Spezial Automobil-Aktien: Ende der Ära Schrempp
Die Deutschen bauen die besten Autos, die Franzosen die komfortabelsten. Japaner sind preiswert in der Anschaffung, aber teuer bei Ersatzteilen und Italiener sehen gut aus, aber sind technisch minderwertig. So einfach war die Autowelt lange Zeit. Ist sie aber nicht mehr. Es ist viel Bewegung eingetreten.
So hatten die deutschen Autohersteller in der Pannenstatistik die vorderen Plätze in den vergangenen Jahren räumen müssen. Erst 2004 fanden sie wieder den Weg nach oben. Wer sich eben allzusehr auf seinen Lorbeeren ausruht, den bestraft das Ranking. Während also diese Scharte nach heutigem Stand erst einmal ausgewetzt ist, so sehen sich doch einige Hersteller mittlerweile in noch ernsteren Schwierigkeiten. Allen voran der einst leuchtende Stern der deutschen Automobilwelt Daimler-Chrysler.
Schrempp: Vom Debakel zum Fiasko und zum Rücktritt
Was Konzernchef Jürgen Schrempp auch in den vergangenen Jahren anfaßte - es schien stets zum Fiasko zu geraten. Die Fusion mit Chrysler war zunächst ein finanzielles Debakel, führte zu Prozessen, viel Unmut und ließ eine imagemäßige Delle zurück. Im Jahr 2000 mußte Eckhard Cordes die defizitäre Nutzfahrzeugsparte sanieren. Bei Mitsubishi mußte man sich gleichfalls mit erheblichen Beulen und mehr als nur Blechschaden zurückziehen, ebenso von Hyundai. Der Smart wurde zum Sanierungsfall und schließlich geriet auch noch die Mercedes Car Group in die Krise. Im ersten Quartal dieses Jahres sorgte der einstige Fels in der Brandung für Verluste von beinahe einer Milliarde Euro.
Das kann ein Konzern schon mal in Kauf nehmen, nicht aber wenn der Imagestern Anzeichen des Sinkens aufweist. In der letzten Erhebung des Automarkenindex des ADAC AutoMarxX mußte Mercedes den Platz eins an BMW abgeben. Den zweiten Platz muß sich Mercedes auch noch mit Audi teilen. Schwächere Verkaufzahlen, aber vor allem ein schlechteres Abschneiden in der Kategorie Techniktrends ließen Mercedes rutschen.
Bei Markenimage und Fahrzeugqualität liegt man zwar immer noch vorne, doch bei der Kundenzufriedenheit steht man gemeinsam mit Marken wie Fiat, Land Rover - und Chrysler - auf dem vorletzten Platz vor VW. Und nach einer Umfrage der Marktforschungsgesellschaft Puls unter 2.000 Neuwagenkäufern wurde Toyota am häufigsten weiterempfohlen, wohingegen Mercedes es noch nicht einmal unter die Top Ten schaffte.
Am Donnerstag überraschte nun Daimler-Chrysler anläßlich der Vorlage der Halbjahreszahlen mit der Meldung, daß Jürgen Schrempp nach 17 Jahren den Autokonzern zum Jahresende verlassen wird - obwohl sein Vertrag noch bis April 2008 laufen sollte. „Schrempp und der Aufsichtsrat sind übereingekommen, daß jetzt der richtige Zeitpunkt ist”, sagte ein Konzernsprecher. „Der Konzern ist finanziell gesund.”
Freiwillig oder nicht?
Ganz abgesehen davon, daß der von zahlreichen Aktionären lange schon geforderte Rücktritt das beste ist, was Schrempp in den vergangenen Jahren für Daimler-Chrysler getan hat, sind die Umstände bemerkenswert. Die Geschwindigkeit des Abgangs, die scheinbar zusammenhanglose Bemerkung, daß der Konzern finanziell gesund sei - das alles spricht dafür, daß Schrempp fallen gelassen wurde. Insbesondere, daß der Rücktritt in Übereinkunft mit dem Aufsichtsrat geschah, spricht für diese Annahme.
Denn der Aufsichtsrat des Konzerns gilt für die Talfahrt als mitverantwortlich, namentlich der ehemalige Deutsche Bank-Chef Hilmar Kopper, ein Duzfreund Schrempps. Den Rest des Aufsichtsrates bezeichnete die Zeitschrift „€uro” in ihrer jüngsten Ausgabe als „Kopper-hörige Fehlbesetzung” - kein einziger Autoexperte sei darunter, dafür der Präsident des Baseballteams San Francisco Giants. Für die letztliche Entmachtung Schrempps spricht auch, daß Cordes als sein Nachfolgefavorit galt. Nachfolger wird aber Chrysler-Chef Dieter Zetsche.
Zwar weist Daimler-Chrysler offiziell darauf hin, daß Schrempp seinen Posten freiwillig räume. „Es ist kein Rücktritt, er ist freiwillig gegangen nach einem Gespräch mit dem Aufsichtsrat.” Doch heißt das nicht viel, wenn man womöglich die Wahl hat, freiwillig zu gehen oder entlassen zu werden. In der Pflichtmitteilung des Konzerns hatte es zudem ausdrücklich geheißen, daß die Personalentscheidungen auf Beschluß des Aufsichtsrates erfolge. Außerdem fehlte jede in solchen Fällen sonst übliche Dankesbekundung in der Ad-hoc-Notiz von Daimler-Chrysler.
