Kein Licht am Horizont
Was bringt die neue Börsenwoche? Analysten und Händler sind skeptisch. Viele erwarten eine Fortsetzung der aktuellen Schwächephase.
"Reichtum überdauert keine drei Generationen" lautet ein chinesisches Sprichwort. In der vergangenen Woche sah es so aus, als würde er nicht einmal drei Quartale überdauern - zumindest nicht, wenn er am Aktienmarkt investiert wird. "Wenn jemand geahnt hätte, wie sich dieses Jahr entwickelt, hätte er sich wohl sofort einen neuen Job gesucht", seufzte ein Aktienhändler.
Verdutzt betrachteten Marktteilnehmer den rapiden Kursverfall der Volksaktie Deutsche Telekom. Schlechte Nachrichten von Bayer und die düsteren Einschätzungen zur US-Wirtschaft im "Beige Book" erschreckten Investoren und beschleunigten den Abwärtstrend. Denn beide Meldungen haben Bedeutung über Bayer und die USA hinaus.
USA: Der Crash blieb aus
Der Ausblick von Bayer zeigt, dass nach den Technologieunternehmen nun auch wichtige Sektoren der traditionellen Wirtschaft in Turbulenzen geraten. Und wie wichtig Nachrichten der US-Wirtschaft für die übrige Weltwirtschaft sind, ist jedermann schmerzlich bewusst - nachdem noch zu Jahresbeginn viele damit rechneten, dass sich Europa von der Entwicklung in den USA abkoppeln kann.
Immerhin: Der befürchtete Crash nach Bekanntgabe der Produktivitätszahlen in den USA zu Beginn der Woche blieb aus. Mit Erleichterung konstatierten Beobachter, dass das Produktivitätswunder in den USA offenbar doch nicht nur ein Irrtum der Statistiker war.
Wenig Anlass zur Hoffnung
Dennoch bieten die Zahlen aus den USA wenig Anlass zur Hoffnung. Die Daten zeigen nämlich auch, wie rapide die Unternehmensgewinne zurückgegangen sind. Beobachter der Credit Suisse First Boston rechnen mit einem Schwund um zehn Prozent in den zwölf Monaten bis Ende Juni 2001.
Und es sieht nicht so aus, als würde sich der Trend zu sinkenden Gewinnen demnächst umkehren. Die schrumpfenden Erträge bedeuten: Trotz der Kursrückgänge sind die Kurs-Gewinn-Verhältnisse im historischen Vergleich noch immer sehr hoch. Das heißt auf den ersten Blick: Finger weg von Aktien. Denn die Kurse haben nur optisch ein attraktives Niveau erreicht. Das Zurücknehmen der Prognosen stellt dies immer wieder in Frage.
Kurs-Gewinn-Verhältnisse noch immer enorm hoch
Andererseits: Wer sich immer strikt rational an diesen Daten orientiert, hätte den enormen Aufschwung des Marktes in den 90er Jahren wohl verpasst. Und der Blick auf die Geschichte zeigt nicht nur, dass die Kurs-Gewinn-Verhältnisse noch immer enorm hoch sind.
Er zeigt auch, dass Perioden mit geringen Unternehmensgewinnen meist die besten Chancen zum Investieren boten. Einer Studie zufolge sind in den vergangenen 50 Jahren den neun Jahren mit den schlechtesten Unternehmensgewinnen immer Kursgewinne gefolgt - und die lagen im Schnitt höher als der langfristige Durchschnitt der Kursgewinne am Aktienmarkt.
Flut an Zahlen
Wird sich die Geschichte in dieser Hinsicht wiederholen? Diese Frage wird jeder Anleger je nach persönlicher Risikobereitsschaft anders beurteilen. Etwas leichter lassen sich dagegen die Unternehmenszahlen der kommenden Woche einschätzen.
Hier erschwert vor allem die Flut an Zahlen den Überblick. Gerade aus Deutschland stehen viele Unternehmensdaten an. Am Montag berichtet Altana über die Halbjahresergebnisse. Am Dienstag folgen Allianz und Beiersdorf, Degussa, Dresdner Bank, Henkel, MLP, ProSiebenSat1 Media und Stinnes sowie am Neuen Markt Morphosys, Kontron und Constantin Film.
Entscheidung über Pennystock-Delisting am Donnerstag
Spannend dürfte auch der Donnerstag werde. An diesem Tag wiil das Landgericht Frankfurt seine Entscheidung über die Klage der Berliner Foris AG gegen die Deutsche Börse wegen den geplanten Ausschlussregeln für Penny Stocks am Neuen Markt verkünden. Das teilte der Vorsitzende Richter in dem Verfahren am Mittwoch auf vwd Anfrage mit. Foris hatte gegen die Deutsche Börse eine einstweilige Verfügung gegen das ab 1. Oktober geplante Regelwerk beantragt. Das Gericht hatte den Fall am Berichtstag mündlich mit den Parteien verhandelt.
Foris will mit der einstweiligen Verfügung verhindern, dass die Börse das Regelwerk einseitig ändert. Nach Ansicht des Unternehmens handelt es sich bei den Regeln um privatrechtliche Verträge, die nur mit Zustimmung der am Neuen Markt notierten Unternehmen geändert werden können. Zudem bräuchten die Unternehmen mehr Zeit, um sich auf die neue Situation einzustellen und mögliche Kapitalmaßnahmen auf ordentlichen Hauptversammlungen zu beschließen, sagte Foris-Vorstand Christian Rollmann. "Wir wollen, dass die Regelung bis zum 1. Oktober kommenden Jahres ausgesetzt wird."