Aussteigen oder die Nerven behalten ?

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Aussteigen oder die Nerven behalten ? Nassie

Aussteigen oder die Nerven behalten ?

 
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Mit der Talfahrt des Dax schmelzen die Reserven der Lebensversicherer. Experten warnen Kunden dennoch vor überhasteten Reaktionen
   
So viel Panik war selten. Gerade erst hatten die Bosse der deutschen Lebensversicherer eine brisante Studie der Rating-Agentur Fitch verdaut: Bei einer weiteren Börsenflaute sagten die Analysten in dem Papier für die Branche Abschreibungen in existenzbedrohender Höhe voraus. Kaum verschwand die heikle Postille in den Archiven, stürzte der Dax diese Woche auf ein Acht-Jahres-Tief. Und es könnte noch schlimmer werden: Bis die Irak-Krise nicht entschärft ist, schließen Börsianer einen weiteren Kursverfall nicht aus. Das hätte den Versicherungsbossen gerade noch gefehlt.


Dabei ging es so lange gut. In der Vergangenheit hatten sich die Lebensversicherungen zur solidesten Sparform gemausert. Trotz Börsen-Hype und Aktien-Rausch setzten sich die Policen vor allem bei Sparern mit konservativem Anlageprofil durch. Diese wollten einen Börsen-Crash vermeiden. Doch jetzt trifft es auch sie: Weil sich die Versicherer mit Kundengeldern an der Börse verspekuliert haben, ist bei immer mehr Assekuranzen die in Aussicht gestellte Rendite in Gefahr. Für die Unternehmen wird es zunehmend schwerer, ihre großzügigen Renditeversprechen an die Kunden zu erfüllen. Sogar der garantierte Mindestzins von 3,25 Prozent wackelt. „Der Zinssatz ist nur für das Jahr 2003 sicher", heißt es beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungsindustrie. Auf Grund der schwächelnden Kapitalmärkte sei es nicht auszuschließen, „dass sich da in Zukunft was tut". Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums, das für eine Senkung des Garantiezinses zuständig ist, übt sich in Schadensbegrenzung: „Eine Zinsabsenkung ist zurzeit nicht geplant."


Die Kunden werden trotzdem nervös: „Wir können uns vor Nachfragen verängstigter Versicherungsnehmer kaum retten", sagt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Vor allem die Angst vor einem Totalausfall des angesparten Kapitals sei groß.


Noch bleibt die Katastrophe aus. Nach Informationen von WELT am SONNTAG bauten die Lebensversicherer im zurückliegenden Jahr ihren Vertragsbestand von 88,75 Millionen Verträgen weiter aus. „Der Trend war im vergangenen Jahr nach wie vor positiv", heißt es beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Zur garantierten Rendite gebe es den Todesfallschutz. Das Angebot sei nach wie vor attraktiv.


Wie lange das so bleibt, ist ungewiss. Mit den fallenden Aktienkursen schmelzen auch die Rücklagen der Versicherer immer schneller dahin. Viele Unternehmen können die in Aussicht gestellten Renditen nur noch durch die Auflösung von Bewertungsreserven zahlen. Doch der Puffer schrumpft.


Außerdem drücken Altlasten auf die Bilanzen. Branchen-Insider gehen davon aus, dass die Lebensversicherer im vergangenen Jahr Abschreibungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro aufgeschoben und damit stille Lasten angesammelt haben.


„Das Drama wird noch viel schlimmer als bislang befürchtet", orakelt auch Manfred Poweleit vom Branchendienst map-Report: „Die Auswirkungen für Sparer, deren Police kurz vor der Fälligkeit steht, sind am größten." Vor allem für Anleger, deren Lebensversicherung bereits über einen hohen Kapitalstock verfügt, wirkten sich sinkende Zinsen stärker aus. Für Häuslebauer, die die in Aussicht gestellte Ablaufleistung fest in ihre Finanzierungspläne eingeplant haben, ist das ein Problem. Bei jüngeren Verträgen, bei denen noch wenig Kapital angespart worden ist, schlage die derzeitige Krise der Lebensversicherung nicht ganz so stark durch. „Zieht der Dax endlich an, steigen auch die Renditen der Lebensversicherungen wieder", hofft Poweleit. Der Super-GAU für die Branche bleibe dann aus.


„Die Lebensversicherer haben sich bislang als sehr robust erwiesen", heißt es auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BAFin). Trotz des starken Kursverfalls an den Börsen seien derzeit „keine Liquiditätsengpässe zu erkennen". Die Branche habe reagiert und die durchschnittliche Aktienquote von 20 auf zwölf Prozent reduziert. Der derzeit garantierte Mindestzins von 3,25 Prozent sei nicht in Gefahr.


Erst wenn eine Versicherung den gesetzlichen Mindestzins nicht mehr gewährleisten kann, schreitet die Finanzaufsicht ein. Bei der Detmolder Familienfürsorge war das bereits der Fall. Die HUK-Coburg sprang in die Bresche und übernahm den Bestand.


Ob es weitere Ausfälle gibt, zeigt sich im April. Dann wertet die Finanzaufsicht einen „Stresstest" aus, dem sich die Aufseher der Branche bis Ende März unterziehen. „Ein Problemfall", so ein BAFin-Sprecher, „ist bislang aber nicht abzusehen." Experten warnen deshalb vor überhasteten Reaktionen: „Die Kündigung eines bestehenden Vertrages macht keinen Sinn", warnt die Düsseldorfer Verbraucherschützerin Elke Weidenbach. Grund: Der Rückkaufswert, der dann ausgezahlt wird, verringert sich um Provisionen, Verwaltungskosten und Stornoabzüge.


„Will ein Versicherungsnehmer keine weiteren Beiträge in eine bestehende Lebensversicherung investieren", so die Verbraucherschützerin, „empfiehlt es sich mit dem Versicherer eine Beitragsfreistellung zu vereinbaren." Am Ende der Laufzeit werde dann das bereits eingezahlte Deckungskapital ausgezahlt.


Und Sparern, die vor dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages stehen, rät die Verbraucherschützerin: „Man sollte sich über die Qualität des Versicherungsunternehmens informieren und nicht mehr die ganzen Ersparnisse in eine Lebensversicherung stecken." Künftig gelte die gleiche Grundregel wie an der Börse: Risikostreuung erhöht die Sicherheit.




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