRP. Der starke Euro mindere die Exportchancen, und die Geld- und Fiskalpolitik sei nicht so stark auf Wachstum ausgerichtet wie in Fernost. Vor allem in Deutschland dürften die verspätet angegangenen Strukturreformen das Wachstum behindern und dafür sorgen, dass Europa erst mit Verzögerung zu konjunkturellem Schwung finden wird.
Die hohe Arbeitslosenzahl dämpfe den Konsum, und auch die Investitionen der Unternehmen sind noch enttäuschend. Der im August zum dritten Mal aufwärtsgerichtete Ifo-Index und die kontinuierliche Erholung des ZEW-Indikators nähren dagegen Hoffnungen, dass gerade die hartnäckige Minderperformance der deutschen Konjunktur auslaufen könnte.
Unter dem Strich sei in diesem Jahr in Europa von einem moderaten Wachstum in der Größenordnung von 0,5 Prozent auszugehen, dass im Jahr 2004 auf zwei Prozent anziehen dürfte. Erst 2004 sei aus Deutschland mit 1,5 Prozent Wachstum wieder ein nennenswerter Beitrag zu erwarten.
Impulse durch EU-Osterweiterung
Vor Veränderungen stehe auch die Europäische Union, die sich auf die größte Erweiterung ihrer Geschichte vorbereitet. Im Mai 2004 werden von den 13 Bewerberstaaten 10 Kandidaten (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Zypern, Polen, Ungarn, Tschechien, Slowenien, Slowakei) Vollmitglieder der Europäischen Union. Der EU-Absatzmarkt vergrößert sich damit um 75 Millionen Menschen.
Die Erwartung, dass in den nächsten drei Jahren die Expansion in den Beitrittsländern rund dreimal so hoch ausfällt wie in der EU ist nach Einschätzung der LRP realistisch. Der Wegfall der Handelsschranken dürfte den Güteraustausch nochmals intensivieren und zu einer Zunahme der Direktinvestitionen in die neuen Mitgliedstaaten führen. Die vorhandenen Wirtschaftspotenziale dürften allerdings erst mittelfristig ausgeschöpft werden.
Zwischenfazit: Chancen für positive Konjunktur-Überraschungen gegeben
Anzeichen für eine kräftigere weltweite Konjunkturerholung sind erst vereinzelt zu sehen. Das stärkere Wachstum erwartet die LRP in den USA (expansiven Steuer- und Stimulierungspolitik sowie anhaltend niedrige Zinsen). In Euroland sei die konjunkturelle Wende weitgehend ins Jahr 2004 zu vertagen.
Aus der größten europäischen Volkswirtschaft Deutschland kommen mit den anstehenden Strukturreformen und Steuerentlastungen erstmals seit längerer Zeit wieder belebende Impulse für den Euroraum. Trotz fortbestehender Risiken (Zins- und Währungskapriolen, Konflikt USA / Nordkorea, Spannungen durch Wachstumsunterschiede innerhalb Eurolands) seien nach Einschätzung der LRP die Aussichten für positive Überraschungen im makroökonomischen Umfeld der Unternehmen so gut wie in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr.
Warum die LRP für den Dax optimistisch bleibt
Der Dax hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Der Index erlitt im Jahr 2002 mit einem Minus von 43,9 Prozent den höchsten Wertverlust seiner Geschichte und schloss erstmals drei Jahre in Folge mit einem Minus ab. Am 12. März 2003 fiel der Deutsche Aktienindex bei 2188 Punkten auf ein Achtjahrestief und erlitt gegenüber dem Rekordhoch vom März 2000 (8.136 Punkte) eine Einbuße von 73 Prozent.
Mitte März setzte dann eine beeindruckende Kursrallye ein, die den Dax im bisherigen Jahresverlauf zu den internationalen Spitzenperformern hinaufkatapultierte. Dazu beigetragen haben der Sieg der USA über den Irak, die Zinssenkungen der Fed und der EZB sowie die massive Geldmengenausweitung.
Hoher Bewertungsspielraum
Katalysator für den fulminanten Aufschwung im Dax waren einerseits das hohe Gewicht von Finanz- und Technologieaktien und andererseits erste Ansätze zur Überwindung der verkrusteten deutschen Strukturen (Agenda 2010, Gesundheitsreform, geplantes Vorziehen der Steuerreform).
Der Abschlag von der bewertungstechnisch als "fair" eingestuften Dax-Kapitalisierung hat sich inwischen von 55 Prozent auf rund 30 Prozent verringert. Der noch immer markante Abstand zum maximal zu rechtfertigenden Niveau signalisiere aber, dass der längerfristig orientierte Dax-Investor immer noch Bewertungsspielraum habe, so die Experten der LRP.
Hoffnung auf konjunkturelle Impulse
Zwar sei erst ab 2004 mit verstärkt spürbaren konjunkturellen Impulsen auf die Ergebnisse zu rechnen. Dennoch lautet das Dax-Jahresziel 3500 Punkte, für Ende 2004 sogar 4100 Punkte.
Die noch immer hohe Liquidität, mögliche Umschichtungen aus dem Renten- und Geldmarkt, die Reformbemühungen in Deutschland und die zunehmende Entflechtung der deutschen Konzerne seien als positive Impulse zu sehen: Insgesamt ergeben sich aus den genannten Trends vor allem mittelfristig Vorteile für den Finanzplatz Deutschland. Eine positive Reaktion des Deutschen Aktienmarktes sei aus Sicht der LRP durchaus wahrscheinlich.
http://www.manager-magazin.de/geld/rente/0,2828,260325,00.html