Bewertung der Börsen noch nicht überzogen
Analysten halten Mitteleuropa für attraktiv
Die Aktienmärkte in den neuen EU-Staaten Mitteleuropas präsentieren sich in starker Verfassung. Die Kurse ziehen seit Monaten rasant an; Verluste in New York oder Tokio sorgen allenfalls für vorübergehende und leichte Dämpfer.
HB DÜSSELDORF/WARSCHAU. Wiederholt haben die Indizes an den Börsen in Warschau, Prag und Budapest in den vergangenen Wochen ihre Rekorde gebrochen. Seit Mai stieg der Bux in Budapest um 30 Prozent, der Warschauer Wig-20 um 23 Prozent und der Prager PX-50 um 19 Prozent. Analysten erwarten, dass der Trend anhält und sehen noch gute Einstiegschancen.
Für Fondsmanager wie Abdallah Guezour von Schroders ist das hohe Wirtschaftswachstum in den neuen EU-Staaten ein wichtiger Grund für den Optimismus. Nach Auffassung des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) wird das Bruttoinlandsprodukt in Polen, Tschechien und Ungarn in diesem Jahr um durchschnittlich 3,6 Prozent zunehmen. Das ist zwar etwas weniger als im Vorjahr, liegt aber immer noch erheblich über den mageren Wachstumsraten westlicher Staaten der Europäischen Union (EU). Die wirtschaftliche Stärke der mitteleuropäischen Länder zeigt sich auch daran, dass sie mit technisch hochwertigen Exportgütern zunehmend auf westliche Märkte vordringen.
„Für westliche Anleger bietet sich außerdem die einmalige Gelegenheit, von der Annäherung der Währungen und Zinsen zwischen West- und Zentraleuropa zu profitieren“, fügt Guezour hinzu. Chancen sieht er daher bei mitteleuropäischen Anleihen und Währungen. Entscheidend sei, dass Länder wie Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei ihre Staatshaushalte weiter reformierten. Doch das WIIW geht davon aus, dass gerade dies noch einiger Kraftanstrengungen der Regierungen bedarf. Guezour macht seine Prognose zudem davon abhängig, dass die Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit halten, „um für Kapital aus dem Ausland attraktiv zu bleiben“.
„Die starken Zuwächse der letzten Jahre basieren auf einer sehr starken Gewinndynamik“, sagt Matthias Siller, Osteuropa-Experte bei Raiffeisen Capital Management in Wien. Daher seien die dort notierten Aktien noch nicht wirklich teuer geworden. „Die Bewertung dieser Börsen ist noch nicht überzogen“, sagt Siller. Auch der Konvergenzprozess, also die Annäherung der mitteleuropäischen Länder an westliche Zins-, Inflations- und Defizitniveaus, hält er für nicht abgeschlossen. Siller stellt fest: „Die klassische Zinskonvergenz ist nicht so schnell vorangeschritten wie zuvor gedacht.“
Etwas zurückhaltender sind die Experten der Schweizer Bank UBS. Immerhin hätten sich Polen, Ungarn und Tschechien mit ihren institutionellen Strukturen größtenteils an die westlichen Industriestaaten angenähert, heißt es in einer Studie des Instituts. „Aber gerade bei den Realzinsen bleibt noch Konvergenzpotenzial.“
Fragt man Analysten internationaler Fondsgesellschaften nach Papieren, die für westliche Anleger attraktiv sind, dann verweisen sie mit Blick auf Polen vor allem auf Kraftstoffkonzern PKN Orlen, die Bank PKO BP, die polnische Telekomgesellschaft TPSA und den Kupferkonzern KGHM. Weitere Belebung, so heißt es, dürfte die Warschauer Börse auch durch die Teilprivatisierung des Gasmonopolisten PGNiG im September erfahren. Für Tschechien verweisen die Fachleute insbesondere auf den Benzinkonzern Unipetrol, die Cesky Telekom, den Stromverteiler CEZ und die Erste Bank, für Ungarn auf die Magyar Telekom, den Ölkonzern MOL und die Bank OTP.
Das Risiko eines Engagements in Mitteleuropa sehen Analysten als relativ gering an. „Das Länderkreditrisiko dieser Staaten ist niedrig“, heißt es bei der UBS. Die Abschläge auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis polnischer und ungarischer Aktien sänken. Tschechische Aktien würden sogar mit einem Aufschlag gehandelt, meint die UBS.
Raiffeisen-Experte Siller sieht allerdings drei Risikofaktoren. Dazu zählt er insbesondere die sehr hohen Leistungsbilanzdefizite dieser Länder. In Tschechien, betont er, werde das Defizit aber fast komplett durch ausländische Direktinvestitionen abgedeckt. In Ungarn jedoch könne der hohe Fehlbetrag eine Währungsanpassung auslösen.
Für die kommenden Jahre hält Siller eine „Wachstumspause an diesen Börsen“ für möglich. Denn bisher hätten die Ergebnisse über den Erwartungen der Investoren gelegen. Enttäuschungen etwa bei Energiewerten „könnten die Investoren vor den Kopf stoßen“. Ein weiteres Risiko liege in steigenden Langfristzinsen in den USA. Dies könne die Verlagerung von Anlagekapital in den Dollarraum auslösen.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 24. August 2005, 13:34 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Analysten halten Mitteleuropa für attraktiv
Die Aktienmärkte in den neuen EU-Staaten Mitteleuropas präsentieren sich in starker Verfassung. Die Kurse ziehen seit Monaten rasant an; Verluste in New York oder Tokio sorgen allenfalls für vorübergehende und leichte Dämpfer.
