GEORGE W. BUSH
"Die ganze Welt ist unser Schlachtfeld"
Von Carsten Volkery, New York
US-Präsident Bush hat eine souveräne erste "State of the Union"-Rede gehalten. Er rief seine Landsleute zum Krieg gegen die Rezession auf. Kämpferisch schwor er die Amerikaner auf die Fortsetzung des Anti-Terror-Feldzuges ein. Es gebe eine "Achse des Bösen" - Iran, Irak und Nordkorea.
DPA
George W. Bush: Der Kampf gegen den Terrorismus ist noch nicht vorbei
New York - Für einen US-Präsidenten ist es traditionell der größte Moment des Jahres: Der gesamte Kongress und Millionen Amerikaner hören zu, wenn der Regierungschef seinen Bericht zum "State of the Union" abgibt. US-Präsident George W. Bush nutzte die Gelegenheit, um gleich zwei Reden zu halten, eine außenpolitische und eine innenpolitische.
Den Großteil der von Standing Ovations begleiteten Rede verwandte Bush auf seinen größten Erfolg - den Krieg gegen den Terror. Er warnte die Amerikaner vor einem "falschen Sicherheitsgefühl". Der Krieg habe erst begonnen. Zehntausende von Terroristen seien in den Lagern Afghanistans ausgebildet worden. Diese "tickenden Zeitbomben" könnten jederzeit irgendwo explodieren. "Die ganze Welt ist unser Schlachtfeld", sagte Bush.
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Die Achse des Bösen
In bisher noch nicht da gewesener Deutlichkeit skizzierte Bush seine Vision vom Krieg gegen den Terrorismus nach dem Afghanistan-Feldzug. Er sprach von einem dutzend Ländern, in denen Terroristen Unterschlupf gefunden hätten und einer "Achse des Bösen" der Regime in Nordkorea, Irak und Iran, die versuchten, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen.
Die USA würden nicht länger zusehen, wie diese Regime Massenvernichtungswaffen entwickelten. "Der Preis der Indifferenz wäre zu hoch." Nach dieser entschiedenen Ansage gab es minutenlangen Jubel. Wie erwartet kündigte Bush zusätzliche Milliardenausgaben für Militär und "Homeland Security" an.
Jobs, Jobs, Jobs
Gleichzeitig setzte der republikanische Präsident die Rezession auf die nationale Agenda. Zu seiner Kampagne für Sicherheit gehöre ab sofort auch die wirtschaftliche Sicherheit. "Mein Plan für wirtschaftliche Sicherheit kann in einem Wort zusammengefasst werden: Jobs", sagte er. Mit diesem Schritt will Bush den Fehler seines Vater vermeiden. Der hatte 1991 als Präsident zwar den Golfkrieg gewonnen, aber die damalige Rezession hatte ihn ein Jahr später die Wahl gekostet. Gleichzeitig will Bush damit signalisieren, dass die Situation wieder einigermaßen "back to normal" ist.
Bush rief den Kongress dazu auf, auch in Wirtschaftsfragen die Parteistreitigkeiten zu vergessen. "Wir müssen handeln, nicht als Demokraten, nicht als Republikaner, sondern als Amerikaner". Er warb um die Verabschiedung eines Stimulierungspakets und weiterer Steuersenkungen. Ebenso kündigte er zusätzliche Arbeitslosenunterstützung und Verbesserungen der Kranken- und Rentenversicherung an.
Ohne Osama, ohne Enron
Die Rede, die von den Anhängern beider Parteien heftig beklatscht wurde, ließ zwei Namen ganz aus: Osama Bin Laden und Enron. Bush schien nicht daran erinnern zu wollen, dass der Terrorchef seinen Leuten entwischt ist. Das Enron-Debakel, das ihm seinen ersten Skandal beschert hat, sprach der Präsident nur indirekt an. Ohne den Namen des Unternehmens zu nennen, mit dem sein Kabinett und er persönlich eng verbandelt ist, forderte er verschärfte Aufsicht für Unternehmen und neue Sicherungen, damit Mitarbeiter beim Bankrott ihrer Firma nicht mehr ihre gesamten Rentenersparnisse verlieren können.
In Umfragen vorn
Bushs Rede war mit Spannung erwartet worden. Wie würde der populärste Präsident seit Jahrzehnten sein politisches Kapital einsetzen? Zu Beginn seines zweiten Amtsjahres ist er in einer komfortablen Position: Laut Umfragen hat er 83 Prozent der Amerikaner hinter sich. Und trotz der Rezession glauben 62 Prozent, dass er die Probleme des Landes, inklusive die wirtschaftlichen, besser lösen kann als die Demokraten.
Der Republikaner nutzte die Gelegenheit, um im Streit über das richtige Stimulierungspaket für die Wirtschaft den Druck auf die Demokraten zu erhöhen. Statt seinen Gegnern eine Blockade im Senat vorzuwerfen, setzte Bush auf Umarmung. Er lobte einen seiner ärgsten Opponenten, den demokratischen Senator Edward Kennedy. "Meine Freunde im Coffeeshop in Crawford werden es mir ja nicht glauben, aber unsere Zusammenarbeit in der Schulreform zeigt, wie weit wir zusammenkommen können", sagte Bush. Kennedy lachte anerkennend. Auch Hillary Clinton, demokratische Senatorin aus New York, nickte wohlgefällig mit dem Kopf.
