Blond und dick
Wie Fachleute in Großbritannien versuchen, Deutschland ein neues Marken-Image zu verpassen.
von Imke Henkel
(SZ vom 07.07.2003) — Der Raum ist dämmerig, fette bunte Buchstaben leuchten auf der Projektionsleinwand. „Stellen Sie sich vor, Deutschland sei eine Marke“, rufen die beiden Experten der Londoner Trendagentur „The Future Laboratory“ im Goethe-Institut der britischen Hauptstadt, „welche Adjektive würden Sie mit der Marke Deutschland verknüpfen?“
Und lassen gleich darauf das Urteil internationaler Trendsetter auf der Leinwand aufleuchten: „Zuverlässig“, steht da, und weiter: „Effizient, technologisch, dauerhaft, wissenschaftlich, genau, umweltfreundlich, modern, sauber, fair.“
Umfassender und moderner
Dann die nächste Frage: Welche Eigenschaften hätte Deutschland, wäre das Land ein Star? „Wahrhaftig“, leuchtet diesmal in grellem Orange auf, „ehrlich, zufrieden, gewöhnlich, verbindlich, wohlhabend, langweilig, blond, dick.“ Sehen so die Stars aus, die durch die Gazetten geistern? Taugt Deutschland als Marke?
Deutschland soll verkauft werden. Aber so recht kann sich niemand für unser Land begeistern. Was tun? Antworten auf diese Frage sucht die „Creative Capital Foundation“ in London.
Deutsche, in England lebende Künstler, Unternehmer, Journalisten und Diplomaten haben sich unter der Schirmherrschaft von Botschafter Thomas Matussek zusammengetan, um „in Großbritannien ein umfassenderes und zeitgenössisches Bild von Deutschland“ zu vermitteln.
Der erste Schritt zum Ziel war Ende vergangener Woche die flott betitelte „Britisch-deutsche Medien-Sause“, ein Treffen von Journalisten und Werbefachleuten, das Aufschluss darüber geben sollte, ob sich Deutschland als Marke propagieren lässt.
Das Thema hat Konjunktur. „Marke Deutschland. Kongress der Generationen“ hieß nur wenige Tage vor der Londoner eine Berliner Veranstaltung, in der es etwas konkreter als in der englischen Hauptstadt nicht nur um das allgemeine Image Deutschlands, sondern vor allem um den Wirtschaftsstandort ging.
Beispiel Neuseeland
Als Gastredner trat Hilmar Kopper auf, der in den vergangenen fünf Jahren als Beauftragter für Auslandsinvestitionen agierte. Die Frage sei, so Kopper in Berlin, „was wir tun müssen, um aus Deutschland eine Marke zu machen und wie diese Marke zukünftig beworben werden kann.“ Dabei hat der frühere Deutsche-Bank-Chef auch ohne Marken-Marketing Erfolge zu melden: Zwischen 1998 und 2002 stieg die Summe der Direktinvestitionen von 18 Milliarden Euro auf 42 Milliarden Euro.
Es gibt Beispiele, die zeigen, dass erst ein neues Marken-Marketing die Wirtschaft eines Landes wieder florieren ließ. Neuseeland etwa engagierte vor zwölf Jahren die Londoner Markenagentur Corporate Edge, um einerseits die darniederliegenden Exporte von Äpfeln, Birnen und Lammfleisch in die EU anzukurbeln, von denen der Wohlstand des Landes wesentlich abhängt, und andererseits als Urlaubsziel das Image der langweiligen Insel hinter Australien abzustreifen.
„Wesentlich für den Erfolg eines Marken-Marketings ist eine klare Strategie, die sich auf ein eindeutig definiertes Ziel richtet“, sagt Corporate Edge-Chefin Creenagh Lodge.
In ihrer Neuseeland-Kampagne stellte sie die Qualität der Landesprodukte heraus, ein eigenes Gütesiegel wurde entwickelt. Seitdem stiegen die Exporte deutlich. Das Image des Qualitätsstandorts lockte auch Investoren und Touristen.
In der modischen Begeisterung für Deutschland als Marke jedoch mischt sich zu vieles, was mit einer Marketingstrategie nichts zu tun hat. In London will man endlich das Klischee vom humorlosen Nazi-Deutschen abschütteln. Ein „Markenmanifest“ der Initiative „DEbatte“ setzte mit Aussagen wie „Die neue Marke Deutschland strahlt Lebensfreude und Energie aus“ die Ruck-Debatte fort, die der frühere Bundespräsident Roman Herzog angestoßen hatte. Zur Warnung sollte der Versuch Englands dienen, sich als „Cool Britannia“ neu zu erfinden.
Das frische Image, das mit Britart und Britpop die konservative Idylle vom Cricket vor der Dorfkirche und warmem Bier an Frühlingsabenden austreiben sollte, wurde nach wenigen Jahren seinerseits beerdigt. In England ist „Cool Britannia“ heute nur noch ein Spottwort.