HB DÜSSELDORF/WARSCHAU. Wiederholt haben die Indizes an den Börsen in Warschau, Prag und Budapest in den vergangenen Wochen ihre Rekorde gebrochen. Seit Mai stieg der Bux in Budapest um 30 Prozent, der Warschauer Wig-20 um 23 Prozent und der Prager PX-50 um 19 Prozent. Analysten erwarten, dass der Trend anhält und sehen noch gute Einstiegschancen.
Für Fondsmanager wie Abdallah Guezour von Schroders ist das hohe Wirtschaftswachstum in den neuen EU-Staaten ein wichtiger Grund für den Optimismus. Nach Auffassung des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) wird das Bruttoinlandsprodukt in Polen, Tschechien und Ungarn in diesem Jahr um durchschnittlich 3,6 Prozent zunehmen. Das ist zwar etwas weniger als im Vorjahr, liegt aber immer noch erheblich über den mageren Wachstumsraten westlicher Staaten der Europäischen Union (EU). Die wirtschaftliche Stärke der mitteleuropäischen Länder zeigt sich auch daran, dass sie mit technisch hochwertigen Exportgütern zunehmend auf westliche Märkte vordringen.
„Für westliche Anleger bietet sich außerdem die einmalige Gelegenheit, von der Annäherung der Währungen und Zinsen zwischen West- und Zentraleuropa zu profitieren“, fügt Guezour hinzu. Chancen sieht er daher bei mitteleuropäischen Anleihen und Währungen. Entscheidend sei, dass Länder wie Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei ihre Staatshaushalte weiter reformierten. Doch das WIIW geht davon aus, dass gerade dies noch einiger Kraftanstrengungen der Regierungen bedarf. Guezour macht seine Prognose zudem davon abhängig, dass die Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit halten, „um für Kapital aus dem Ausland attraktiv zu bleiben“.
„Die starken Zuwächse der letzten Jahre basieren auf einer sehr starken Gewinndynamik“, sagt Matthias Siller, Osteuropa-Experte bei Raiffeisen Capital Management in Wien. Daher seien die dort notierten Aktien noch nicht wirklich teuer geworden. „Die Bewertung dieser Börsen ist noch nicht überzogen“, sagt Siller. Auch der Konvergenzprozess, also die Annäherung der mitteleuropäischen Länder an westliche Zins-, Inflations- und Defizitniveaus, hält er für nicht abgeschlossen. Siller stellt fest: „Die klassische Zinskonvergenz ist nicht so schnell vorangeschritten wie zuvor gedacht.“
Etwas zurückhaltender sind die Experten der Schweizer Bank UBS. Immerhin hätten sich Polen, Ungarn und Tschechien mit ihren institutionellen Strukturen größtenteils an die westlichen Industriestaaten angenähert, heißt es in einer Studie des Instituts. „Aber gerade bei den Realzinsen bleibt noch Konvergenzpotenzial.“
Fragt man Analysten internationaler Fondsgesellschaften nach Papieren, die für westliche Anleger attraktiv sind, dann verweisen sie mit Blick auf Polen vor allem auf Kraftstoffkonzern PKN Orlen, die Bank PKO BP, die polnische Telekomgesellschaft TPSA und den Kupferkonzern KGHM. Weitere Belebung, so heißt es, dürfte die Warschauer Börse auch durch die Teilprivatisierung des Gasmonopolisten PGNiG im September erfahren. Für Tschechien verweisen die Fachleute insbesondere auf den Benzinkonzern Unipetrol, die Cesky Telekom, den Stromverteiler CEZ und die Erste Bank, für Ungarn auf die Magyar Telekom, den Ölkonzern MOL und die Bank OTP.
Das Risiko eines Engagements in Mitteleuropa sehen Analysten als relativ gering an. „Das Länderkreditrisiko dieser Staaten ist niedrig“, heißt es bei der UBS. Die Abschläge auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis polnischer und ungarischer Aktien sänken. Tschechische Aktien würden sogar mit einem Aufschlag gehandelt, meint die UBS.
Raiffeisen-Experte Siller sieht allerdings drei Risikofaktoren. Dazu zählt er insbesondere die sehr hohen Leistungsbilanzdefizite dieser Länder. In Tschechien, betont er, werde das Defizit aber fast komplett durch ausländische Direktinvestitionen abgedeckt. In Ungarn jedoch könne der hohe Fehlbetrag eine Währungsanpassung auslösen.
Für die kommenden Jahre hält Siller eine „Wachstumspause an diesen Börsen“ für möglich. Denn bisher hätten die Ergebnisse über den Erwartungen der Investoren gelegen. Enttäuschungen etwa bei Energiewerten „könnten die Investoren vor den Kopf stoßen“. Ein weiteres Risiko liege in steigenden Langfristzinsen in den USA. Dies könne die Verlagerung von Anlagekapital in den Dollarraum auslösen.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 24. August 2005, 13:34 Uhr
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Der Einsame Samariter