„Ikone Mercedes-Benz unter Schrempp entwertet”
Deutsche Analysten üben sich aus naheliegenden Gründen in solchen Fällen immer wieder in vornehmer Zurückhaltung. Daß Frankfurt Trust-Fondsmanager Martin Sachsenmaier, sich mit der Bemerkung aus der Deckung wagt, Schrempps Abschied sei gut für die Aktie, weil er mit allem verknüpft sei, was an Daimler-Chrysler negativ sei, ist schon viel. So bleibt es dem britischen Analysten Stephen Pope von Cantor Fitzgerald überlassen, die Ära Schrempp zusammenzufassen: „Unter seiner Leitung ist die Ikone Mercedes-Benz entwertet worden. Die finanzielle Disziplin im Konzern ist verloren gegangen, weil man eine Menge Geld in Chrysler gepumpt hat. Der Entschluß, Chrysler zu kaufen, war von vornherein kein großer Erfolg.”
Über den Schrempp-Rücktritt gingen die Zahlen für das zweite Quartal fast unter. Der operative Gewinn ging wegen der teuren Sanierung bei Smart um 20 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro zurück. Schlimm genug, auch wenn die Analysten mit mehr Verheerung in der Bilanz gerechnet hatten. Die Mercedes Car Group als Ganzes kam mit einem Verlust von zwölf Millionen Euro gut weg. Im ersten Quartal hatte es noch einen Verlust von knapp einer Milliarde Euro gegeben. Der Konzern bestätigte seine Prognose, wonach er ohne die Belastung aus der Smart-Sanierung ein höheres operatives Ergebnis als 2004 (5,8 Milliarden Euro) erreichen würde. Gerettet wurde der Quartalsüberschuß, der um 28 Prozent auf 737 Millionen Euro zulegte, einmal mehr von der Nutzfahrzeugsparte.
Die Probleme sind immer noch da
Die Verschlechterung der Marktposition kann das alles nicht überdecken. Im zweiten Quartal lagen die Mercedes-Verkäufe mit 97.500 Stück erstmals seit über einem Jahrzehnt unter denen des Hauptkonkurrenten BMW von 109.600. Auch die Verkäufe der BMW-Gruppe einschließlich Mini und Rolls-Royce lagen über denen der Mercedes Car Group mit Smart und Maybach. Schuld daran sind veraltete Modelle und die bekannten Qualitätsprobleme, die im Zuge der Sanierung behoben werden sollen - Ausfälle der Elektrik und der Bremsen führten zu einem Rekordrückrufaktion von 1,3 Millionen Autos.
Das Unternehmen erneuert nun die M- und S-Klasse und bringt mit der R-Klasse eine große Version der B-Klasse eines kompakten Sport-Touringwagen. Smart soll 2007 die schwarzen Zahlen erreichen. Daß Daimler-Chrysler trotzdem noch immer dabei ist, sich aus einer tiefen Krise herauszuarbeiten, zeigt nichts deutlicher als die Tatsache, daß am Mittwoch nun doch Pläne für einen deutlichen Stellenabbau bestätigt wurden, obwohl betriebsbedingte Kündigungen in den deutschen Werken nach dem geltenden Beschäftigungspakt bis 2012 ausgeschlossen sind.
Aktie zieht aus dem Gleitflug steil nach oben
Bei so vielen Baustellen ist es kein Wunder, wenn sich die Aktie in den vergangenen Jahren im Sinkflug befand. In den vergangenen zwölf Monaten war die Aktie mit einem Plus von 0,36 Prozent die drittschlechteste im Dax - nur Infineon und Altana schnitten noch schlechter ab. Der Dax selbst brachte es dagegen auf ein Plus von 34,5 Prozent. Vor den am Donnerstag vorgelegten Zahlen begann sich die Aktie zu erholen - Händler vermuteten, weil alles Schlechte schon im Kurs drin sei. Viel wahrscheinlicher ist, daß einige etwas wußten und schon mal vorkauften.
Denn der Schrempp-Rücktritt wurde vom Markt als Erlösung gefeiert. Er katapultierte die Aktie aktuell 8,5 Prozent in die Höhe auf zuletzt 39,43 Euro, nachdem sie zwischenzeitlich schon die Marke von 40 Euro überschritten hatte. So hoch stand die Aktie sei Ende 2002 nicht mehr, als sie mit 39,52 Euro ein 22-Monats-Hoch markierte.
Bei allem Enthusiasmus über den lang ersehnten Rücktritt Schrempps bleibt die Aktie weiterhin äußerst hoch bewertet. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 17,6 - reichlich viel für einen Automobilhersteller in einer massiven Krise, auch wenn das „Gewurschtel” im System Schrempp endlich ein Ende hat. Charttechnisch wird es allerdings interessant, wenn sich die Aktie nachhaltig aus dem Seitwärtstrend der vergangenen zwei Jahre befreien und die 40-Euro-Marke knacken kann. Denn dann liegen die Widerstände erst wieder im Bereiche von 50 Euro.
Quelle: FAZ
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