Aufstieg oder Untergang?

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Aufstieg oder Untergang?

 
28.02.03 09:18

Unternehmer schaffen Wohlstand – oder vernichten ihn.

Geliebt werden sie selten. Nur in Boomphasen, in denen steigende Börsenkurse auch Normalanleger reich machen, gelten Unternehmer und Konzernchefs als Helden. Ende der neunziger Jahre war so eine Zeit. Die Deutschen feierten Ron Sommer für die Volksaktie Telekom und Jürgen Schrempp für die Welt-AG DaimlerChrysler. Firmengründer wie Stephan Schambach, der in Jena mit Intershop einen Liebling der New Economy gegründet hatte, erhielten Star-Status. Doch je hemmungsloser die Börsenparty, desto schlimmer der Kater danach: Unternehmer sind heute in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem üble Gesellen, die sich Millionen abzweigen wie der ehemalige Mannesmann-Chef Klaus Esser oder Aktionäre täuschen wie so mancher Dotcom-Chef.

Das Bild, das die Menschen sich von Unternehmern machen, war immer extrem, schwarz oder weiß – und ist bis heute nicht geklärt.

Das fängt schon beim Begriff an: Unternehmer, wer ist das eigentlich? Darf sich nur der Gründer und Eigentümer so nennen oder auch der angestellte Manager? Beide, meinte der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter. Ein Unternehmer sei, wer gegen alle Widerstände neue Produktionsverfahren oder Produkte durchsetze und einen Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ vorantreibe.

Adam Smith, britischer Vater aller Ökonomen, hatte ein gespaltenes Verhältnis zu den Oberkapitalisten. Sie schafften Jobs und Wohlstand, meinte er, aber sie tricksten auch. Und angestellte Topmanager vernachlässigten nur zu oft das Wohl der Firma. Publikumsgesellschaften hielt er für Teufelszeug. Kein Wunder, hatten doch in Smiths 18. Jahrhundert einige Kolonialunternehmen die Briten erst begeistert – und sie dann viel Geld gekostet.

Firmengründer oder Firmenerben, Eigentümer oder Manager – die ZEIT-Serie Momente der Entscheidung soll das Verständnis unternehmerischen Handelns vertiefen. Rund ein Jahr lang wollen wir die wichtigsten Phasen in Aufstieg oder Niedergang großer Unternehmen erzählen und analysieren. Waren es Weitsicht und Fantasie oder wilde Entschlossenheit und Brutalität, die eine Erfolgsgeschichte begründeten – und wie groß war die Rolle des Zufalls? Hätte der Untergang eines Unternehmens verhindert werden können, und wenn ja, an welchem Punkt?

Statt die Herren über Milliarden Euro und Millionen Jobs zu verteufeln oder zu vergöttern, wollen wir sie ergründen. Sie schaffen Arbeit für viele, aber nicht unbedingt auf angenehme Art. Gerade Firmengründer müssen besessen sein von ihrer Idee, um sich zu behaupten. Jedermanns Lieblinge sehen anders aus. Einerseits sollen sie führen – das verlangen Mitarbeiter ebenso von ihnen wie Anleger. Sogar Banker und Aufsichtsräte erliegen oft dem Charisma der Schöpfer und Zerstörer – und wollen es irgendwie auch, weil es ihre Entscheidungen einfacher macht. Andererseits sollen die Bosse bescheiden bleiben und ihrer Verantwortung für Jobs und Umwelt, Wirtschaft und Gemeinschaft gerecht werden.

Wie einst John D. Rockefeller und heute Bill Gates haben viele erfolgreiche Unternehmer als Antwort darauf quasi zwei Leben geführt. In der Aufbauphase sind sie knallhart, und solange es ums Geschäft geht, bleiben sie es auch. Doch später im Leben treten sie als Philanthropen auf, eröffnen Stiftungen, spenden Abermillionen für Museen, Hochschulen, Entwicklungsprojekte. Reinhard Mohn, der aus Bertelsmann mit harter Hand einen Medienkonzern formte, hat später Deutschlands größte Stiftung gegründet, die mit praxisnahen Vorschlägen das öffentliche Leben verbessern soll.

Der Mythos Unternehmer – die Serie soll ihm näher kommen und ihn durch ein realistischeres Bild ersetzen.

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Aufstieg oder Untergang: Acht Beispiele

Percy Barnevik

Er hatte sich daran gewöhnt, ein Starmanager genannt zu werden. Innerhalb weniger Jahre hatte Percy Barnevik aus zwei kränkelnden Elektronikfirmen einen der größten Industriekonzerne der Welt gemacht. Von der Lokomotive bis zur Finanzdienstleistung, Asea Brown Boveri (ABB) mischte Anfang der neunziger Jahre überall mit. Barneviks Erfolgsrezept kam aus dem Lehrbuch und war einfach: Dezentralisierung. Der rastlose Manager zerteilte den Konzern in 5000 Profit-Center. Begeistert von seinem Erfolg, merkte er nicht, dass zu viel von derselben Arznei Schaden anrichten kann. Statt Synergien erzeugte Barnevik Doppelarbeit, die Produktivität sank und das Management wurde demotiviert. 1997 wechselte Barnevik in den Verwaltungsrat des Konzerns, der seinen Vorbildcharakter immer mehr verlor. Seit zwei Jahren befindet sich die ABB-Aktie im freien Fall, der Koloss krebst am Rande des Abgrunds. Und Percy Barnevik? Der hat eine großzügige Abfindung kassiert und sich zur Ruhe gesetzt.

