Nachdem ich nun etwas mehr Zeit hatte, um mir die Zahlen und Ausführungen im Geschäftsbericht der Bastei Lübbe AG genauer anzuschauen, würde ich gerne noch einmal auf die mMn entscheidenden Punkte hinweisen.
Zunächst einmal sind die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr absolut positiv. Man darf bei der Betrachtung bitte auch nicht außer Acht lassen, dass im Geschäftsjahr 2020/2021 ein nicht unwichtiger Vertriebskanal für die Bücher von Bastei Lübbe ganz erheblich unter den beiden Lockdowns wegen Corona zu leiden hatte. Der stationäre Buchhandel war in dieser Zeit monatelang geschlossen und fiel damit als Verkäufer für Bastei Lübbe aus.
Dass man es dennoch geschafft hat, den Umsatz in dieser Krise um satte 11 Mio Euro von 81,5 Mio Euro auf 92,7 Mio Euro (oder um 13,7%) zu steigern ist in diesem Zusammenhang schon eine mehr als ansprechende Leistung und zeigt mMn deutlich auf, welch gute Arbeit in Köln geleistet wird.
Noch beeindruckender ist mMn aber die Ergebnisentwicklung. Das Ebit konnte, selbst wenn ich zur besseren Vergleichbarkeit mal den Sonderertrag aus der Einigung mit ehemaligen Organmitgliedern, die dem Unternehmen 1,1 Mio Euro in die Kassen gespült hat, außen vor lasse, von 4,1 auf 9,8 Mio Euro mehr als verdoppelt werden und die Marge stieg von 5,1 % auf (bereinigt) 10,5%!
Dass ein Umsatzanstieg von 11 Mio Euro zu einem Ergebnisanstieg von 5,7 Mio Euro führt, zeigt mMn die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells eindrücklich auf. Anders gesagt: Wenn es 10 Mio Euro Mehrumsatz gibt, muss dafür nicht das Personal aufgestockt werden. Ein Buch, das z.B. am Ende einen Umsatz von 7 Mio Euro macht, verlangt nicht mehr Aufwand beim Lektorieren oder in der Buchhaltung als ein Buch, mit dem man "nur" 1 Mio Euro macht.
Was an den Zahlen sonst noch bemerkenswert ist:
- Die Eigenkapitalquote ist von 40 auf 47% gestiegen - für manchen Unternehmen ganz normal, bei BL darf man aber nie vergessen, wie die Situation dort noch vor wenigen Jahren war
. es gibt keine Nettoverschuldung mehr sondern einen Nettovermögenswert von knapp 10 Mio Euro und
- (mMn für die Zukunft des Unternehmens enorm wichtig) der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit hat sich von (auch schon sehr guten) 14,2 Mio Euro in 2019 auf 16,8 Mio Euro in 2020 verbessert . das heißt, dass BL über eine enorm hohe Innenfinanzierungskraft verfügt, wodurch es eben (in Zusmmenschau mit der guten Nettofinanzposition) möglich wird, zukünftig auch größere Investitionen finanziell zu stemmen.
Was den Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr angeht, mag dieser für den ein oder anderen etwas vorsichtig daherkommen. Man möchte den Umsatz stabil halten (in einer Range von zwischen 90 und 95 Mio Euro) und dabei ein Ebit von zwischen 11 und 12 Mio Euro erreichen (verglichen mit einem Ebit von ausgewiesenen 10,9 Mio Euro. Das sieht auf den ersten Blick nicht so bedeutsam aus - aber man darf eben nicht außer Acht lassen, dass im kommenden Jahr die Sondererträge aus der Einigung mit den Organmitgliedern entfällt. Bereinigt würde das Ebit daher von 9,8 Mio Euro auf mindestens 11 Mio Euro steigen - das würde einer prozentualen Zunahme von gut 12 % entsprechen - und das bei einem in etwa stagnierenden Umsatz.
