Alstom wechselt Deutschland-Führung aus
Geringer Auftragseingang führt zur Krise im Energietechnik-Geschäft - Vorstände befürchten Budget-Lücke von 200 Millionen Euro
von Frank Seidlitz
Düsseldorf - Der finanziell angeschlagene französische Mischkonzern Alstom muß möglicherweise einen herben Rückschlag bei der Sanierung verbuchen. Denn während sich die Lage im Gesamtkonzern nach der Vorlage der Neun-Monatszahlen gebessert hat, droht die einstmals profitable Deutschland-Tochter in die Krise zu schliddern. Vor allem bei der Energietechnik-Sparte Alstom Power Generation AG droht nach Informationen der WELT aus internen Unterlagen bis März eine Lücke im Budget von rund 200 Mio. Euro, die "geschlossen werden muß."
Umsatz und Auftragseingänge seien auf ein niedriges Niveau gefallen. "Entsprechend der schwachen Auftragslage ist auch die Auslastung in der Fabrik in Mannheim-Käfertal an einem gefährlichen Tiefpunkt angelangt", schreiben die Alstom-Manager Gérard Brunel und Udo Wunsch. Extrem kritisch sei die Situation nach wie vor in der Generatorfabrik und in Teilen der Turbinenmontage. Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften erwarten nun eine weitere Sparrunde am wichtigsten Standort der deutschen Alstom-Gruppe.
Als erste Maßnahme hat die Konzernzentrale in Paris bereits die Führungspositionen in der deutschen Tochter neu besetzt. Nach Informationen dieser Zeitung wurde bereits zum Jahresanfang der bisherige Präsident von Alstom Deutschland, Klaus Linnebach, ausgewechselt. Nachfolger und zugleich Chef der wichtigen Energietechnik-Sparte Alstom Power AG ist der Österreicher Georg Gasteiger. Damit wurde innerhalb von eineinhalb Jahren der Chef-Posten der Deutschland-Tochter zum zweiten Mal neu besetzt. Der frühere Preussag-Vorstand Linnebach hatte das Amt erst im Juni 2003 von Karl-Heinz Stupperich übernommen. Zudem hat der bisherige Leiter der Unternehmens-Entwicklung, Rüdiger Haake, die Deutschland-Tochter verlassen.
Die schlechten Zahlen und die schleppende Sanierung sollen auch die Gründe für die Abberufung von Linnebach sein. Die Auftragslage im Kraftwerksbau habe sich nicht wie erhofft verbessert, statt dessen habe der Ordereingang ein niedriges Niveau erreicht und daher sei die Auslastung des wichtigen Standortes Mannheim "an einem gefährlichen Tiefpunkt angelangt", schreiben Brunel und Wunsch weiter. Die Lage der Alstom Power Generation (Kraftwerksturbinen) sei sogar so dramatisch, daß der einstmals positive Kapitalmittelfluß "in die falsche Richtung gewechselt" hat und nun ein Kassenloch aufzeige. Diese Zahlen wurden den Mitarbeitern auch in der Hauszeitung "MegaFon" bekanntgegeben. Eine Verlegung von Produktions-Anlagen ins günstigere Polen scheint damit programmiert. "Tatsache ist, daß unser hohes Kostenniveau nicht mehr mit einem entsprechend höheren Qualitätslevel gegenüber den sogenannten Billiglohn-Ländern zu rechtfertigen ist", heißt es in der Mitarbeiterzeitung.
Vor allem der größte Alstom-Standort Mannheim steht im Blickpunkt, wie auch die operativen Ergebnis-Zahlen bestätigen. "Sie besagen, daß Mannheim zu wenig mit seinen Aufträgen verdient, um sich ein Polster zum Überwintern der Investitionsflaute zu schaffen", heißt es in der Mitarbeiterzeitung. Innerhalb des Alstom-Konzerns könnten die Aufträge etwa günstiger in Polen als in Mannheim gefertigt werden.
Alstom-Deutschland beschäftigt in der Bundesrepublik an 20 Standorten rund 7000 Mitarbeiter und erzielte mit den beiden Sparten Energietechnik und Transport zuletzt einen Umsatz von rund 2,4 Mrd. Euro. In den letzten Jahren war die deutsche Gruppe innerhalb des Alstom-Konzerns eine der profitabelsten. Neben der Energietechnik ist die deutsche Alstom auch noch mit der lukrativen Transporttechnik für den Schienenverkehr vertreten. Ihre Aktivitäten decken sich weitgehend mit denen des Mutterhauses. Nur im Schiffbau ist die Deutschland-Dependance nicht vertreten.
"Die Welt" am Di, 18. Januar 2005