Geldanlage
Mit der Bundestagswahl auf Kundenfang
19. August 2005 Ein Blick in das Heft des Nachbarn erspart stundenlanges Nachdenken. Diesem alten Pennälermotto sind offenbar die Marketingexperten der Commerzbank gefolgt und haben sich für die Bundestagswahl ein scheinbar ganz ausgetüfteltes Produkt ausgedacht:
"Neuwahlen für Ihre Zinsen", lautet der Werbeslogan für ein neues Sparangebot, bei dem die Bank den Zins an die Wahlbeteiligung koppelt. Wer jetzt ein Sparkonto bei der Commerzbank eröffnet, bekommt bis zur Wahl einen Basiszins von 2 Prozent und nach der Wahl, vom 20.September an, einen Bonus obendrauf, der sich nach der Wahlbeteiligung richtet. Sollte diese wie bei der letzten Bundestagswahl 2002 bei 79 Prozent liegen, bekommt der Sparer 2,79 Prozent.
Scheinbar verlockend
Scheinbar klingt dieses Angebot verlockend lukrativ, liegt es doch deutlich über dem Tagesgeldsatz von 2,25 Prozent, den der Marktführer ING Diba derzeit zahlt. Daß die Wahlbeteiligung unter 25 Prozent liegen wird, dürfte unwahrscheinlich sein. Doch das auf den ersten Blick lukrative Angebot stellt sich rasch als Lockvogelangebot zum Kundenfang heraus, das mehr Fallstricke als Vorteile enthält.
Von den hohen Zinsen kann theoretisch die gesamte Weltbevölkerung, die derzeit auf 6,5 Milliarden Menschen geschätzt wird, profitieren - mit Ausnahme jener 7,9 Millionen, die schon Privatkunde der Commerzbank sind. Auch die Höhe des Sparbetrags ist beschränkt, und zwar auf 20000 Euro, was das Wahlrisiko für die Commerzbank überschaubar macht. Außerdem wird der Sonderzins auch nur drei Monate lang gezahlt. Dies bedeutet, daß der Sparer anfangs nur den Basiszins von 2 Prozent bekommt, dann drei Monate den Bonuszins und anschließend automatisch nur noch die mickrigen 0,5 Prozent, die auch schon die übrigen Commerzbank-Kunden erhalten.
Vorschrift von anno dazumal
Zudem hat die Commerzbank, wie bei Sparkonten häufig noch üblich, die Kündigungsfrist auf drei Monate festgesetzt für alle Abhebungen von mehr als 2.000 Euro. Trotz aller Innovationsfreudigkeit im Marketing hält die Werbeabteilung der Bank an dieser Vorschrift von anno dazumal stur fest. Da die Sonderaktion am 5. Januar ausläuft, muß der Interessent spätestens zum 5. Oktober sein Konto wieder gekündigt haben. Er kann natürlich das Kündigungsschreiben auch gleich mit dem Antrag auf Kontoeröffnung abgeben.
Früher, als im Kreditgewerbe noch von Schalterhallen, Bankbeamten und Spareckzins gesprochen wurde, hatten die Angebote der Banken die Langeweile, aber auch die Solidität von Verwaltungsvorschriften. Heute haben die Marketingspezialisten entdeckt, daß sich Werbung nicht auf das allgemeine Ansehen mit Slogans wie "Ideen nach vorn" beschränken darf, sondern sich an Produkten orientieren muß, die dem Kunden einen Zusatznutzen versprechen sollen - "Added Value" nennen sie das dann.
Kunden werden mit Sonderaktionen „beglückt”
So kam es, daß die deutschen Bankkunden seitdem mit Sonderaktionen beglückt werden, die angeblich besonders lukrativ sind. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch meistens, daß es sich um Bauernfängerei handelt, die zum alleinigen Vorteil der Bank gerechnet und auf jeden Fall mit einer langen Liste von Einschränkungen gespickt sind. Silberpfeil-Sparkonto, Lotto-Sparen oder Bonus Volltreffer heißen einige dieser Sonderangebote. Mit einer FC Bayern Sparkarte kam die Hypo-Vereinsbank heraus. Bei diesem Produkt war die Verzinsung an die geschossenen Tore der Fußball-Elf und an den Gewinn der Deutschen Meisterschaft gekoppelt.
Immerhin hat die Commerzbank ihr Angebot nicht an einen Wahlsieg der CDU geknüpft, obwohl Vorstandssprecher Klaus-Peter Müller schon mal stolz fallenläßt, daß er seit 1962 Mitglied der Partei sei. Bei Bankgeschäften gilt wohl weiter das Gebot der Überparteilichkeit.