Beate Uhse

Wenn ihre Firma Pakete verschickt, dann immer ohne Absender. So manchem Empfänger wäre es zu peinlich, könnten die Nachbarn sehen, dass er bei der Beate Uhse AG einkauft. Die Firmengründerin selbst hatte nie derartige Bedenken. 1945, ihr Mann war gefallen, die Rote Armee belagerte Berlin, da schnappte sich die Testpilotin Beate Uhse ein herrenloses Flugzeug der Wehrmacht und flog mit ihrem kleinen Sohn nach Nordfriesland. In Flensburg verkaufte sie zunächst Broschüren mit Verhütungstipps und entdeckte, dass sich mit Sex viel Geld verdienen lässt. 1951 gründete sie das „Spezial-Versandhaus für Ehe- und Sexualliteratur und für hygienische Artikel“, den Vorgänger des mittlerweile in zwölf Ländern operierenden Konzerns. Beate Uhse starb im Juli 2001 – ihr Erotik-Imperium wächst weiter.

Bill Gates

Er war Student an der renommiertesten Universität Amerikas. Aber er studierte nicht. Stattdessen schlug sich William Henry Gates der Dritte die Nächte in Harvards Computerzentrum um die Ohren. Mit seinem Schulfreund Paul Allen hatte er während der Schulzeit im Nordwesten der USA kleine Programme geschrieben und von einer eigenen Softwarefirma geträumt. Nun, Mitte der siebziger Jahre, war Gates überzeugt, dass der Markt für Heimcomputer rasend schnell wachsen würde. Und er würde gemeinsam mit Allen die Software dafür entwickeln und verkaufen. Die erste Gelegenheit bot ein Rechnerbausatz namens Altair 8080. Die beiden Youngster schrieben ein Betriebssystem für das Pionierprodukt – und der Hersteller kaufte es. Kurze Zeit später verließ Gates die Uni, und die beiden Softwarehelden gründeten eine Firma namens Microsoft. Bis heute sagt Gates, der zum reichsten Mann der Erde wurde und seinen Markt mit rüden Methoden dominiert, es gehe ihm lediglich um great new software – um tolle neue Programme.

Henry Ford

Geboren wurde er als Sohn armer irischer Einwanderer. Als er starb, war er eine Ikone amerikanischen Unternehmertums. Henry Ford personifiziert noch heute den American Dream. Vom Tüftler in der Gartenlaube wurde er zu einem der reichsten Männer des Landes. In Detroit arbeitete er sich vom einfachen Arbeiter zum Ingenieur hoch und bastelte in seiner Freizeit an einem mit Petroleum betriebenen Automobil. Mit 33 fuhr er den Prototypen durch Detroit spazieren. Der Mann hatte seine Berufung gefunden. 1903 wurde die Ford Motor Company eröffnet, deren sofortiger Erfolg Henry I. zu einer bahnbrechenden Idee verhalf: Ford sah in seinen Autos das Transportmittel der Zukunft, ein Vehikel für die Massen. Doch wenn er mehr Autos verkaufen wollte, musste er billiger und effizienter produzieren. 1913 rollten die ersten Ford-Autos von einem Gebilde namens Fließband. 1927 hatte er schon über 15 Millionen Autos verkauft. Die Fertigung von Industrieprodukten war für alle Zeit revolutioniert, und das Transportmittel Auto trat seinen Siegeszug um die Welt an.

Nick Leeson

Die Barings-Bank war eine der feinsten Adressen am Londoner Bankenmarkt. Sie wurde 1763 von einer Bremer Familie als erste Merchantbank der Welt gegründet, als Bank, die nicht Kundengelder einwirbt und Kredite vergibt, sondern als reine Investmentbank fungiert. Die Finanzierung von Transaktionen und der Handel an der Börse machten die Barings-Bank berühmt. 1806 kauften die jungen Vereinigten Staaten von Amerika den Franzosen mithilfe von Barings den Südteil Louisianas ab. Nur noch das Bankhaus Rothschild reichte damals an Barings heran. Ende des 20.Jahrhunderts hatte die Bank, die immer noch von der Familie Barings geführt wurde, zwar an Bedeutung eingebüßt, der Ruhm aber blieb. Bis sie am 26. Februar 1995 von der britischen Bankenaufsicht geschlossen wurde. Ein Hasardeur namens Nick Leeson hatte mit einem kleinen Team von sechs Mitarbeitern durch Spekulationen am Terminmarkt in Singapur 500 Millionen Pfund verloren. Die Manager der Barings-Bank hatten versagt. Drei Jahre lang waren ihre Kontrolleure den billigen Buchungstricks, mit denen Leeson seine Geschäfte verschleierte, nicht auf die Schliche gekommen.

