Das Orakel rechnet ab

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tom68:

Das Orakel rechnet ab

 
02.03.09 14:53
INVESTMENTLEGENDE WARREN BUFFETT
Das Orakel rechnet ab

Von Marc Pitzke, New York

Die Finanzkrise hat Warren Buffett kalt erwischt: Die Holding des reichsten Mannes der Welt verbuchte das schlechteste Jahr ihrer Historie. Er bilanziert das mit viel Humor, Zweckoptimismus und Selbsteinsicht: Jeden treffe Schuld, auch den einfachen Amerikaner - und natürlich ihn selbst.

New York - Als er noch jung war, sah Warren Buffett, 77, in den Restaurants seiner Heimat Nebraska oft Hinweisschilder an die Kunden: "Wir vertrauen Gott; alle anderen zahlen bar." Ein altes Credo, das - wie der legendäre Investor anmerkt - in der heutigen Kreditkrise plötzlich eine neue Bedeutung gewonnen hat: "Es ist zur Losung des Landes geworden."

Investment-Guru Buffett: "Hungrige Mücke im Nudistenlager"
Diese leicht amüsierte Feststellung findet sich am Anfang des alljährlichen Aktionärsbriefs, den Milliardär Buffett am Wochenende an die mehr als 18.000 Anteilseigner seines Holdingkonzerns Berkshire Hathaway schickte, inklusive Microsoft-Gründer Bill Gates. Der traditionelle "Shareholder Letter" des laut "Forbes" reichsten Mannes der Welt gilt als "Muss-Lektüre" ("Wall Street Journal"), nicht nur für seine Jünger. Der Bericht liest sich kurios, kontrovers, köstlich - und ist stets mit folkloristischen Weisheiten gespickt.

Vor allem natürlich in diesem Katastrophenjahr war die Erwartung deshalb hoch: Was hat das "Orakel von Omaha" über die Rezession zu sagen? Über den Kollaps der Wall Street und die US-Milliardenpakete für die Wirtschaft? Welche Tipps gibt er den Betroffenen? Und wie durchschifft er selbst, der bisher immer alles unbeschadet überstanden hat, diese Unwetter?

Der Börsenpapst enttäuscht seine Gemeinde auch dieses Mal nicht: Der Brief - den Buffett im Manuskript stets an seine Schwestern adressiert ("Liebe Doris und Bertie") und erst in der Endfassung "An die Aktionäre von Berkshire Hathaway" - wimmelt von skurrilen Details, amüsanten Einblicken und harscher Realität. Die schlechte Nachricht vorweg - sprich, die Schlagzeile, die die Medien daraus gewinnen dürften: Trotz seines siebten Investmentsinns blickt sogar der Börsenguru Nummer eins auf das miserabelste Jahr seiner Karriere zurück.

Trübe Zahlen in der Buffett-Bilanz

Berkshire schaffte es nur knapp in die schwarzen Zahlen. Im vierten Quartal brach das Nettoergebnis um satte 96 Prozent auf 117 Millionen Dollar ein (Vergleichsquartal 2008: 2,9 Milliarden Dollar plus). Die Einnahmen schrumpften um zwölf Prozent auf 24,6 Milliarden Dollar.

Das letzte Quartal vermasselte Berkshire denn auch die komplette Jahresbilanz: Der Gewinn stürzte um 62 Prozent auf knapp fünf Milliarden Dollar, das schlechteste Ergebnis seit 2002. Die Aktie von Berkshire verlor im abgelaufenen Jahr 32 Prozent an Wert, das Shareholder-Kapital der Holding sank von 121 auf 109 Milliarden Dollar.

Trübe Zahlen für Buffett, schließlich hatte er seinen Aktionären dank der Berkshire-Beteiligung an zuletzt 78 Firmen - etwa Versicherungen (Geico), Textil (Fruit of the Loom), Bauhandel (Acme) und Einzelhandel (Jordan's) - über die vergangenen vier Jahrzehnte hinweg Durchschnittsrenditen von rund 20 Prozent geliefert. Wenn also einer weiß, wo sich auch jetzt noch Gewinne verstecken, dann doch wohl Warren Buffett.

Buffett wäre aber nicht Buffett, wenn er selbst dem aktuellen Horror nicht eine gute Portion Humor und Optimismus abzwingen würde - und Lehren für die Zukunft, sogar für einen alten Hasen wie ihn. So schrieb er über die Chancen im US-Versicherungssektor - der einzigen Branche, an der er derzeit wirklich Freude zu haben scheint - und namentlich über seinen Tochterkonzern Geico und dessen Chef Tony Nicely: "Tony und ich fühlen uns wie zwei hungrige Mücken im Nudistenlager."

"Serie lebensbedrohlicher Probleme"

Doch nackt oder nicht: Selbst Berufsoptimist Buffett kann nicht mehr umhin, den Ernst der Lage anzuerkennen. "Wir sind sicher", schreibt er, "dass die Wirtschaft 2009 ein Trümmerhaufen sein wird." Kunstpause. "Und, ehrlich gesagt, wahrscheinlich auch weit darüber hinaus."

Buffett erklärt den kollektiven Kollaps mit einer "Serie lebensbedrohlicher Probleme innerhalb der größten Finanzinstitutionen der Welt", die die Kreditmärkte "funktionsunfähig" gemacht hätten. Zugleich prophezeite er die nächste Phase der Krise, die nun vor allem die US-Kommunen treffen werde.

Denen drohten "weit härtere finanzwirtschaftliche Probleme als bisher", unter anderem wegen "enormer" Rentenverbindlichkeiten. "Viele Städte und Staaten werden sicher entsetzt sein, wenn sie Ende 2008 ihren Finanzierungsstand prüfen."


2. Teil: Attacke auf George W. Bush
www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,610671-2,00.html

© SPIEGEL ONLINE 2009
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.  Konrad Adenauer
tom68:

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02.03.09 14:57
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