Appell an das bessere Selbst
Bush plädierte auch für eine "neue Kultur der Verantwortlichkeit". Der 11. September habe den Amerikanern ihr "besseres Selbst" gezeigt. "Wir wurden daran erinnert, dass wir Staatsbürger sind". In einer Variation des berühmten John-F.-Kennedy-Ausspruchs ("Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, ...") sagte Bush: "Wir sollten weniger an die Güter denken, die wir anhäufen können, als vielmehr an das Gute, was wir tun können". Jeder Amerikaner solle daher zwei Jahre seines Lebens in den Dienst der Nation stellen.
Bush kündigte die Einrichtung eines Freedom Corps an. Es ist im Wesentlichen eine Erweiterung des von Bill Clinton eingeführten Americorps. Diese Einrichtung organisiert einen einjährigen Freiwilligendienst im Sozialbereich für junge Amerikaner. Das Freedom Corps soll zusätzlich in der "Homeland Security" und in der Entwicklungshilfe tätig werden.
Die rosarote Brille
Im Unterschied zu seinem Vorgänger Clinton, der für ellenlange Listen mit verschiedensten Mini-Vorschlägen bekannt war, hatte Bush in der "State of the Union"-Rede eigentlich nur wenige große Visionen vorstellen wollen. Am Ende kam aber doch eine ganz beachtliche Liste an Versprechungen heraus: mehr Geld unter anderem für Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer, Arbeitslose und Rentner. Der demokratische Abgeordnete Charles Rangel, Mitglied des Haushaltsausschusses, bemerkte hinterher gelassen: "Der Präsident muss uns einen Plan vorlegen, wie er gleichzeitig die Steuern senken und alle diese Ausgaben finanzieren will."
Denn so rosig der Präsident den Zustand der Nation beschrieben hat - die Staatsfinanzen sehen schlecht aus. In diesem Jahr bereits wird mit einem Haushaltsdefizit von hundert Milliarden Dollar gerechnet. Beobachter fragen sich bereits, ob Bush in seinem Ausgabeeifer zu den gigantischen Haushaltsdefiziten der Reagan-Ära zurückkehren will. Die Demokraten haben bereits angekündigt, das zu verhindern.
"Die ganze Welt ist unser Schlachtfeld"
Von Carsten Volkery, New York
US-Präsident Bush hat eine souveräne erste "State of the Union"-Rede gehalten. Er rief seine Landsleute zum Krieg gegen die Rezession auf. Kämpferisch schwor er die Amerikaner auf die Fortsetzung des Anti-Terror-Feldzuges ein. Es gebe eine "Achse des Bösen" - Iran, Irak und Nordkorea.
DPA
George W. Bush: Der Kampf gegen den Terrorismus ist noch nicht vorbei
New York - Für einen US-Präsidenten ist es traditionell der größte Moment des Jahres: Der gesamte Kongress und Millionen Amerikaner hören zu, wenn der Regierungschef seinen Bericht zum "State of the Union" abgibt. US-Präsident George W. Bush nutzte die Gelegenheit, um gleich zwei Reden zu halten, eine außenpolitische und eine innenpolitische.
Den Großteil der von Standing Ovations begleiteten Rede verwandte Bush auf seinen größten Erfolg - den Krieg gegen den Terror. Er warnte die Amerikaner vor einem "falschen Sicherheitsgefühl". Der Krieg habe erst begonnen. Zehntausende von Terroristen seien in den Lagern Afghanistans ausgebildet worden. Diese "tickenden Zeitbomben" könnten jederzeit irgendwo explodieren. "Die ganze Welt ist unser Schlachtfeld", sagte Bush.
Ein erfolgreiches erstes Jahr? Diskutieren Sie mit anderen SPIEGEL-ONLINE-Usern!
Die Achse des Bösen
In bisher noch nicht da gewesener Deutlichkeit skizzierte Bush seine Vision vom Krieg gegen den Terrorismus nach dem Afghanistan-Feldzug. Er sprach von einem dutzend Ländern, in denen Terroristen Unterschlupf gefunden hätten und einer "Achse des Bösen" der Regime in Nordkorea, Irak und Iran, die versuchten, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen.
Die USA würden nicht länger zusehen, wie diese Regime Massenvernichtungswaffen entwickelten. "Der Preis der Indifferenz wäre zu hoch." Nach dieser entschiedenen Ansage gab es minutenlangen Jubel. Wie erwartet kündigte Bush zusätzliche Milliardenausgaben für Militär und "Homeland Security" an.