Miuccia Prada

Der Anfang war lang und mühsam. Als Miuccia mit 29 Jahren in das Familienunternehmen einstieg, gab es die Firma Prada bereits seit über 50 Jahren. 1913 hatte ihr Großvater begonnen, in einer kleinen Werkstatt in Mailand Ledertaschen zu fertigen. Davon hatte die Familie unauffällig gelebt. Mit Miuccia als kreativem Kopf begann der Aufstieg. Sie entwickelte einen Stil, der eine ganze Generation modebewusster Gutverdiener beeinflusste und ihr einen spektakulären Erfolg bescherte. Ihre Nylontaschen mit dem Dreieck wurden zum Statussymbol. 1989 schickte sie ihre erste Damenkollektion über den Laufsteg, ein paar Jahre später bekleidete sie Männer von Japan bis Finnland. Heute ist Prada nicht nur Innbegriff teurer Kleidung, sondern auch Eigentümer anderer, einst eigenständiger Modehäuser wie etwa Jil Sander.

Cornelius Vanderbilt

Er gilt als Amerikas Eisenbahn-Tycoon – und hat doch nie einen Kilometer Schiene gebaut. Sein Vermögen machte er mit Dampfschiffen und kaufte erst im hohen Alter von 68 Jahren seine ersten Eisenbahn-Aktien. Eine Bahnlinie nach der anderen ging in sein Eigentum über, am Ende herrschte er über ein Schienennetz, das vor allem den Osten des Landes umspannte. Geizhals, Kriegsgewinnler, Ausbeuter: All das war Cornelius Vanderbilt, den sie Commodore nannten. Aber der ungebildete Mann mit den ungehobelten Manieren, der mit elf Jahren die Schule verlassen hatte, war auch ein Kaufmann mit dem untrüglichen Instinkt für die rentabelste Investition und die lukrativste Finanztransaktion. Und für den richtigen Zeitpunkt. Vom Segelschiff zum Dampfer, vom Wasser auf die Schiene, stets erkannte Vanderbilt seine Chance und griff zu. Als er 1877 im Alter von 82 Jahren starb, war er der wohl reichste Mann der USA. Einen „Eisenbahn-, Land-, Schlot- etc. Baron“ nannte ihn Friedrich Engels. Sein Denkmal hat sich der privatem Luxus abholde Vanderbilt selbst gesetzt: die imposante Grand Central Station im Herzen Manhattans.

Sir Basil Zaharoff

Woher seine Eltern kamen, wie er aufwuchs, weiß man bis heute nicht. Womit er sein Geld verdiente, dagegen schon: Basil Zaharoff, geboren 1849 in Anatolien als Basileios Zacharias, galt Anfang des vergangenen Jahrhunderts als mächtigster und reichster Waffenhändler Europas. "Verkäufer des Todes" nannte man ihn. Zaharoff handelte mit jedem, der Waffen brauchte, ob Engländer, Deutsche oder Franzosen. Sein Handwerk lernte er beim britischen Munitions- und Waffenhersteller Vickers, dessen Chef er schließlich wurde. Auch an Rüstungsschmieden wie Krupp oder Skoda soll er beteiligt gewesen sein. Genaueres ist unbekannt. Intrigen, Vertuschungen und Geheimverträge waren sein Geschäftsprinzip. Weil Zaharoff im Ersten Weltkrieg für die Engländer gegen die Deutschen spionierte, schlug ihn König George V. zum Ritter. Ruhe fand er dennoch nicht: Jahrzehntelang beschäftigte er aus Angst vor Attentaten mehrere Doppelgänger, Fotos von sich erlaubte Zaharoff erst kurz vor seinem Tod - 1936 in Monaco.

Happy End:

Folge 1: Der erste Konzern der Welt

 
28.02.03 09:20

Cosimo de’ Medici gab Macht ab, um seinen Einfluss zu vergrößern. Der Bankier des Papstes ist ein Vorbild für jeden modernen Vorstandschef

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© Foto: Rabatti-Domingie/AKG/Gemälde um 1518 von Jacopo Pontormo, Galeria degli Uffizi, Florenz
Am Morgen des 5. September 1433 erklimmt ein unauffällig gekleideter Mann mit auffällig gebogener Nase die Stufen des Palastes della Signoria in Florenz. Der Bankier Cosimo de’ Medici, 43 Jahre alt und von bescheidenem Auftreten, ist mit dem Hohen Rat der Stadt verabredet. Wieder einmal möchte er ein wenig Politik machen, wieder einmal höflich ein paar Anweisungen im Sinne seines Geldhauses erteilen. Er kommt nicht mal bis zur Tür. Bewaffnete Wächter nehmen ihn fest. Die Politik hat sich gegen die Medici gewandt.

Ein rivalisierender Clan, die Albizzi, hat die Ratsherren bestochen und erpresst. Cosimo de’ Medici findet sich in einer winzigen Zelle im Glockenturm des Palastes wieder. Einen Monat später müssen er und seine engsten Verwandten die Stadt verlassen. Die Medici werden für zehn Jahre nach Padua und Venedig verbannt, die Geschichtsschreiber der Zukunft, so scheint es, werden sich ihren Namen nicht merken müssen.