Quelle: faz.net
...be invested
Der Einsame Samariter
Mit der Bundestagswahl auf Kundenfang
19. August 2005 Ein Blick in das Heft des Nachbarn erspart stundenlanges Nachdenken. Diesem alten Pennälermotto sind offenbar die Marketingexperten der Commerzbank gefolgt und haben sich für die Bundestagswahl ein scheinbar ganz ausgetüfteltes Produkt ausgedacht:
"Neuwahlen für Ihre Zinsen", lautet der Werbeslogan für ein neues Sparangebot, bei dem die Bank den Zins an die Wahlbeteiligung koppelt. Wer jetzt ein Sparkonto bei der Commerzbank eröffnet, bekommt bis zur Wahl einen Basiszins von 2 Prozent und nach der Wahl, vom 20.September an, einen Bonus obendrauf, der sich nach der Wahlbeteiligung richtet. Sollte diese wie bei der letzten Bundestagswahl 2002 bei 79 Prozent liegen, bekommt der Sparer 2,79 Prozent.
Scheinbar verlockend
Scheinbar klingt dieses Angebot verlockend lukrativ, liegt es doch deutlich über dem Tagesgeldsatz von 2,25 Prozent, den der Marktführer ING Diba derzeit zahlt. Daß die Wahlbeteiligung unter 25 Prozent liegen wird, dürfte unwahrscheinlich sein. Doch das auf den ersten Blick lukrative Angebot stellt sich rasch als Lockvogelangebot zum Kundenfang heraus, das mehr Fallstricke als Vorteile enthält.
Von den hohen Zinsen kann theoretisch die gesamte Weltbevölkerung, die derzeit auf 6,5 Milliarden Menschen geschätzt wird, profitieren - mit Ausnahme jener 7,9 Millionen, die schon Privatkunde der Commerzbank sind. Auch die Höhe des Sparbetrags ist beschränkt, und zwar auf 20000 Euro, was das Wahlrisiko für die Commerzbank überschaubar macht. Außerdem wird der Sonderzins auch nur drei Monate lang gezahlt. Dies bedeutet, daß der Sparer anfangs nur den Basiszins von 2 Prozent bekommt, dann drei Monate den Bonuszins und anschließend automatisch nur noch die mickrigen 0,5 Prozent, die auch schon die übrigen Commerzbank-Kunden erhalten.
Vorschrift von anno dazumal
Zudem hat die Commerzbank, wie bei Sparkonten häufig noch üblich, die Kündigungsfrist auf drei Monate festgesetzt für alle Abhebungen von mehr als 2.000 Euro. Trotz aller Innovationsfreudigkeit im Marketing hält die Werbeabteilung der Bank an dieser Vorschrift von anno dazumal stur fest. Da die Sonderaktion am 5. Januar ausläuft, muß der Interessent spätestens zum 5. Oktober sein Konto wieder gekündigt haben. Er kann natürlich das Kündigungsschreiben auch gleich mit dem Antrag auf Kontoeröffnung abgeben.
Früher, als im Kreditgewerbe noch von Schalterhallen, Bankbeamten und Spareckzins gesprochen wurde, hatten die Angebote der Banken die Langeweile, aber auch die Solidität von Verwaltungsvorschriften. Heute haben die Marketingspezialisten entdeckt, daß sich Werbung nicht auf das allgemeine Ansehen mit Slogans wie "Ideen nach vorn" beschränken darf, sondern sich an Produkten orientieren muß, die dem Kunden einen Zusatznutzen versprechen sollen - "Added Value" nennen sie das dann.
Kunden werden mit Sonderaktionen „beglückt”
So kam es, daß die deutschen Bankkunden seitdem mit Sonderaktionen beglückt werden, die angeblich besonders lukrativ sind. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch meistens, daß es sich um Bauernfängerei handelt, die zum alleinigen Vorteil der Bank gerechnet und auf jeden Fall mit einer langen Liste von Einschränkungen gespickt sind. Silberpfeil-Sparkonto, Lotto-Sparen oder Bonus Volltreffer heißen einige dieser Sonderangebote. Mit einer FC Bayern Sparkarte kam die Hypo-Vereinsbank heraus. Bei diesem Produkt war die Verzinsung an die geschossenen Tore der Fußball-Elf und an den Gewinn der Deutschen Meisterschaft gekoppelt.
Immerhin hat die Commerzbank ihr Angebot nicht an einen Wahlsieg der CDU geknüpft, obwohl Vorstandssprecher Klaus-Peter Müller schon mal stolz fallenläßt, daß er seit 1962 Mitglied der Partei sei. Bei Bankgeschäften gilt wohl weiter das Gebot der Überparteilichkeit.
Quelle: faz.net
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Der Einsame Samariter