Der Kurs eines Optionsscheins setzt sich stets aus zwei Bestandteilen zusammen: Dem "Inneren Wert" und dem "Zeitwert".
Der innere Wert Der innere Wert eines Optionsscheins ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Basispreis und dem Kurs des Basiswertes, wobei das Bezugsverhältnis als Faktor zu berücksichtigen ist. Man unterscheidet drei verschiedene mögliche Zustände des Optionsschein bezüglich seines Basiswertes:
"In the money" oder "Im Geld"
Ein Optionsschein besitzt einen inneren Wert, wenn beim Call (Put) der aktuelle Kurs des Basiswertes über (unter) dem Basispreis liegt. In diesem Fall sagt man, der Optionsschein ist "im Geld".
"At the money" oder "Am Geld"
Sind Basispreis und aktueller Kurs identisch, hat der Optionsschein keinen inneren Wert. Man sagt, der Optionsschein ist "am Geld".
"Out of the money" oder "Aus dem Geld"
Ebenfalls keinen inneren Wert hat ein Optionsschein, wenn der aktuelle Kurs des Basiswertes unter dem Basispreis eines Calls (bzw. über dem Basispreis des Puts) liegt.
Bezogen auf unser eingeführtes Beispiel läßt sich unser innerer Wert wie folgt berechnen:
Innerer Wert = (aktueller Basiskurs - Basispreis) x Bezugsverhältnis =
= (EUR 315,00 - EUR 300,00) x 0,1 = EUR 1,50
Der innere Wert drückt den „wirklichen“ Wert des Warrant aus. Eine Aktie kostet EUR 315, mit zehn Optionsscheinen bekäme man sie für EUR 300, also haben zehn Optionsscheine den tatsächlichen Wert von EUR 15, ein Schein folglich EUR 1,50. Wir sehen aber bereits, daß unser Optionsscheinkurs bei weitem nicht EUR 1,50, sondern EUR 6,00 beträgt. In der Praxis liegt der Kurs eines Optionsscheins in der Mehrzahl der Fälle deutlich über seinem inneren Wert, er wird also mit Aufgeld gehandelt.
Der Zeitwert
Zu Beginn unserer Einsteigerserie haben wir festgestellt, daß der Gutschein „2 DM für einen Cheeseburger“ nicht völlig wertlos ist, auch wenn der Cheeseburger aktuell nur DM 1,50 kostet. Denn es ist ja möglich, daß der „Kurs“ des Cheeseburgers wieder über DM 2 steigt, und dann hätte der Gutschein wieder einen echten Wert. Ähnlich ist es bei Optionsscheinen: auch wenn ein Optionsschein keinen "echten" - sprich inneren Wert - besitzt, bekommt man ihn natürlich nicht geschenkt, sondern man muß den sogenannten Zeitwert des Optionsscheines bezahlen.
Je kürzer die verbleibende Zeit bis zum Verfalltag wird, desto niedriger wird der Zeitwert, da mit abnehmender Restlaufzeit natürlich auch die Wahrscheinlichkeit für eine günstige Preisänderung beim Basiswert sinkt. Wegen der damit abnehmenden Gewinnchance für den Käufer des Optionsscheins haben Optionsscheine mit kürzeren Restlaufzeiten (bei gleichem Basiswert und gleichem Basispreis) in der Regel niedrigere Zeitwerte als solche mit längerer Laufzeit. Am letzten Tag der Laufzeit schließlich besteht der Kurs des Optionsscheins nur noch aus seinem inneren Wert. Scheine, die dann immer noch „aus dem Geld“ sind, verfallen wertlos, da sowohl Zeitwert als auch innerer Wert gleich null sind.
Zeitwert = Kurs des Optionsscheins - innerer Wert =
= EUR 6,00 - EUR 1,50 = EUR 4,50
Manche Anleger wundern sich, warum ihr Optionsschein an Wert verliert, obwohl sich der Basiswert gar nicht bewegt. Eine mögliche Erklärung könnte schlicht der sinkende Zeitwert sein. So ist es auch möglich, daß bei einem gleichbleibenden Basiswert die Kurse von Call und Put, die sich ja sonst meist entgegengesetzt verhalten, gleichzeitig fallen.
