Das Image der Marke Deutschland

Beiträge: 2
Zugriffe: 214 / Heute: 1
Nassie:

Das Image der Marke Deutschland

 
07.07.03 11:32
Blond und dick

Wie Fachleute in Großbritannien versuchen, Deutschland ein neues Marken-Image zu verpassen.

von Imke Henkel

 
 
(SZ vom 07.07.2003) — Der Raum ist dämmerig, fette bunte Buchstaben leuchten auf der Projektionsleinwand. „Stellen Sie sich vor, Deutschland sei eine Marke“, rufen die beiden Experten der Londoner Trendagentur „The Future Laboratory“ im Goethe-Institut der britischen Hauptstadt, „welche Adjektive würden Sie mit der Marke Deutschland verknüpfen?“

Und lassen gleich darauf das Urteil internationaler Trendsetter auf der Leinwand aufleuchten: „Zuverlässig“, steht da, und weiter: „Effizient, technologisch, dauerhaft, wissenschaftlich, genau, umweltfreundlich, modern, sauber, fair.“



Umfassender und moderner

Dann die nächste Frage: Welche Eigenschaften hätte Deutschland, wäre das Land ein Star? „Wahrhaftig“, leuchtet diesmal in grellem Orange auf, „ehrlich, zufrieden, gewöhnlich, verbindlich, wohlhabend, langweilig, blond, dick.“ Sehen so die Stars aus, die durch die Gazetten geistern? Taugt Deutschland als Marke?

Deutschland soll verkauft werden. Aber so recht kann sich niemand für unser Land begeistern. Was tun? Antworten auf diese Frage sucht die „Creative Capital Foundation“ in London.

Deutsche, in England lebende Künstler, Unternehmer, Journalisten und Diplomaten haben sich unter der Schirmherrschaft von Botschafter Thomas Matussek zusammengetan, um „in Großbritannien ein umfassenderes und zeitgenössisches Bild von Deutschland“ zu vermitteln.

Der erste Schritt zum Ziel war Ende vergangener Woche die flott betitelte „Britisch-deutsche Medien-Sause“, ein Treffen von Journalisten und Werbefachleuten, das Aufschluss darüber geben sollte, ob sich Deutschland als Marke propagieren lässt.

Das Thema hat Konjunktur. „Marke Deutschland. Kongress der Generationen“ hieß nur wenige Tage vor der Londoner eine Berliner Veranstaltung, in der es etwas konkreter als in der englischen Hauptstadt nicht nur um das allgemeine Image Deutschlands, sondern vor allem um den Wirtschaftsstandort ging.



Beispiel Neuseeland

Als Gastredner trat Hilmar Kopper auf, der in den vergangenen fünf Jahren als Beauftragter für Auslandsinvestitionen agierte. Die Frage sei, so Kopper in Berlin, „was wir tun müssen, um aus Deutschland eine Marke zu machen und wie diese Marke zukünftig beworben werden kann.“ Dabei hat der frühere Deutsche-Bank-Chef auch ohne Marken-Marketing Erfolge zu melden: Zwischen 1998 und 2002 stieg die Summe der Direktinvestitionen von 18 Milliarden Euro auf 42 Milliarden Euro.

Es gibt Beispiele, die zeigen, dass erst ein neues Marken-Marketing die Wirtschaft eines Landes wieder florieren ließ. Neuseeland etwa engagierte vor zwölf Jahren die Londoner Markenagentur Corporate Edge, um einerseits die darniederliegenden Exporte von Äpfeln, Birnen und Lammfleisch in die EU anzukurbeln, von denen der Wohlstand des Landes wesentlich abhängt, und andererseits als Urlaubsziel das Image der langweiligen Insel hinter Australien abzustreifen.

„Wesentlich für den Erfolg eines Marken-Marketings ist eine klare Strategie, die sich auf ein eindeutig definiertes Ziel richtet“, sagt Corporate Edge-Chefin Creenagh Lodge.

In ihrer Neuseeland-Kampagne stellte sie die Qualität der Landesprodukte heraus, ein eigenes Gütesiegel wurde entwickelt. Seitdem stiegen die Exporte deutlich. Das Image des Qualitätsstandorts lockte auch Investoren und Touristen.

In der modischen Begeisterung für Deutschland als Marke jedoch mischt sich zu vieles, was mit einer Marketingstrategie nichts zu tun hat. In London will man endlich das Klischee vom humorlosen Nazi-Deutschen abschütteln. Ein „Markenmanifest“ der Initiative „DEbatte“ setzte mit Aussagen wie „Die neue Marke Deutschland strahlt Lebensfreude und Energie aus“ die Ruck-Debatte fort, die der frühere Bundespräsident Roman Herzog angestoßen hatte. Zur Warnung sollte der Versuch Englands dienen, sich als „Cool Britannia“ neu zu erfinden.

Das frische Image, das mit Britart und Britpop die konservative Idylle vom Cricket vor der Dorfkirche und warmem Bier an Frühlingsabenden austreiben sollte, wurde nach wenigen Jahren seinerseits beerdigt. In England ist „Cool Britannia“ heute nur noch ein Spottwort.