Und für das darauffolgende Jahr geht BL derzeit von einem Umsatz von etwa 100 Mio Euro aus bei einem Ebit von ebenfalls 11-12 Mio Euro, wobei ich persönlich davon ausgehen würde, dass man im laufenden Jahr eher die 11 Mio Euro treffen wird und dann in 2022/2023, wenn man es schafft, den Umsatz dann entsprechend auf 100 Mio Euro zu steigern eher die 12 Mio treffen wird.
Wenn ich mir in diesem Punkt eine persönliche Einschätzung erlauben darf: Ich glaube, dass das Ergebnisziel für dieses Jahr deutlich anspruchsvoller ist als das für das nächste Geschäftsjahr. Wenn man es schafft, in diesem Jahr 11 Mio Euro Ebit aus 90 - 95 Mio Euro herauszuholen (mMn ist diese recht optimistische Prognose vor allem der Tatsache geschuldet, dass man mut Follett und Rossman und Kinney drei recht sichere "Treffer" im Weihnachtsgeschäft haben dürfte), dann würde ich meinen, dass es, bei allem Respekt vor der nötigen Arbeit, nicht so furchtbar schwer werden sollte, im darauffolgenden Jahr bei einen Mehrumsatz von zwischen 5 und 10 Mio Euro das Ergebnis stabil zu halten oder bestenfalls um 1 Mio Euro zu steigern.
Die gemeldeten und auch die prognostizierten Zahlen sind also mehr als erfreulich und die so von niemanden erwartete Dividende von regelhaft 25 Cent (plus 4 Cent Sonderdividende) zeigt mMn ebenfalls eindrücklich auf, dass sich BL auf einem guten Weg sieht und auch finanziell so gut aufgestellt ist, dass sich das Unternehmen diese hohe Ausschüttung leisten kann (auch hier gab es ja genügend Zweifler an der Dividendenfähigkeit des Unternehmens).
Trotz dieser wirklich durchgängig guten Zahlen ist der Kurs gestern nicht angesprungen. Das wird sicher verschiedene Gründe haben. Einmal waren die Zahlen und die Prognose ja durch die Vorabveröffentlichung Ende April im Wesentlichen schon bekannt (gestern war "nur" die Dividende die Neuigkeit) und dann dauert es bei Bastei Lübbe immer etwas, bis der Markt die Zahlen realisiert hat bzw. bis die Zahlen bei einem so kleinen Wert auch durchdringen.
Es gibt aber auch noch einen weiteren Grund dafür, dass die Aktie jetzt nicht in Sprüngen nach oben galloppiert. BL ist eben kein ausgesprochener Wachstumswert, bei dem es jetzt jedes Jahr ein verlässliches Umsatzwachstum von 15 oder 20% gibt und der Gewinn sozusagen automatisch mit steigt. Dies wurde auch bei der Vorstellung der Zahlen gestern sehr deutlich.
Die Kostenstruktur bei BL wurde schon von den Vorgängern des derzeitigen Vorstands weitestgehend optimiert, Natürlich gibt es in einem Unternehmen immer Stellschräubchen, die man noch drehen kann aber die ganz großen Effizienzsteigerungsmöglichkeiten gibt es wohl eher nicht mehr im Verlag.
Dazu kommt, dass man als Verlag, ich hatte das ja schon häufiger geschrieben, immer davon abhängig ist, wie das Programm vom Markt angenommen wird. Das mag bei allen Unternehmen so sein - nur ein Verlag legt im Prinzip zweimal im Jahr ein vollkommen neues Produktprogramm auf, weil zweimal im Jahr eben die Novitäten herauskommen, die einen Großteil des Geschäfts bestimmen. Da kann es mal passieren, dass das Programm den Nerv der Zeit nicht so trifft und das wirkt sich dann auch negativ auf den Umsatz aus (natürlich kann man auch unerwartete Umsatzhighflyer dabei haben, die den Umsatz ungeplant nach oben schießen lassen aber das ist eben so gut wie nicht planbar).