Aufgeld und jährliches Aufgeld
Bereits mehrmals wurde in unserer Serie deutlich, daß der direkte Erwerb (Verkauf) des Basiswertes in der Regel deutlich günstiger ist als der Kauf (Verkauf) über Optionsscheine. Diese Tatsache sollte Sie als Anleger kaum stören, denn es geht Ihnen bei Optionsscheinen ja im Normalfall ohnehin nur darum, Gewinn durch Kauf und Verkauf des Scheins zu erzielen. Bei einer Ausübung erleidet man nicht nur Verluste durch das Aufgeld, es kommen auch zusätzliche Transaktionskosten hinzu. Eine Ausübung des erworbenen Optionsrechts ist daher in den wenigsten Fällen sinnvoll. Dennoch ist das Aufgeld eine enorm wichtige Kennziffer: Es liefert Ihnen einen ersten Anhaltspunkt, ob der Optionsschein angemessen bewertet ist oder vollkommen überteuert ist. Was für Werte die einzelnen Kennzahlen in etwa annehmen sollten, werden wir in Kürze in einem gesonderten Beitrag unter der Rubrik Wissenswertes erläutern.
Das Aufgeld gibt bei einem Call-Optionsschein in Prozent an, um wieviel teurer der Erwerb des Basiswertes durch Kauf und sofortige Ausübung des Optionsrechts gegenüber dem direkten Erwerb des Basiswertes ist. Beim Put zeigt es analog an, um wieviel teurer der Verkauf des Basiswertes mit Hilfe der Optionsscheine gegenüber dem direkten Verkauf ist. Das Aufgeld errechnet sich beim Call wie folgt:
Aufgeld = Basispreis + (OS-Kurs / Bezugsverhältnis) - aktueller Basiskurs x 100
aktueller Basiskurs
= EUR 300,00 + ( EUR 6,00 / 0,1 ) - EUR 315,00 x 100 = 14,29%
EUR 315,00
Der Kauf über den Umweg wäre also um etwa 14,29 % teurer als der direkte Erwerb der Aktie. In seltenen Fällen kann es jedoch tatsächlich einmal anders herum sein. Man spricht dann von einem „Abgeld“. Es ist jedoch für einen Privatanleger praktisch immer so gering, daß der kleine entstehende Gewinn durch sofortige Ausübung des Optionsrechtes sofort von den Transaktionskosten überkompensiert werden würde. Das Aufgeld liefert einen ungefähren Anhaltspunkt, ob der Optionsschein fair oder zu teuer bewertet ist. Je niedriger das Aufgeld bei vergleichbaren Scheinen ist, desto besser ist der Optionsschein.
Um die einzelnen Scheine jedoch untereinander vergleichen zu können, wird zur besseren Einschätzung des Optionsscheins das Aufgeld bezogen auf ein Laufzeitjahr (jährliches Aufgeld) ausgewiesen. Beim Vergleich verschiedener Scheine sollten Sie stets das jährliche Aufgeld (Aufgeld p.a.) als Kennziffer heranziehen.
Jährliches Aufgeld = Aufgeld / Restlaufzeit in Jahren = 14,29 % / 2 = 7,14 %
Break-even-Punkt
Mit dem Break-even-Punkt wird ein bestimmter Kurs für den Basiswert bestimmt. Diesen Kurs muß der Basiswert erreichen, um eine für den Käufer verlustfreie Ausübung des Optionsrechtes zu ermöglichen:
Break-even-Punkt = Basispreis + (OS-Kurs / Bezugsverhältnis) =
= EUR 300,00 + EUR 6,00 / 0,1 = EUR 360,00
Die Aktie müßte also auf EUR 360,00 steigen, um dem Optionsscheininhaber, der den Schein bei EUR 6,00 kauft, eine verlustfreie Ausübung seines Optionsrechtes zu ermöglichen. (Hierbei sind keine Transaktionskosten berücksichtigt!) Der Break-even-Punkt ist allerdings nur für denjenigen von Bedeutung, der wirklich beabsichtigt, sein Optionsrecht auszuüben. Normalerweise spielt er bei der Auswahl eines passenden Optionsscheins keine große Rolle.
[topwarrants]