Und doch wird Cosimo de’ Medici wenig später sein Unternehmen zum größten Bank- und Handelshaus der Welt ausbauen. Seine Firmengruppe wird in Island und in Afrika vertreten sein. Seine Mitarbeiter werden über die Seidenstraße bis nach China reisen, seine Verwandten werden der Nachwelt die Kunst von Michelangelo und Botticelli schenken.

Jahrhunderte bevor das Wort Konzern überhaupt existiert, ist Cosimo de’ Medici die Hauptperson in einer Geschichte über finanzielle Größe und ökonomische Machtergreifung.

Aber was ist das Geheimnis seines Aufstiegs?

Zunächst einmal ist es ein Gemisch aus Bestechung und Beziehungen, doch das unterscheidet die Medici nicht von anderen Familien. Intrigen und Erpressung gehören im Florenz des 15. Jahrhunderts zum täglichen Geschäftsgebaren. Die Stadt ist ein kapitalistischer Frühentwickler. Nicht der grundbesitzende Adel oder die heilsversprechende Kirche dominieren die Politik, sondern das Geld. Seit Mitte des 13. Jahrhunderts wird in Florenz der goldene Florin geprägt, die stabilste und am weitesten verbreitete Währung in Europa. Mit mehr als 20 Bankhäusern ist die 50000 Einwohner zählende Metropole das finanzielle Zentrum Norditaliens, die Schalterhalle der Stadtrepubliken Genua und Venedig. Deren Fürsten und Kaufleute dominieren den Welthandel, den sie mit Geld finanzieren, das sie sich in Florenz leihen. Bei Cosimo de’ Medici.

Aus Florenz in die Welt

Schon wenige Monate nach der Verbannung gewinnt die Medici-Fraktion in Florenz die Oberhand zurück. Sie zahlen mehr, sie intrigieren besser als andere Familien, und als die Albizzi die Stadt Florenz auch noch in eine blutige und verlorene Schlacht gegen das Herzogtum Mailand führen, heben die Ratsherren die Verbannung auf.

Im September 1434 kehrt Cosimo in seine Heimatstadt zurück. Nun hat er die politische Ruhe, die er braucht, um seinen größten Wunsch zu realisieren: Wachstum bis an die Grenzen der damals bekannten Welt.

Ein wichtiger Helfer dabei wird ausgerechnet die Kirche.

Der Papst und die Medici – eine ungewöhnliche Allianz. Denn das Bankgeschäft der Frührenaissance weist einen entscheidenden Mangel auf: Unter der Herrschaft der Kirche ist der Wucher untersagt. Wer Geld verleiht, darf keine Zinsen kassieren. Das Schlupfloch in den Dogmen der Kurie ist die Auslandsniederlassung. Die Bezinsung von Krediten lässt sich durch die Ausstellung von Wechseln kaschieren, die an einem anderen Ort und in einer anderen Währung fällig werden. Für den Ausgleich eines etwaigen Wechselkursverlustes berechnet die Bank dem Kunden eine Risikogebühr. So macht sie Gewinn, und die Kirche ist trotzdem zufrieden. Die wiederum braucht selbst Berater und Buchhalter, und diese Aufgabe erfüllen seit 1410 die Medici. Denn 1410 wird der Neapolitaner und ehemalige Seeräuber Baldassare Cossa zum Papst gewählt, und der ist ein enger Freund von Cosimos Vater Giovanni di Bizzi de’ Medici. Von nun an ist das Unternehmen Medici das offizielle Bankhaus Seiner Heiligkeit.

Diesen Ehrentitel nutzt Cosimo zu einem geldwerten Vorteil: Aus den sieben Familienzweigen der Medici sucht er sorgfältig die zuverlässigsten Vettern aus, stattet sie mit Startkapital aus und schickt dann einen nach dem anderen hinaus, um in den Wirtschaftszentren Europas Filialen zu eröffnen. In einer Welt, in der sich die Macht des Mammons nur langsam gegen die Kraft der Kirche durchsetzt, verbindet er beide. Cosimo macht den Namen Medici zur Marke des guten Geldes, er positioniert sich als der persönliche Bankier des Allmächtigen, was seinen Vertretern den sofortigen Zutritt zu den lokalen Fürstenhöfen sichert. Der Markteintritt ist geschafft.

Geschenke für das Volk

Innerhalb weniger Jahre entstehen Niederlassungen in Pisa, Mailand, Basel, Genf, Lyon, Avignon, Brügge, Antwerpen und London. Schnell merken die Medici, dass sie noch mehr Geld verdienen können, wenn sie sich nicht auf Geldgeschäfte beschränken. Die geistigen Herrscher in Rom verlangen nach weltlichen Gütern: Seidentapeten und Brokat, Pelze, Silber und Juwelen. So wird die Bank zum Handelshaus.

