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200051)" rel="nofollow" class="showvisited">Deutsche arbeiten für einen indischen Besitzer bei der brandenburgischen Trevira GmBH. Die Investoren aus Asien lockte vor allem das Entwicklungszentrum. Foto: dpa |
DELHI. „Wer an Chinas und Indiens Aufstieg glaubt, kauft am besten in Deutschland“, sagt Sanjeev Sanyal. Die asiatischen Riesen können für den Regionalvolkswirt der Deutschen Bank in Singapur ihr hohes Wachstum nur halten, wenn sie hochwertige Dienste und selbst Fertigung in den Westen verlagern. Davon profitiere kein Land stärker als Deutschland.
Als „Mythos“ bezeichnet Sanyal die Heerscharen junger, hoch gebildeter Inder und Chinesen, die für Spottlöhne arbeiten und Europa in die Zange nehmen würden. In einer Studie lenkt er den Blick auf eine oft übersehene Folge des asiatischen Booms: „Er treibt die globale Nachfrage nach Fachkräften in die Höhe.“ Im Bewusstsein vieler Europäer geschieht durch die Eingliederung Chinas und Indiens – eines Drittels der Menschheit – in die Weltwirtschaft das Gegenteil: Das globale Angebot von Arbeit explodiert. Doch nur bei einfachen Tätigkeiten setzt dies den Westen unter Druck. „Die Universitäten in China und Indien bilden viel zu wenig Fachkräfte aus“, sagt Sanyal: „Beide Länder können die zusätzliche Nachfrage nach qualifiziertem Personal gar nicht befriedigen, die der Boom in ihren Ländern schafft.“
Studien geben ihm Recht: McKinsey erwartet, dass Indien in drei Jahren 500 000 technische Fachkräfte fehlen. Den Beratern zufolge verfügt nur jeder vierte indische Ingenieur über genügend Fachkenntnisse, um für internationale Firmen arbeiten zu können. Bei Geisteswissenschaftlern ist es nur einer von zehn. Und in China reicht nur in einer Hand voll Spitzenuniversitäten das Ausbildungsniveau an das des Westens heran.
Der Mangel lässt die Löhne für Fachkräfte in Indien bereits um 15 Prozent pro Jahr steigen. Dort und in China klagen Manager immer lauter über Rekrutierungsprobleme. „Wir müssen inzwischen Abgänger an Universitäten der zweiten und sogar dritten Reihe anwerben und selbst fortbilden“, sagt Wipro-Chef Azim Premji. Anders kann seine rasend expandierende IT-Firma die jährlich erforderlichen 20 000 neuen Ingenieure gar nicht anwerben. Vom Kampf um Talente berichten auch Konzerne wie der erfolgreiche Maschinenbauer Larsen & Toubro aus Bombay: Ihm wurde im Vorjahr jeder vierte Ingenieur abgeworben.
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<!--/nodist-->„China und Indien bescheren der Welt einen massiven Talentmangel“, sagt Sanyal, vor allem in technischen Disziplinen. Das treibt die Weltmarktpreise für die Ressource Wissen. Deutschland profitiert davon nicht nur über steigende Exporte hochwertiger Güter wie Maschinen. Sanyal erkennt in Westeuropa angesichts hoher Arbeitslosigkeit, kurzer Arbeitszeiten bei einem zugleich guten Wissensstand „das weltweit größte Reservoir unterbeschäftigter Fachkräfte“.
Tatsächlich gibt es Indizien, dass Deutsche von den Talent-Engpässen in Asien profitieren. Ähnlich strategisch wie asiatische Konzerne Ölquellen und Kohleminen weltweit aufkaufen, schlucken sie jetzt auch technisch erstklassige Firmen in Europa. So übernahm Reliance aus Bombay die Trevira GmbH vor allem wegen ihres renommierten Entwicklungszentrums. Die indische Windenergiefirma Suzlon unterhält ein stattliches Forschungszentrum in Deutschland und leistet sich einen milliardenteuren Übernahmekampf mit Frankreichs Areva um Repower, den Spezialisten für Offshore-Windparks aus Hamburg. Der koreanische Autobauer Kia hat in Rüsselsheim und Frankfurt Design- und Entwicklungszentren errichtet und plant Milliarden-Investitionen in Deutschland. Selbst Fertigung macht für Asiaten Sinn: „Man kann an vielen Orten billiger produzieren“, sagt Baba Kalyani, Chef des global agierenden Schmiedekonzerns Bharat Forge aus Pune. „Aber wir wollen mit Hochtechnologie wachsen, und dazu brauchen wir Deutschland.“ 2004 kaufte er die Traditionsschmiede Carl Dan Peddinghaus in Westfalen. Zum Erstaunen einer zunächst besorgten Belegschaft stockte der Inder das Personal auf und weitete die Produktion aus. Theodore Moser überrascht das nicht. „Zur Fertigung komplexer Teile fehlt in Asien oft das nötige Fachwissen“, sagt der Global Account Manager des Maschinenbauers Danaher Motion.
Zwei Frankfurter Kollegen kommen zum gleichen Schluss wie Sanyal: „Deutschland ist zum Inshoring-Standort geworden“, schreiben Frederik Kunze und Marco Neuhaus in einer Studie der Deutschen Bank. Dank Arbeitsmarktreform, Lohnzurückhaltung und hoher Fachkenntnisse entwickle es sich bei anspruchsvollen Tätigkeiten in Forschung und Fertigung zum „Offshoring-Zielland“.