Worum es im Ost-Kongo wirklich geht
von Michael Vaupel
Lieber Herr Hotsch,
Da ich weiterhin durch Afrika reise, bleibe ich thematisch mal bei diesem Kontinent.
Gerade habe ich mich mit einer Analyse von Michel Camdessus (ehemals IWF-Vorsitzender und jetzt Mitglied des AfricaProgressPanel) beschäftigt. Er bringt es auf den Punkt, sinngemäß heißt es in der Studie: Afrika hat einige der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt - die Einkommensverteilungen sind jedoch extrem, weshalb davon "beim einfachen Volk" oft gar nichts bzw. kaum etwas ankommt.
Der Vorsitzende des AfricaProgressPanel ist übrigens Kofi Annan, und er beklagte insbesondere das schwache Bild einiger afrikanischer Regierungen. "Weak governance" nannte er das.
Man hüte sich vor Verallgemeinerungen. Afrika ist ein Kontinent mit großer Vielfalt, auch in Bezug auf die Staatenwelt. In Europa lassen sich ja auch nicht z.B. Island und Serbien in einen Topf werfen.
So gibt es in Afrika eben auch Staaten mit "good governance", sprich guter Regierung, und dann kommt der größte Teil des Wirtschaftswachstums auch beim Volk an. Beispiel dafür ist sicherlich Botswana.
Und dann gibt es im Extremfall die gescheiterten Staaten wie Somalia. "Somalische Flipflops blamieren Supermächte", Peter Scholl-Latour fällt mir dazu ein.
Ein weiteres trauriges Beispiel ist sicherlich der Kongo. Dieses Land ist von Rohstoffen gesegnet, hat eigentlich gewaltiges Potenzial. Doch im Fall von "bad governance" kann der Segen von Rohstoff-Vorkommen schnell zum Fluch werden. Wie da geschehen.
Was meinen Sie denn, warum in diesen Tagen aus dem Osten des Kongos wieder einmal von Gefechten, von diversen Rebellengruppen, z.B. der mit dem Namen "M23" zu hören ist? Eroberung von Goma durch diese Gruppe wurde vermeldet, die Lage ist aber offensichtlich recht unübersichtlich.
Also, warum die Kämpfe? Nach Beschäftigung mit den Karten denke ich, dass es den Rebellen darum geht, den Bunagana Grenzübergang unter ihre Kontrolle zu bringen. Da verläuft eine Export-Route für Coltan und Wolframit. Und bei Coltan, da wird man als Rohstoff-Anhänger hellhörig. Coltan ist ein Mischmineral aus Niobit und Tantalit.
Niobit hieß früher "Columbit", und dieser alte Name wurde zusammen mit Tantalit für die Namensbildung des Erzes genommen, so kam es zu dem Namen "Coltan".
Dieses Mischmineral kann in kaum einer Region der Welt so leicht gewonnen werden wie im Ost-Kongo und im benachbarten Ruanda. Da reichen schon oberflächliche Schürfarbeiten, und die Anwohner können mit einfachsten Mitteln fördern.
Und dieses Erz Coltan ist wichtig, sehr wichtig. Aus ihm kann das strategische Metall Tantal hergestellt werden, und dieses wiederum ist für Mikro-Kondensatoren notwendig. Diese sind für Mobilfunkgeräte unerlässlich! Und die Zahl der Smartphones soll einer aktuellen Studie zufolge bis 2018 um den Faktor 3 explodieren, auf dann 3,3 Milliarden (Quelle: Ericsson).
Das benachbarte Ruande wiederum gilt als einer der weltgrößten Exporteure von Coltan. Klar, die haben Vorkommen im eigenen Land - aber wer eins und eins zusammenzählt, weiß, dass da von den Rebellen in Ost-Kongo Coltan nach Ruanda verkauft wurde, und dann offiziell von Ruanda exportiert worden ist. (Wer weiß übrigens heutzutage noch, dass auch Ruanda einst zum Kolonialbesitz des wilhelminischen Deutschlands gehörte?)
Die jüngste Offensive der Rebellen könnte also um die Kontrolle der Grenzübergänge bei Bunagana gegangen sein. In der Nähe ist auch eine derzeit stillstehende Mine namens Lueshe. Wer weiß, ob die von den Rebellen wieder in Betrieb gesetzt werden kann, um so eine zusätzliche Einnahmequelle zu generieren.
Dieses "Besetzen" von Ortschaften geht da vor Ort leider mit einem massiven Elend für die Zivilbevölkerung inkl. Vergewaltigungen der Frauen einher. Soviel zum Thema "Rohstoffe ein Segen für das Land". Ich selber reiste vor einiger Zeit nur bis einige Kilometer vor die kongolesische Grenze (von Sambia), traute mich aber keineswegs in den Ost-Kongo.
Ohne die Coltan-Vorkommen wäre die Bevölkerung des Ost-Kongo um Goma herum in den letzten Jahren wohl besser dran gewesen...
Demnächst mehr dazu! Jetzt naht erstmal der Versandtermin.
Herzliche Grüße von der Südhalbkugel!
Ihr
Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.
Chefredakteur Traders Daily