Über die Niederlassungen in London, Antwerpen und Brügge bestellt Cosimo de’ Medici die Luxuswaren des Nordens und verlädt sie nach Rom. Aus Italien schafft er Pfeffer, Olivenöl und Zitrusfrüchte an die mittel- und nordeuropäischen Fürstenhöfe. Der Erfolg verselbstständigt sich. Ganz gleich, wonach es Grafen und Fürsten, Herzöge und Könige verlangt – Medici hat’s.

Immer wieder spielt Cosimo die Verbindung zum Papst aus. Vor allem, als er sich um das Recht bewirbt, Alaun abzubauen. Auf dem Boden der Kurie sind große Mengen dieses Kalium-Aluminium-Sulfats gefunden worden, das bis heute unerlässlich für das Färben von Stoffen und das Gerben von Leder ist. Der Pontifex gibt seinem Bankier den Zuschlag, und dessen Firmengruppe beherrscht fortan ein Kartell, das den Abbau von Alaun auf dem gesamten Kontinent kontrolliert.

Das Bank- und Handelshaus ist allgegenwärtig: Wer sich bei Medici in Florenz Geld leiht, um bei Medici in London Wolle einzukaufen, unterzeichnet einen Wechsel, der sechs Monate später bei der Medici-Bank in Brügge fällig wird. In den florentinischen Anlagen der Medici lässt der Kunde die Wolle verarbeiten und verkauft sie über die Medici-Filiale in Antwerpen an die Teppichweber von Flandern.

In den 1450ern erreichen die Medici einen Jahresumsatz, der den Reichtum mancher europäischer Staaten übertrifft. Ihr Unternehmen nimmt eine Dimension an, wie sie heute nur Weltkonzerne wie General Motors, Exxon-Mobil oder DaimlerChrysler haben.

Cosimos entscheidendes Mittel zum Erfolg ist dabei eine Strategie, die amerikanische Manager 500 Jahre später als neue Entdeckung feiern: Dezentralisierung. Oder anders gesagt: die Selbst-Entmachtung des Patriarchen.

Im Florenz des 13. und 14. Jahrhunderts sind die Medici zunächst nur eine von vielen erfolgreichen Bankiersfamilien. Jede dieser Familien hat ein Oberhaupt, den Patriarchen. Der ist persönlich haftender Gesellschafter des Unternehmens und absoluter Herrscher über die Sippe, die er nach der Devise regiert, dass nichts geschehe ohne sein Wort.

Cosimo de’ Medici denkt weiter, und er denkt modern. Kommunikation ist im 15. Jahrhundert mühsam, jede Depesche ist nur so schnell wie der beste Reiter auf dem besten Pferd. Die wirtschaftlichen Interessen des florentinischen Bankiers aber liegen längst außerhalb der Stadt. Also mindert er seine eigene Macht. Statt Geschäftsführer einzustellen, zu bezahlen und ihnen Anweisungen zu erteilen, die sie erst nach Wochen und Monaten erhalten, beteiligt Cosimo sie als Mitinhaber und gewährt ihnen größtmögliche Unabhängigkeit.

In der Villa Medici, dem prächtigen Firmensitz in der Via Larga in Florenz, arbeiten nicht mehr als zehn Männer in kleinen Stuben, ausgerüstet mit Federkielen und Rechenschiebern. Ihnen und seinen Managern draußen in der Welt überlässt Cosimo das Tagesgeschäft, während er selbst, oft die Nacht durcharbeitend, sich auf strategische Entscheidungen beschränkt, die Jahresabschlüsse kommentiert, die Limits für die Kreditvergabe festlegt oder zwischen marmorverkleideten Wänden europäische Fürsten empfängt, die Geld brauchen, um ihre Kriege zu finanzieren. So macht sich Cosimo de’ Medici zum ersten Vorstandschef der Wirtschaftsgeschichte. 1458 hält er Mehrheitsbeteiligungen an 13 Unternehmen, die alle seinen und den Namen eines Partners tragen. Jede Filiale der Bank und jedes der Industrieunternehmen agiert als juristisch eigenständige Firma.

Cosimo ist ein milder Chef und ein großzügiger Geschäftspartner. Im Gegenzug für unbedingte Loyalität und einen Arbeitseifer, den man ein Jahrhundert später als protestantisch bezeichnet hätte, bezahlt er vergleichsweise üppige Gehälter. Giovanni Amerigo de’ Benci beispielsweise, der 1409 als Schreiber in der Bank in Florenz anfängt, arbeitet sich bis ganz an die Spitze und wird gleichberechtigter Partner in der Holding. Er stirbt 1455 als einer der reichsten Männer in Florenz. Eine Art von Karriere, wie sie selbst heute selten wäre.

Die Erfahrung des Putsches der Albizzi im September 1433 hat Cosimo de’ Medici gezeigt, wie gefährdet seine Rolle als Prinz von Florenz ist. Er fängt an, seine Position durch enorme Großzügigkeit zu festigen und schenkt seiner Heimatstadt kolossale Bauwerke. Filippo Brunelleschis Kuppel auf der Santa Maria del Fiore zum Beispiel dient nicht nur dazu, den besten Kunden der Bank, den Heiligen Stuhl, zufrieden zu stellen, sondern hilft auch, die Stadt für die Medici einzunehmen.