Nassie:

Merrill überdenkt Deutschlandbild

 
07.07.03 12:04

US-Analyst beurteilt Reformen positiv - Bei Erfolg ein "klarer Kauf"
von Holger Zschäpitz

Berlin  -  "An den Finanzmärkten herrscht ein Grundkonsens darüber, Deutschland nicht zu mögen. Doch was ist, wenn die Mehrheit irrt?" So unromantisch hört es sich an, wenn Finanzmarktexperten eine Liebeserklärung abgeben. In diesem Falle handelt es sich um die US-Investmentbank Merrill Lynch, die plötzliche eine gewisse Leidenschaft für Deutschland entdeckt hat.


Auslöser ist die aktuelle Reformdebatte hier zu Lande, die die Merrill-Strategen zum Anlass für einen umfassenden Investmentcheck des deutschen Marktes nahmen - auch um Parallelen mit dem kränkelnden Japan aufzuzeigen. Das Ergebnis klingt viel versprechend. Nicht etwa, dass Stratege Michael Hartnett einen Boom erspäht hätte. Seine Zuversicht speist sich vielmehr aus dem Aufholpotenzial für die größte Ökonomie Europas. Man müsse Deutschland dann lieben, wenn der Grad der ökonomischen Verzweiflung hoch sei. "Dann sind die Chancen für ein schmerzhaftes Umsteuern am größten", schreibt Hartnett.


Gemessen an den volkswirtschaftlichen Zahlen, die der Merrill-Stratege mitliefert, befindet sich Deutschland tatsächlich in einer ausweglosen Situation. Nicht nur beim Wirtschaftswachstum seit 1993 erinnert Deutschland an das Wirtschaftsdebakel in Japan. Auch der Einbruch bei der Kreditvergabe der hiesigen Banken gleicht jener Nippons von vor zehn Jahren. Und auch die auf Fünfjahreshoch liegende Arbeitslosigkeit in Deutschland spart Hartnett nicht aus. Diese Situation zwinge jedoch Politiker und Wirtschaftslenker regelrecht zu Umstrukturierungen. Beispiel Kreditverknappung: Die Folge ist nicht nur die Insolvenzrate auf Rekordhöhe. Viele ineffiziente Unternehmen müssen sich einer strikten Rosskur unterziehen, weil sie kein Geld mehr von den Banken bekommen. Positiv hebt Hartnett hervor, dass die deutschen Institute den Geldhahn schneller als die japanischen Konkurrenten zugedreht und damit das Restrukturierungstempo beschleunigt haben. Auch die hohe Arbeitslosenrate sieht Hartnett als Reformmotor. Sowohl Änderungen beim Kündigungsschutz sowie Kürzungen bei den Lohnnebenkosten würden diskutiert. Darüber hinaus schwinde die Macht der Gewerkschaften.


Zwar will Hartnett weitere Fortschritte abwarten, bevor er zur großen Dax-Jagd bläst. Doch die Chancen stünden nicht schlecht, dass die Probleme schneller als in Japan angepackt würden: Deutschland sei von neun Staaten umgeben, Japan von keinem. "Gerade die 100 Millionen gut ausgebildeten billigen Arbeitskräfte Osteuropas, die direkt vor den Toren Deutschlands stehen, sind ein starker Anreiz für Reformen. Sollten die Veränderungen Realität werden, ist der Markt ein klarer Kauf."


Die Merrill-Studie ist bemerkenswert. Denn bisher zählte die drittgrößte US-Investmentbank zu den größten Deutschland-Skeptikern. Nun dürften nicht nur ausländische Investoren wieder stärker auf den Dax schauen. Auch die restlichen angelsächsischen Häuser, die überwiegend zum Untergewichten deutscher Titel raten, könnten nachziehen, zumal sich etwa beim Gewinnmomentum die Dax-Firmen innerhalb Europas vom letzten auf den ersten Rang vorgekämpft haben.


Dennoch glaubt noch niemand ernsthaft an den blühenden Aufschwung gleich in dieser Woche. "Der Dax dürfte sich weiter seitwärts zwischen 3200 und 3300 Punkten bewegen", sagt Nils Becker, Händler bei der WestLB. Nach dem Ende des Halbjahres würden einige Fondsgesellschaften ihre Strategie für die kommenden sechs Monate überdenken und gegebenenfalls Kapital aus Bonds in Aktien umschichten. "Für eine weitere Dax-Rallye bedarf es jedoch positiver Konjunktur- und Gewinndaten", sagt Becker.


Allzu viele Zahlen zum Abklopfen auf Trendwendesignale werden Anlegern in dieser Woche jedoch nicht geboten. Von der Konjunkturfront gibt es lediglich die Daten zur deutschen Industrieproduktion und die Arbeitsmarktdaten für Juni. Auch bei Unternehmen ist Flaute angesagt. Im Dax legt lediglich Lufthansa Verkehrszahlen vor. Auch von der Sitzung der Europäischen Zentralbank erhofft sich kaum ein Börsianer große Impulse. Der Konsens erwartet keine Zinssenkung. Was ist aber, wenn sich die Mehrheit irrt?


Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--