Consors.

Beitrag: 1
Zugriffe: 253 / Heute: 1
Schnorrer:

Consors.

 
11.01.02 21:40
Wenn Boxer vom Kampfrichter angezählt werden, gilt das als Zeichen ihrer unmittelbar bevorstehenden Niederlage. Ähnlich verhält es sich für die am Neuen Markt notierte Consors Discount-Broker AG. Das Ende des Pioniers unter den deutschen Online-Brokern und einstigen Börsenstars ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Wie bei so manch anderem Neuer-Markt-Unternehmen ist aber bei Consors das baldige Aus nicht direkt auf eine Insolvenz des Hauses zurückzuführen, sondern vor allem auf eine finanzielle Schieflage der Muttergesellschaft. Die traditionsreiche SchmidtBank, die 64,5 % der Consors-Anteile hält, steht seit November vorigen Jahres wegen eines hohen Wertberichtigungsbedarfs unter Kontrolle einer Auffanggesellschaft, die von den vier Großbanken und der Bayerischen Landesbank getragen wird.

Der neue Geschäftsführer der angeschlagenen fränkischen Privatbank, Paul Wieandt, muss nicht nur das eigene Haus wieder auf Vordermann bringen, sondern zugleich auch den geplanten Verkauf der Tochter unter Dach und Fach bringen. Der erfahrene Sanierer Wieandt, der sich schon als Vorstandsvorsitzender der BfG Bank einen Namen gemacht hatte, will diese Transaktion so schnell wie möglich abwickeln. Dabei geht der 65-Jährige sehr geschickt vor. So will er die Consors-Gruppe als Ganzes nicht etwa über einzelne, mühsame Verhandlungen veräußern, sondern durch ein Bieterverfahren. An diesem Verfahren, das Wieandt bis Ende März abgeschlossen haben will, werden sich wohl alle hiesigen Banken und Online-Broker mit Rang und Namen beteiligen, aber auch ausländische Kreditinstitute und Brokerhäuser. Denn Consors ist - trotz der derzeit schwierigen Marktlage für Online-Broker - angesichts seiner hohen Zahl von rund 560 000 Kundendepots (Stand Ende September 2001) ein interessantes Übernahmeobjekt.


Kommunikationsprobleme

Die Consors-Führungsspitze um Vorstandssprecher und Unternehmensgründer Karl Matthäus Schmidt kann dem bevorstehenden Verkauf des eigenen Unternehmens nur noch von außen zusehen. Aktiv kann der Consors-Vorstand nicht mehr eingreifen. Im Gegenteil: Der eloquente Schmidt ist seit November von der Rolle eines Unternehmenslenkers in die eines Gelenkten geschlüpft. Um nicht vorzeitig seinen Posten als Vorstandssprecher zu verlieren, muss der 33-jährige Jungbanker alles daran setzen, mit der neuen SchmidtBank-Führungsriege gut zusammenzuarbeiten.

Dabei scheint die Kommunikation zwischen Schmidt und Wieandt noch verbesserungswürdig zu sein. Zu oft hatte nämlich der Consors-Vorstandschef in der jüngsten Vergangenheit seine eigenen Vorstellungen zur Zukunft des Online-Brokers in die Öffentlichkeit getragen. Mitte Dezember vorigen Jahres musste Wieandt in einer Pressekonferenz endgültig klarstellen, wer neuer Herr im Hause ist: "Der Verkaufsprozess für Consors wird neu gestartet - durch die SchmidtBank und nicht durch Consors", sagte der in Bankenkreisen geschätzte Sanierer energisch.

Was bleibt Schmidt unter dieser Konstellation noch übrig, als Consors bis zur Übernahme einigermaßen über die Runden zu bringen? Denn zu einer glänzenden "Equity-Story", die die Anleger in Scharen anzieht, kann der Consors-Chef seinem Unternehmen schon lange nicht mehr verhelfen.

Die Aktie, die im März 2000 auf der Höhe des Börsenbooms ein historisches Hoch von 161 Euro verzeichnete, hat seit der Ungewissheit über die eigene Zukunft endgültig an Fantasiekraft verloren. Das Papier, das infolge der Baisse an den Aktienmärkten deutlich an Wert verloren hat, dümpelt seit der bekannt gewordenen Schlieflage des Mutterhauses im November in einer Range von 8,65 bis 13,54 Euro dahin. Am Freitag notierte die Aktie bei 11,10 Euro, also weit unter ihrem Ausgabepreis von 33 Euro im April 1999.