Zwischen 1434 und 1471 geben „der Alte“ und seine Nachfahren insgesamt 663755 Florin für öffentliche Bauten, die Förderung von Künstlern und die Erweiterung ihrer Bibliothek aus, damals die größte Schriftsammlung der Welt. Viel Geld, wenn man bedenkt, dass im Florenz des 15. Jahrhunderts schon 150 Florin ausreichten, um ein Jahr lang in einem kleinen Haus mit Garten großzügig zu leben.

Das unternehmerische Genie in Cosimo de’ Medici lässt sich am schnellen Niedergang ablesen, den die Familie unter der Herrschaft des Enkels Lorenzo des Prächtigen erlebt. Durch seine Förderung von Michelangelo und Botticelli sponsert er zwar die Entstehung der vielleicht größten Meisterwerke der Kunstgeschichte, aber Sinn fürs Geschäftliche hat er nicht. Noch vor Lorenzos Tod 1492 geht das Lebenswerk von Cosimo de’ Medici unter.

Happy End:

Folge 2: Neues vom "roten Mohn"

 
06.03.03 13:32

Wie Bertelsmann vom Familienbetrieb zum Weltkonzern aufstieg

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Gütersloh im Jahr 2003: Reinhard Mohn, der 81-jährige Patriarch, ändert sein Vermächtnis. Seine Ehefrau Liz und die Kinder bekommen das Sagen bei Bertelsmann – und angestellte Manager eins auf die Hörner. Genauer gesagt: drei. In einem Buch, einem Sonderdruck und einem harschen Zeitungsbeitrag schimpft Mohn auf ihre Eitelkeit. Treffen will er vor allem Exchef Thomas Middelhoff, doch getroffen fühlt sich eine ganze Managergeneration. Aufsichtsratschef Gerd Schulte-Hillen entscheidet sich zum Unerhörten und erteilt Mohn im Spiegel den Ratschlag, „seine Ideen weiter auszudifferenzieren“; die Manager seien „irritiert“.

Ein erfolgreicher Kapitalist hat umgedacht – na und? Tatsächlich rüttelt Mohn am eigenhändig gegossenen Fundament seines Weltkonzerns. Stets wollte er ein besonderes Verhältnis zu den Mitarbeitern schaffen und für Kontinuität sorgen.

Gütersloh im Jahr 1951: Reinhard Mohn, der 30-jährige Mann an der Firmenspitze, schläft schlecht, wie er sagt. Seine ersten Unternehmerjahre sind ein verbissener Kampf mit den Behörden, den Banken, der Branche. Der Buchmarkt in der Bundesrepublik wird neu aufgeteilt, und Mohn will ein möglichst großes Stück vom Kuchen. Deshalb hat Vertriebsleiter Fritz Wixforth den Lesering entwickelt, der einmal Buchclub heißen wird. Bundesweit werben die Vertreter um Mitglieder; sie sind aggressiv und wenden mitunter üble Tricks an. Die etablierten Buchverleger verachten den Billiganbieter aus dem Westfälischen. Noch 30 Jahre später wird Bertelsmann unter dem Image der wadenbeißerischen Firma vom Lande leiden. Aktuell hat Mohn ein anderes Problem: Dem schnell wachsenden Mittelstandsbetrieb droht das Geld auszugehen. Mit immer höheren Auflagen muss das Unternehmen in Vorleistung gehen, doch die Banken wollen die Expansion im Turbotempo nicht finanzieren. Und vom Gewinn der Vorjahre ist wenig übrig, weil der Staat fast 90 Prozent Steuern kassiert. Mohn muss die Werbung streichen. Aber eines will er keinesfalls: zuschauen, wie sich Konkurrenten des Marktes bemächtigen.

Einen solchen Härtetest hatten fast alle dynamischen Unternehmer der Nachkriegszeit zu bestehen, von Neckermann über Grundig bis Borgward. Mohn gab die originellste Antwort: Er verschenkte den Gewinn der elterlichen Firma an die Mitarbeiter. Wie er nur könne, empörten sich Wirtschaftsführer der jungen Republik. Sie beschimpften den Kollegen aus der Provinz als „roten Mohn“. Das war falsch, weil Reinhard Mohn ungefähr so rot ist wie die mondlose Nacht. Und es war dumm, wie Mohn sagt, weil „die anderen das schlechtere Geschäft gemacht haben“.

„Damals waren wir nicht wählerisch“, sagt Reinhard Mohn

In der Not hatte er mit seinen Mitarbeitern eine „langfristig gewinnträchtige Maßnahme“ ausbaldowert. Während die Firma immense Gewinnsteuern zu zahlen hatte, mussten die Mitarbeiter eigene Anteile nur minimal versteuern. Sie erhielten also den Profit – und gaben ihn Bertelsmann zurück als Darlehen für läppische zwei Prozent Zinsen im Jahr. Erst im Pensionsalter durften sie ihr Kapital abziehen. 1955 hatte jeder Mitarbeiter durchschnittlich 12000 Mark angesammelt. Und Bertelsmann war nicht mehr zu stoppen.

