ein wenig historie:
Britisch-russisches Joint Venture kämpft um Gaslizenz
Leichte Beute für Gazprom & Co?
Nach Total, Exxon und Shell muss sich nun auch BP mit russischen Behörden auseinandersetzen. Die oberste Genehmigungsbehörde für Bodenschätze wirft dem Joint Venture TNK-BP vor, nicht genug Gas zu fördern - die Lizenz ist in Gefahr. Und ohne Lizenz wäre das englisch-russische Unternehmen leichte Beute für Gazprom & Co.
Von Horst Kläuser, ARD-Hörfunkstudio Moskau
Wladimir Putin und Tony Blair standen 2003 noch höchstpersönlich Pate, als ein beispielhaftes Joint Venture zwischen den Chefs des britischen Energiemultis BP und des russischen Energiekonzerns TNK geschlossen wurde. So soll es aussehen, wurde orakelt: eine 50:50-Aufteilung, ein englisch-russisches Management, klare Investitions- und Gewinnaufteilung.
Man hätte schon vor zwei Jahren ins Grübeln kommen können, als BP-Managern der Blick in die Karten mit den Ölreserven der eigenen Firma verwehrt wurde. Der Geheimdienst FSB klassifizierte die Betriebsinformationen plötzlich als Staatsgeheimnis. Man hätte stutzen sollen, als in der Folge des Yukos-Zusammenbruchs die Steuerfahnder plötzlich auch bei TNK-BP auf der Matte standen und Nachforderungen in Milliardenhöhe geltend machten. Und man hätte mitbekommen können, wie die französische Total vom Stockman-Feld ausgeschlossen, Exxon und Shell von den Feldern im fernöstlichen Sachalin verdrängt wurden.
Vorwurf: Vertragsverpflichtungen nicht erfüllt
Nun geht es bei TNK-BP ans Eingemachte. Noch in dieser Woche, wohl am 23. Mai, wird die oberste russische Genehmigungsbehörde für Bodenschätze das größte ostsibirische Gasfeld Kovytka untersuchen. Der Vorwurf gegen das britisch-russische Gemeinschaftsunternehmen lautet, zu wenig Gas zu fördern und damit die Vertragsverpflichtungen nicht zu erfüllen. Tatsächlich: Neun Milliarden Kubikmeter sollten jährlich gefördert werden, nur 1,5 Milliarden Kubikmeter seien es gewesen, argumentiert der Chef der Aufsichtsbehörde, Oleg Mitvol.
BP kontert, dass das Unternehmen am Export von Gas vom Staatsmonopolisten Gazprom gehindert werde - Gazprom darf als einziges Unternehmen Gas ins Ausland exportieren. Der lokale Markt rund um Irkutsk, so TNK-BP, sei aber so klein und die Gaspipeline nach China werde nicht schnell genug gebaut, so dass man das Erdgas aus dem Feld einfach nicht verkaufen könne.
Ohne Lizenz leichte Beute
Das Feld, das einen Wert von rund 15 Milliarden Euro hat und einer Tochterfirma von TNK-BP gehört, hat genug Erdgas, um die Exporte Russlands für 25 Jahre allein zu decken. Ginge die Lizenz für TNK-BP verloren, so hätten Gazprom und andere staatliche Konzerne freie Hand, um sich auch noch die letzten Gasreserven in privater Hand einzuverleiben. Die russischen Anteilseigner wie die Alfa-Bank oder Renova, von den Oligarchen Fridmann und Vekselberg beherrscht, dürfen ohnehin ab Jahresende ihre mittlerweile doppelt so teuren Anteile verkaufen – an wen wohl?
Verlöre TNK-BP die Lizenz, wäre das englisch-russische Privatunternehmen chancen- und wertlos – leichte Beute für Gazprom & Co.
Erfahrung heißt gar nichts. Man kann eine Sache auch 35 Jahre schlecht machen.
Kurt Tucholsky