Jobs, Jobs, Jobs
Gleichzeitig setzte der republikanische Präsident die Rezession auf die nationale Agenda. Zu seiner Kampagne für Sicherheit gehöre ab sofort auch die wirtschaftliche Sicherheit. "Mein Plan für wirtschaftliche Sicherheit kann in einem Wort zusammengefasst werden: Jobs", sagte er. Mit diesem Schritt will Bush den Fehler seines Vater vermeiden. Der hatte 1991 als Präsident zwar den Golfkrieg gewonnen, aber die damalige Rezession hatte ihn ein Jahr später die Wahl gekostet. Gleichzeitig will Bush damit signalisieren, dass die Situation wieder einigermaßen "back to normal" ist.
Bush rief den Kongress dazu auf, auch in Wirtschaftsfragen die Parteistreitigkeiten zu vergessen. "Wir müssen handeln, nicht als Demokraten, nicht als Republikaner, sondern als Amerikaner". Er warb um die Verabschiedung eines Stimulierungspakets und weiterer Steuersenkungen. Ebenso kündigte er zusätzliche Arbeitslosenunterstützung und Verbesserungen der Kranken- und Rentenversicherung an.
Ohne Osama, ohne Enron
Die Rede, die von den Anhängern beider Parteien heftig beklatscht wurde, ließ zwei Namen ganz aus: Osama Bin Laden und Enron. Bush schien nicht daran erinnern zu wollen, dass der Terrorchef seinen Leuten entwischt ist. Das Enron-Debakel, das ihm seinen ersten Skandal beschert hat, sprach der Präsident nur indirekt an. Ohne den Namen des Unternehmens zu nennen, mit dem sein Kabinett und er persönlich eng verbandelt ist, forderte er verschärfte Aufsicht für Unternehmen und neue Sicherungen, damit Mitarbeiter beim Bankrott ihrer Firma nicht mehr ihre gesamten Rentenersparnisse verlieren können.
In Umfragen vorn
Bushs Rede war mit Spannung erwartet worden. Wie würde der populärste Präsident seit Jahrzehnten sein politisches Kapital einsetzen? Zu Beginn seines zweiten Amtsjahres ist er in einer komfortablen Position: Laut Umfragen hat er 83 Prozent der Amerikaner hinter sich. Und trotz der Rezession glauben 62 Prozent, dass er die Probleme des Landes, inklusive die wirtschaftlichen, besser lösen kann als die Demokraten.
Der Republikaner nutzte die Gelegenheit, um im Streit über das richtige Stimulierungspaket für die Wirtschaft den Druck auf die Demokraten zu erhöhen. Statt seinen Gegnern eine Blockade im Senat vorzuwerfen, setzte Bush auf Umarmung. Er lobte einen seiner ärgsten Opponenten, den demokratischen Senator Edward Kennedy. "Meine Freunde im Coffeeshop in Crawford werden es mir ja nicht glauben, aber unsere Zusammenarbeit in der Schulreform zeigt, wie weit wir zusammenkommen können", sagte Bush. Kennedy lachte anerkennend. Auch Hillary Clinton, demokratische Senatorin aus New York, nickte wohlgefällig mit dem Kopf.
Appell an das bessere Selbst
Bush plädierte auch für eine "neue Kultur der Verantwortlichkeit". Der 11. September habe den Amerikanern ihr "besseres Selbst" gezeigt. "Wir wurden daran erinnert, dass wir Staatsbürger sind". In einer Variation des berühmten John-F.-Kennedy-Ausspruchs ("Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, ...") sagte Bush: "Wir sollten weniger an die Güter denken, die wir anhäufen können, als vielmehr an das Gute, was wir tun können". Jeder Amerikaner solle daher zwei Jahre seines Lebens in den Dienst der Nation stellen.
Bush kündigte die Einrichtung eines Freedom Corps an. Es ist im Wesentlichen eine Erweiterung des von Bill Clinton eingeführten Americorps. Diese Einrichtung organisiert einen einjährigen Freiwilligendienst im Sozialbereich für junge Amerikaner. Das Freedom Corps soll zusätzlich in der "Homeland Security" und in der Entwicklungshilfe tätig werden.
Die rosarote Brille
Im Unterschied zu seinem Vorgänger Clinton, der für ellenlange Listen mit verschiedensten Mini-Vorschlägen bekannt war, hatte Bush in der "State of the Union"-Rede eigentlich nur wenige große Visionen vorstellen wollen. Am Ende kam aber doch eine ganz beachtliche Liste an Versprechungen heraus: mehr Geld unter anderem für Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer, Arbeitslose und Rentner. Der demokratische Abgeordnete Charles Rangel, Mitglied des Haushaltsausschusses, bemerkte hinterher gelassen: "Der Präsident muss uns einen Plan vorlegen, wie er gleichzeitig die Steuern senken und alle diese Ausgaben finanzieren will."
Denn so rosig der Präsident den Zustand der Nation beschrieben hat - die Staatsfinanzen sehen schlecht aus. In diesem Jahr bereits wird mit einem Haushaltsdefizit von hundert Milliarden Dollar gerechnet. Beobachter fragen sich bereits, ob Bush in seinem Ausgabeeifer zu den gigantischen Haushaltsdefiziten der Reagan-Ära zurückkehren will. Die Demokraten haben bereits angekündigt, das zu verhindern.