Hinzu kommt dann eben noch, dass der Buchmarkt zwar entgegen so manchen Unkenrufen (auch hier)sich als relativ stabil erweist und "Lesen" insgesamt nicht so aus der Mode gekommen ist, wie viele erwartet haben - aber der Buchmarkt wächst halt auch nicht automatisch jedes Jahr um x Prozent. Das bedeutet, dass man als Verlag nicht sozusagen alleine durch den Markt jedes Jahr wächst. Es könnte z.B. sein, dass in diesem Jar "Lesen" nicht ganz so angesagt ist wie im letzten Jahr, wo Corona ja viele andere Aktivitäten verunmöglicht hat.
Unterm Strich bedeutet das, dass die 100 Mio Euro Umsatz mit einer Ebitmarge von 11 % schon ein sehr gutes Ergebnis sind, um das man auch in den kommenden Jahren "herumschwanken" würde (also mal ein bisschen mehr Umsatz und Marge, mal ein bisschen weniger), wenn es keine Trigger geben würde, die dann eben doch neben die organische Entwicklung treten können.
Ein Trigger ist sicher der sehr hohe Umsatzanteil mit "digitalen Produkten". Der Präsentation
www.luebbe.com/web/downloads/module/...tion_2020_2021_BPK.pdfist zu entnehmen, dass BL in 2020 etwa 36% seiner Umsätze "digital" macht (Ebooks und Audio); der Durchschnitt bei Buchverlagen liegt dagegen nur bei 13%!
Warum ist das wichtig? Einer anderen Folie der Präsentation ist zu entnehmen, dass in 2020 der Verkauf physischer Bücher um 3,5% rückläufig war, der von Downloads und Abonnements jedoch um 22% gestiegen ist. Das bedeutet, dass BL grade in den Bereichen besonders stark ist, die am Buchmarkt wachsen. Zudem dürften die Margen bei digitalen Formaten auch besser sein als bei einem gedruckten Buch, weil dort ja deutlich weniger Distributionskosten anfallen als bei einem gedruckten Buch (ich persönlich werde jedoch bei den gedruckten Büchern bleiben - ich finde es eine eher grausliche Vorstellung, das Buch nicht mehr physisch in der Hand halten und darin blättern zu können - aber ich bin ja nicht "der Markt" :-)
Besonders wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang die Marketingstrategie von BL zu sein. BL setzt grade bei den Büchern für die jüngeren Zielgruppen und für entsprechende Serien nicht mehr auf die klassische (und btw. auch teure) Werbung in Zeitungen etc. sondern auf die sozialen Medien und entsprechende Communitys im Internet. Das erklärt auch den großen Erfolg von LYX und auch von "be" dem Verlag in dem ausschließlich digitale Neuerscheinungen von BL veröffentlicht werden. Grade beim jüngeren Publikum kommen diese Formate sehr gut an - und die Leser können sich im Internet auf den Plattformen zu den entsprechenden Büchern austauschen. Man kann also günstiger als früher und zielgruppengenauer Marketing betreiben - und das zahlt sich auch aus, wenn man sich die Digitalumsätze anschaut.
Grade in diesem Bereich schreiben auch viele Autoren an seriellen Formaten (siehe z.B. die extrem erfolgreiche Mona Kasten bei LYX). Diese Titel landen nicht alle nachhaltig auf den SPIEGEL Bestsellerlisten (wobei Mona Kasten dort Dauergast war), dennoch werden auch hier gute Umsätze gemacht (BL nennt diese Titel die "Midlist") und die Serien haben natürlich den Vorteil, dass die Autoren und die Serie sozusagen monatelang im Gespräch bleiben. Dann wird z.B. der dritte Teil einer Serie sozusagen auch zum Marketinginstrument für den ersten und zweiten Teil oder sogar noch für vorhergehende Serien der Autorin/des Autors. Und ein Verlag lebt nicht ausschließlich von Bestsellern sondern eben nicht unwesentlich von dieser Midlist.