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© Bertelsmann Stiftung
Der junge Reinhard Mohn war Offizier in Rommels Afrika-Korps gewesen – und dann Kriegsgefangener im amerikanischen Bundesstaat Kansas. Schon in der Wüste hatte er gelernt, dass Menschen mehr leisten, wenn sie nicht herumkommandiert, sondern motiviert werden. Wettbewerb und eigenverantwortliches Handeln – diese Prinzipien aus der neuen Welt leuchteten ihm ein.

Eigentlich hatte Mohn Ingenieur werden sollen. Doch die Universitäten in der Heimat waren geschlossen, und sein Vater, der im Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten mit kriegsbegeisternden Schriften en masse beliefert hatte, konnte Bertelsmann unter den Alliierten nicht mehr führen. Also übernahm Reinhard. „Damals waren wir nicht wählerisch“, sagt er heute dazu.

Den Pietismus der Eltern teilte er nicht. Die Religion werde ihm helfen, hatte die Mutter versprochen. Also probierte der „Homo Faber“ es aus und betete vor der Lateinarbeit. Der Note half es nicht – Gott war durchgefallen. Aber ein anderer Teil aus der Familientradition schien zu funktionieren: der pragmatische Gemeinsinn. Schon 1887 hatte Bertelsmann eine Invaliden- und Altersversorgungskasse gegründet, in die Firma und Angestellte zu gleichen Teilen einzahlten. Auch sonst halfen die Gütersloher Familienunternehmer in Not geratenen Mitarbeitern und banden sie mit Treueprämien ans Haus. Paternalismus zwecks Entmündigung des Proletariats oder die Wahrnehmung der sozialen Verantwortung des Unternehmers – wie immer man es sah, Mohn blieb prinzipientreu, als er es nicht mehr nötig hatte. Als so genannter Tendenzbetrieb war Bertelsmann von der Mitbestimmung befreit, doch der Chef ließ Angestellte Einfluss nehmen. Seit 1974 konnten Mitarbeiterversammlungen in den Druckereien sogar Entscheidungen der Abteilungsleiter vorübergehend außer Kraft setzen. Ein Unternehmen dürfe nicht immer auf den Staat warten, befand der Patriarch, sondern müsse selbst Sozialmodelle entwickeln.

Bertelsmanns Aufstieg zum zweitgrößten Medienkonzern der Welt kann man auf zwei Arten erzählen. Die eine ist die äußere Geschichte. Wie der Lesering schon 1954 das millionste Mitglied warb und es 1960 auf drei Millionen Kunden bringt. Wie die Druckereien expandieren und ein Schallplattenring gegründet wird. Wie Mohn 1962 den ersten ausländischen Buchclub in Spanien hochzieht. Wie er die Berliner Filmfirma Ufa übernimmt und Ende der sechziger Jahre in den Hamburger Zeitschriftenverlag Gruner+Jahr einsteigt. Wie Bertelsmann unter dem Topmanager Mark Wössner Buchverlage in Amerika kauft und sich am privaten Fernsehsender RTL beteiligt. Wie mit der Bertelsmann Music Group ein globaler Plattenproduzent entsteht. Wie Zeitungen in Osteuropa hinzukommen und schließlich Internet-Unternehmen. Wie Bertelsmann unter Thomas Middelhoff Anteile an AOL kauft und mit Milliardengewinn wieder abgibt, wie es mit anderen Netzfirmen wie der Musiktauschbörse Napster oder dem globalen Medienshop BOL Milliarden verliert. Wie Middelhoff 2002 geschasst wird und Nachfolger Gunter Thielen nun versucht, die Kosten zu senken.

Spannender ist die zweite, die innere Geschichte.

Unter dem Titel Menschlichkeit gewinnt hat Mohn vor drei Jahren seine Erfahrungen summiert. Besser hätte er geschrieben: Menschlichkeit schafft Gewinn. Mitarbeiter wollen eine Chance für sich, und Bertelsmann gab sie ihnen. Schon 1959 wurde das Unternehmen in Profit-Center zerlegt. Deren Chefs handelten für damalige Verhältnisse höchst eigenständig und wurden am Erfolg ihrer Einheit gemessen. Sie sollten selbst kleine Unternehmer sein. Damit sie nicht flunkerten, wurde ein detailliertes Berichtswesen entwickelt. Einen Fehler hatten sie gut, aber wer mehrfach zum Schaden der Firma entschied, sollte gehen. Bis heute glaubt Reinhard Mohn, dass sich jede Leistung messen lasse. Man muss es nur wollen. Daher ließ er die Mitarbeiter frühzeitig befragen, wie zufrieden sie seien. Seit es Bertelsmann gut ging, hat die Firma gut gezahlt und die freiwilligen Sozialleistungen ausgebaut. Im Jahr 1970 folgte ein allgemeines Gewinnbeteilgungs- und Vermögensbildungsmodell. Die Idee: Die Eigentümer erhalten eine Mindestverzinsung aufs Kapital, dann wird der Rest zwischen ihnen und den Mitarbeitern halbiert.