Kurze Kurssprünge

Kurze Kurssprünge werden momentan nur noch dann erzielt, wenn vor dem Hintergrund des Bieterverfahrens der eine oder andere Vorstand einer Bank sein Interesse an Consors bekundet.

Diesen Kursverfall nur auf die Baisse, die die Erlöse der Online-Broker automatisch wegen nachlassender Handelsaktivitäten der Privatanleger schmälert, zurückzuführen, greift jedoch zu kurz. Denn schon vor der SchmidtBank-Krise blies dem Consors-Vorstand der Wind kräftig ins Gesicht. So ist der Kursverfall sicherlich nicht nur auf die Baisse zurückzuführen, sondern auch auf strategische Fehlentscheidungen und steigende Verluste, die den Kurs des Online-Brokers zusätzlich belasten


Fehlentscheidungen

So hatten Karl Matthäus und sein Vater, Karl Gerhard Schmidt, der bis zur Krise der Bank geschäftsführend persönlich haftender Gesellschafter war, monatelang hinter den Kulissen versucht, den Online-Broker gewinnbringend an andere Banken zu verkaufen. Ohne Erfolg. Wieandt führt das Scheitern dieser Verkaufsgespräche auf die "Irrationalität" des Vorgehens und die "zu hohen" Preisvorstellungen zurück. In Bankenkreisen wurden zwar die vier deutschen Großbanken sowie die Postbank (Easytrade) und der Online-Broker der Sparkassen (S-Broker) als Interessenten genannt, aber nur die Commerzbank und die mehrheitlich zur HypoVereinsbank gehörende DAB Bank bestätigten später, mit Consors derartige Gespräche geführt zu haben. Diese seien aber an den unterschiedlichen Vorstellungen über Preis und Strategie gescheitert.


Kosten senken

Des weiteren ist es Consors z. B. nicht gelungen, über ihre 53 %-Beteiligung an der Berliner Effektengesellschaft (BEG) mit der Berliner Börse eine eigene Handelsplattform für Privatanleger aufzubauen. Karl Matthäus Schmidt, der nach eigenen Worten dadurch die Consors-Wertschöpfungskette erweitern wollte, machte die Rechnung ohne die anderen Online-Broker und die Berliner Börse, die partout nicht mitmachen wollten. Mittlerweile ist die Berliner Börse eine Kooperation mit Nasdaq Europe eingegangen. Die momentan in der Verlustzone operierende BEG erwies sich für Consors damit als Flop.

Der für dieses Scheitern verantwortliche Co-Vorstandssprecher Reto Francioni, den Karl Matthäus einst für die Realisierung dieses Projekts von Frankfurt nach Nürnberg holte, soll sich laut gut informierter Kreise nach einer neuen Tätigkeit umsehen. Allerdings wird kolportiert, dass sich der Consors-Unternehmensgründer bereits Anfang vorigen Jahres vom einstigen Vorstandsmitglied der Deutsche Börse AG trennen wollte.

In den nächsten Monaten wird der Consors-Vorstand damit beschäftigt sein, das Haus wieder in ruhigeres Fahrwasser zu steuern. Die Führungsriege, die für das Jahr 2001 einen Konzernverlust nach Steuern von 79 Mill. Euro erwartet, wird wohl noch stärker als zuvor die Kostenschraube anziehen, um wieder die Gewinnzone zu erreichen. Im vergangenen Jahr wurden bereits Stellen gestrichen, Marketingaufwendungen gesenkt und IT-Projekte ad acta gelegt.

In jüngster Zeit wird der Vorstand nicht müde zu betonen, dass das Kundenneugeschäft trotz der SchmidtBank-Krise stärker angezogen habe. Wenn die Nürnberger ihre vorläufigen Neugeschäftszahlen in den nächsten Tagen vorlegen, wird sich zeigen, ob die finanzielle Schieflage der Muttergesellschaft tatsächlich keine Spuren hinterlassen hat.


Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--