Wie Fachleute in Großbritannien versuchen, Deutschland ein neues Marken-Image zu verpassen.
von Imke Henkel
(SZ vom 07.07.2003) — Der Raum ist dämmerig, fette bunte Buchstaben leuchten auf der Projektionsleinwand. „Stellen Sie sich vor, Deutschland sei eine Marke“, rufen die beiden Experten der Londoner Trendagentur „The Future Laboratory“ im Goethe-Institut der britischen Hauptstadt, „welche Adjektive würden Sie mit der Marke Deutschland verknüpfen?“
Und lassen gleich darauf das Urteil internationaler Trendsetter auf der Leinwand aufleuchten: „Zuverlässig“, steht da, und weiter: „Effizient, technologisch, dauerhaft, wissenschaftlich, genau, umweltfreundlich, modern, sauber, fair.“
Umfassender und moderner
Dann die nächste Frage: Welche Eigenschaften hätte Deutschland, wäre das Land ein Star? „Wahrhaftig“, leuchtet diesmal in grellem Orange auf, „ehrlich, zufrieden, gewöhnlich, verbindlich, wohlhabend, langweilig, blond, dick.“ Sehen so die Stars aus, die durch die Gazetten geistern? Taugt Deutschland als Marke?
Deutschland soll verkauft werden. Aber so recht kann sich niemand für unser Land begeistern. Was tun? Antworten auf diese Frage sucht die „Creative Capital Foundation“ in London.
Deutsche, in England lebende Künstler, Unternehmer, Journalisten und Diplomaten haben sich unter der Schirmherrschaft von Botschafter Thomas Matussek zusammengetan, um „in Großbritannien ein umfassenderes und zeitgenössisches Bild von Deutschland“ zu vermitteln.
Der erste Schritt zum Ziel war Ende vergangener Woche die flott betitelte „Britisch-deutsche Medien-Sause“, ein Treffen von Journalisten und Werbefachleuten, das Aufschluss darüber geben sollte, ob sich Deutschland als Marke propagieren lässt.
Das Thema hat Konjunktur. „Marke Deutschland. Kongress der Generationen“ hieß nur wenige Tage vor der Londoner eine Berliner Veranstaltung, in der es etwas konkreter als in der englischen Hauptstadt nicht nur um das allgemeine Image Deutschlands, sondern vor allem um den Wirtschaftsstandort ging.
Beispiel Neuseeland
Als Gastredner trat Hilmar Kopper auf, der in den vergangenen fünf Jahren als Beauftragter für Auslandsinvestitionen agierte. Die Frage sei, so Kopper in Berlin, „was wir tun müssen, um aus Deutschland eine Marke zu machen und wie diese Marke zukünftig beworben werden kann.“ Dabei hat der frühere Deutsche-Bank-Chef auch ohne Marken-Marketing Erfolge zu melden: Zwischen 1998 und 2002 stieg die Summe der Direktinvestitionen von 18 Milliarden Euro auf 42 Milliarden Euro.
Es gibt Beispiele, die zeigen, dass erst ein neues Marken-Marketing die Wirtschaft eines Landes wieder florieren ließ. Neuseeland etwa engagierte vor zwölf Jahren die Londoner Markenagentur Corporate Edge, um einerseits die darniederliegenden Exporte von Äpfeln, Birnen und Lammfleisch in die EU anzukurbeln, von denen der Wohlstand des Landes wesentlich abhängt, und andererseits als Urlaubsziel das Image der langweiligen Insel hinter Australien abzustreifen.
„Wesentlich für den Erfolg eines Marken-Marketings ist eine klare Strategie, die sich auf ein eindeutig definiertes Ziel richtet“, sagt Corporate Edge-Chefin Creenagh Lodge.
In ihrer Neuseeland-Kampagne stellte sie die Qualität der Landesprodukte heraus, ein eigenes Gütesiegel wurde entwickelt. Seitdem stiegen die Exporte deutlich. Das Image des Qualitätsstandorts lockte auch Investoren und Touristen.
In der modischen Begeisterung für Deutschland als Marke jedoch mischt sich zu vieles, was mit einer Marketingstrategie nichts zu tun hat. In London will man endlich das Klischee vom humorlosen Nazi-Deutschen abschütteln. Ein „Markenmanifest“ der Initiative „DEbatte“ setzte mit Aussagen wie „Die neue Marke Deutschland strahlt Lebensfreude und Energie aus“ die Ruck-Debatte fort, die der frühere Bundespräsident Roman Herzog angestoßen hatte. Zur Warnung sollte der Versuch Englands dienen, sich als „Cool Britannia“ neu zu erfinden.
Das frische Image, das mit Britart und Britpop die konservative Idylle vom Cricket vor der Dorfkirche und warmem Bier an Frühlingsabenden austreiben sollte, wurde nach wenigen Jahren seinerseits beerdigt. In England ist „Cool Britannia“ heute nur noch ein Spottwort.