Mohn zieht persönliche Erfahrungen ins Prinzipielle. Aus der Anfangszeit nahm er mit, dass die richtige Führung wichtiger sei als Kapital. In Gütersloh sollen Chefs ihre Mitarbeiter fördern und gewähren lassen; sie sollen ein Vorbild an Einsatzkraft und Bescheidenheit zugleich sein. Künftige Führungskräfte werden als junge Leute identifiziert und auf die Aufgabe vorbereitet. Der Zufall kann woanders regieren. 1980 verabschiedeten Gesellschafter, Vorstand und Betriebsrat gemeinsam die neue Unternehmensverfassung, in der Mohns Ideen festgeschrieben wurden. Aus den rauen Anfängen war ein auf Dauer angelegtes Unternehmen gewachsen.

In den frühen neunziger Jahren drängt die Branche den Medienriesen aus Westfalen, endlich ein Hollywood-Studio zu kaufen. Diese Provinzler würden den Markt nicht begreifen, hieß es. Doch die Bertelsmann-Chefs beherrschten die Kunst, nein zu sagen. Sollten sich die Japaner die Finger in Hollywood verbrennen, ihrer Rechnung nach waren die verfügbaren Filmfirmen zu teuer.

„Wenn ich sehe, dass etwas der Aufgabe dient, mache ich es“

Der Eigentümer selbst gehorchte den Hausregeln und wechselte mit 60 an die Spitze der Stiftung, die er selbst gegründet hatte und der er die Mehrheit an Bertelsmann übertrug. Die Stimmrechte behielt er. Seine „Unternehmenskultur“ funktionierte, weil viele Manager an sie glaubten. Man war Teil eines besonderen Unternehmens, was immer die Welt sagen mochte.

Nie war Mohn der demokratische Führer gewesen, den seine Bücher erwarten lassen. Mitbestimmung war schön, aber mit den wichtigen Problemen beschäftigte er sich allein auf langen Spaziergängen – und kam dann, wie er sagt, mit einem „Block voller Lösungen“ zurück. Egal, in Gütersloh wurde der Alte als eine Art wohlmeinender Herrscher geachtet und akzeptiert. Er hätte sich als reichster Mann der Welt feiern lassen können, wenn er Bertelsmann an die Börse gebracht oder mit AOL verschmolzen hätte. „Reichtum war nie mein Ziel“, sagt er dazu. Mitarbeiter erkannten in der puritanischen Grundhaltung durchaus eine eigene Art von Eitelkeit – sie wurde ihm gegönnt. Schon etwas mehr Unwillen hat es Mohn eingetragen, dass er es zuließ, wenn unliebsam gewordene Weggefährten aus der Firmengeschichte gestrichen wurden. Über die Leistungen des erfolgreichen Exchefs Mark Wössner beispielsweise wird in Gütersloh offiziell nicht mehr gesprochen; er enttäuschte Mohn, als er an der Spitze der Stiftung eigene Wege einschlug. Doch die meisten Bertelsmänner konnten mit den historischen Interpretationen der Familie Mohn leben – und damit, dass die Nachkriegsgeschichte der Firma nie aufgearbeitet wurde. Schließlich ging es auch dem Patriarchen um die Kontinuität der Firma. Deshalb übergab er die Stimmrechte 1999 einer neuen „Verwaltungsgesellschaft“, an deren Spitze fünf „Unternehmer“ aus dem Hause Bertelsmann und anderen Firmen neben zwei Mitgliedern der Familie Mohn und einem Vertreter der Arbeitnehmer das Sagen hatten – ein Schritt weg von der Macht.

„Wenn ich sehe, dass etwas der Aufgabe dient, dann mache ich es“, sagt Mohn, wobei es nicht die „Aufgabe“ ist, kurzfristig den Gewinn zu maximieren, sondern nützliche Produkte zu verkaufen und dauerhafte Arbeitsplätze anzubieten.

Nun hat der Prinzipienreiter Mohn noch einmal umgedacht – und daraus ein Prinzip gemacht. Gegen die Familie darf die Verwaltungsgesellschaft nichts mehr entscheiden. Vorbei die Zeit, da er das Vertrauen in die Mitarbeiter beschwor. Vorbei die Zeit, da er sich selbst große Menschenkenntnis zubilligte: „Sie müssen eine Begabung haben zum Beurteilen von Menschen.“ Nun misstraut Mohn angestellten Managern. Darunter sind aber auch jene, die seinem System der Offenheit und Lernbereitschaft vertrauten. Für „Menschlichkeit“ im Mohnschen Sinne soll fortan die Familie sorgen. Und 80000 Mitarbeiter in mehr als 50 Ländern wissen nicht mehr so genau, was sie glauben sollen.

BRAD PIT:

Happy. Hab leider keine Zeit und Lust so lange

 
06.03.03 13:36
Artikel zu lesen.

Malst du mir kurz auf, was da oben steht?


lol
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