Neben dem Trigger "starke Stellung im Bereich Digital und bei Serienformaten" bleibt natürlich auch noch die Möglichkeit, neue Autoren nicht nur selber zu entwickeln (das ist auch immer ein wichtiger Bestandteil des Verlagsgeschäfts) sondern auch fertige und erfolgreiche Autoren "abzuwerben" und auch kleiner Verlage und Imprints hinzuzukaufen. Ich hatte ja weiter oben darauf verwiesen, wie wichtig für BL die starke Finanzposition und die hohen Cashflows sind. Grade in einem sich konsolidierenden Markt, auf dem grade sehr viele kleinere Verlage ums Überleben kämpfen, bieten sich einem finanziell solide aufgestellten Verlag erhebliche Chancen. Und natürlich gibt es auch im Verlagsbereich einige Verleger, die keinen Nachfolger für die Weiterführung ihres Verlags haben - und Random House wird sich sicher nicht für kleine Verlage interessieren. Hier könnte BL zum Zuge kommen - die entsprechenden Mittel dürften vorhanden sein (der Erwerb von Smarticular mit dem bei BL eine vorhandene inhaltliche Lücke im Bereich "Sachbuch/Nachhaltigkeit" geschlossen wurde, hat z.B. vorerst (es gibt entsprechende Nachzahlungsvereinbarungen, wenn bestimmte Umsatz- und Ertragsziele ereicht werden)) knapp 4,9 Mio Euro gekostet - die Nettofinanzposition beträgt aber zum Ende des vorigen Geschäftsjahrs schon wieder knapp 10 Mio Euro - es wäre also schon jetzt genügend Geld vorhanden, um weitere Verlage zu erwerben - und dabei spreche ich mal nur von den Eigenmitteln und nicht von Bankdarlehen und dem weiter laufenden Cashflow). Bastei Lübbe hat als größerer Verlag sicher auch ganz andere Möglichkeiten, die Bücher eines kleineren Verlags im Buchhandel zu positionieren - auch das werden kleiner Verlag im Hinterkopf haben und auch das macht BL dann für verkaufswillige Verleger interessant.
Und selbstverständlich könnte man wie gesagt, auch einzelne Autoren "einkaufen". Das ist so ein bisschen wie ein Perpetuum Mobile (wenn es funktioniert). Wenn man genügend Mittel zur Verfügung hat, um einen bekannten Autor abzuwerben (wobei das nicht so einfach ist, wie bei einem Fußballspieler, weil ein Autor im Regelfall schon eine "Beziehung" zu seinem Lektor oder Übersetzer hat - aber ganz unmöglich ist es sicher auch nicht) und das entsprechende Marketing zu betreiben, verkauft sich das Bauch des Autors gut und dadurch werden wieder mehr Mittel in die Kassen des Verlags gespült, die man dann wieder zur Anwerbung neuer Autoren oder zur Verbesserung der Marketinginstrumente einsetzen kann usw.
Es gibt also schon noch den ein oder anderen "Triggerpunkt" für zusätzliches Wachstum.
Unterm Strich wird BL mMn aber eben keine Wachstumsaktie werden sondern eher ein "Dividendentitel mit Wachstumschancen". Der Kurs dürfte durch die hohe Dividende und das im Vergleich eher niedrige KGV abgesichert sein (außer natürlich bei Marktturbulenzen, die alle Aktien treffen). 25 Cent Dividende entsprechen auf der Basis des aktuellen Kurses etwas über 45 Rendite und ein (ebenfalls bereinigtes) EpS von etwa 52 Cent ergeben derzeit ein KGV von etwa 11,5. Das ist in diesem Marktumfeld sicher eine attraktive Bewertung für eine Aktie mit Substanz (und ein gewisses Maß an Phantasie ist sicher auch mit dabei - siehe oben).
Dem aktuellen Vorstand und auch dem Vorgängervorstand kann ich nur dafür danken, dass sie das Unternehmen so eindrucksvoll und zügig wieder in die Erfolgsspur zurückgebracht haben (für mich persönlich ist es auch sehr wichtig, dass mit Herrn Decot ein ausgesprochener Fachmann nun auch wieder den Bereich "Programm" im Vorstand vertritt). Großer Dank gebührt aber vor allem der gesamten Belegschaft, die diesen Umschwung ja erst möglich gemacht hat.
In diesem Sinne wünsche ich allen einen schönen Tag.
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