Artnet scheint altes Versprechen einzulösen - und stark zu wachsen
Weit abseits der großen Aktienindizes hat sich das Papier von Artnet binnen Jahresfrist um 500 Prozent verteuert. Allein in der vergangenen Woche ging es bei deutlich gestiegenen Umsätzen um bis zu fast 50 Prozent auf 5,68 Euro nach oben - bevor die Gewinne weitgehend mitgenommen wurden und die Aktie wieder auf bis gut vier Euro absackte. Am Montag aber steigt der Kurs um zwölf Prozent auf 4,57 Euro. Das lange Zeit ums Überleben kämpfende Unternehmen hatte zuvor gute Nachrichten geliefert und einen Halbjahresgewinn von gut 701.000 Dollar oder 10,6 Cent je Aktie gemeldet sowie einen zuversichtlich klingenden Ausblick gegeben.
Die deutsche Artnet AG betreibt von New York einen virtuellen Marktplatz für Kunst. Kernprodukt ist das „online Gallery Network”, das die Internetauftritte von mehr als 1000 Galerien auf der Welt bündelt. Hinzu kommt die „Fine Art Auctions Database”, die umfassende illustrierte Informationen zu verkäuflichen Kunstobjekten bietet und abonniert werden kann.
Im FAZ.NET-Interview sagt Vorstandschef und Großaktionär Hans Neuendorf, wie die Artnet nach Jahren in den roten Zahlen die Gewinnschwelle überschritten hat und wie sie zu steigenden Umsätzen kommt. Zudem begründet er den Optimismus, ein früheres Versprechen sechs Jahre nach dem Börsengang einzulösen - und weiter zu wachsen.
Warum ist die Aktie im Laufe der vergangenen Woche so stark gestiegen?
Wir haben nichts Neues bekanntgegeben, das den Kurs hätte bewegen können. Insofern ist der Kursanstieg vielleicht eine verspätete Reaktion auf artnets sehr positive Halbjahreszahlen, die im Verlauf dann eine spekulative Dynamik ausgelöst hat.
Artnet ist zwischenzeitlich mit dem Siebenfachen des Jahresumsatzes 2004 bewertet worden. Auch wenn das Unternehmen wächst: Ist das aus Ihrer Sicht nicht zu hoch?
(lacht) Das muß allein die Börse beurteilen. Man ist ja immer wieder überrascht, was die Börse so macht.
Ihr Unternehmen hatte vor drei Jahren noch von der Hand in den Mund gelebt, wie sie seinerzeit eingestanden hatten. Doch im ersten Halbjahr 2005 sind die Erlöse um 29 Prozent auf 3,838 Millionen Dollar gestiegen. Zudem hat Artnet einen Gewinn von 701.000 Dollar ausgewiesen. Wie haben Sie das geschafft?
Wir haben in allen Bereichen um mehr als 20 Prozent zugelegt. Mit dem Galerienetzwerk haben wir nachhaltig Erfolg, weil unsere Idee sich endlich durchsetzt. Mit dem Preisdatenspeicher erreichen wir ein zunehmend breiteres Publikum. Dabei macht sich auch die Kooperation mit Sothby's bemerkbar. Zudem verzeichnen wir ein überproportionales Wachstum bei den Werbeeinnahmen.
Worauf führen Sie diesen Aufwärtstrend zurück?
Das liegt an der gestiegenen Zahl von Besuchern und Seitenaufrufen. Wir haben inzwischen 2,6 Millionen Besucher im Monat auf unserer Internetseite. Damit ist artnet jetzt interessant für große Anzeigenkunden geworden und die Einnahmen für Bannerwerbung bekommen einen starken Schub nach oben. Das wird man noch deutlicher in den Zahlen für 2006 sehen.
Entrichten die Nutzer Ihrer Internetseite eine Gebühr oder wie kommen Sie zu Umsätzen?
Für den Preisdatenspeicher - unser ältestes Produkt, das von praktisch allen im Kunsthandel benutzt wird - gibt es Abonnements. Die Höhe des Preises richtet sich nach der Zahl der Zugriffe. - Das Galerienetzwerk besteht inzwischen aus mehr als 1.200 Websites von Galerien, die für die Präsenz bei uns bezahlen. Die Zahl ist viermal so hoch wie die Zahl der Aussteller bei der Basler Kunstmesse. Einen größeren Marktüberblick gibt es im Kunstmarkt nicht und mit jeder zusätzlichen Galerie wird das Netzwerk nützlicher und attraktiver für alle Beteiligten. Dadurch vereinfacht und beschleunigt sich die Akquisition. Der Zugriff für Besucher ist kostenlos.
Und wie abhängig ist Artnet von Werbung?
Die Werbung macht bisher rund ein Sechstel der Umsätze aus, also den kleinsten Teil der Erlöse. Hier sehen wir noch Steigerungsmöglichkeiten. Denn bei der Online-Werbung geht in Amerika breit nach oben. Und dieser Trend dürfte anhalten.
Wieviel Geld hat Artnet derzeit in der Kasse?
Aktuell sind es gut 900.000 Dollar. Wir stehen jetzt fester auf unseren Füßen als noch vor zwei, drei Jahren.
Wie hoch soll denn der Jahresgewinn 2005 ausfallen?
Ich kann hier keine Voraussage treffen, aber eines sagen: Wir haben ein aggressives Budget. Wir liegen augenblicklich über dem Budget, und es sieht so aus, als ob die Entwicklung stetig weitergeht.
Der Jahresgewinn wird also über dem Halbjahresergebnis liegen?
Ja sicher - natürlich! Wenn es nach unserer Planung, können Anleger für die nächsten Jahre mit dem gleichen Wachstum rechnen, das wir zuletzt im Halbjahresvergleich hatten. Vielleicht wird es sogar mehr.
Dann bewegt sich Artnet als ehemaliger Neuer-Markt-Wert mittlerweile tatsächlich in einem Wachstumsmarkt?
Ganz sicher sogar.
Die starken Kurssprünge legen den Verdacht nahe, daß auch angesichts des geringen Börsenwerts von Artnet immer wieder Zocker die Aktie am Wickel haben. Beschäftigt Sie dieser Punkt?
Es kann sein, daß Zocker sich mit Artnet beschäftigen. Ich weiß es aber nicht. Und tun kann ich gegen so etwas ohnehin nichts. Das ist die Natur der Börse. Zudem rege ich mich über Kursbewegungen nicht auf. Denn ich verkaufe sowieso keine Aktien von Artnet.
Sie haben jahrelang kein Gehalt bezogen. Hat sich das geändert oder arbeiten Sie immer noch für Luft und Liebe zu Artnet?
Ja, seitdem wir im vergangenen Jahr die Gewinnschwelle überschritten habe, beziehe ich ein Gehalt. Und zwar in der Höhe von 250.000 Euro im Jahr.
Die Fragen stellte Thorsten Winter
Text: @thwi