2008: Absturz des Dollar und rasanter Anstieg der US Zinsen?
Amerikas doppeltes Defizit
Von Barry Eichengreen
Der Internationale Währungsfonds hat erst kürzlich wieder eine höfliche, im Kern aber unmissverständliche Analyse des zweifachen amerikanischen Defizits angefertigt. Leider ist darüber in den Fernsehdebatten im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf nicht in vergleichbarer Weise gründlich und eingehend gesprochen worden. Denn das Haushaltsdefizit bei den öffentlichen Ausgaben, das sich mittlerweile auf fünf Prozent des Bruttosozialprodukts summiert, ist der Grund für Amerikas Außenhandelsdefizit. Und es gibt keinerlei Hoffnung, dass sich daran in naher Zukunft sehr viel ändern wird. George W. Bush hat seine weitere politische Karriere von dem Versprechen massiver Steuersenkungen abhängig gemacht. Ein Anheben von Steuern würde unweigerlich eine Entfremdung seiner Wählerklientel zur Folge haben. Das ist aber etwas, was – dies haben sich sein politischer Berater, Karl Rove, und er geschworen – nie und nimmer eintreten darf. Und John Kerry, wenn er denn gewählt würde, wird es mit einem republikanisch dominierten Kongress zu tun haben. Eine politisch geteilte Regierungsgewalt ist jedoch immer Garant für politischen Stillstand.
Es gibt also wenig Hoffnung, dass das Schuldenproblem bis zur nächsten Präsidentenwahl im Jahr 2008, wer auch immer dann zur Wahl steht, gelöst wird.
Und weil es dafür keinen Plan gibt, tun beide Kandidaten auch so, als ob es dieses Problem eigentlich gar nicht gibt. Sie kommen damit durch, weil es auch keine unmittelbare Krise gibt, die daraus folgt. Die asiatischen Zentralbanken, angeführt von China und Japan, stellen weiterhin billiges Geld zur Verfügung, um das US-Defizit zu finanzieren. Damit ihre Währungen sich nicht verteuern und ihre Wachstumsraten sich nicht verlangsamen, kaufen sie US-Schuldpapiere noch in dem Moment auf, wenn sie in Washington aufgelegt werden. Das wiederum hält die US-Zinsen niedrig und den Dollar einigermaßen stabil. Und es bewahrt Amerika davor, sich den internationalen Finanzmärkten anzuvertrauen.
Wie lange kann das gut gehen? Es gibt zwei Denkschulen. Die einen, angeführt von einigen prominenten Volkswirten bei der Deutschen Bank etwa, argumentieren, dass dies noch eine Dekade lang so andauern kann. China hat, so wird argumentiert, 200 Millionen arbeitslose Arbeitnehmer, die noch von der Exportindustrie aufgesogen werden können. Solange dieser Prozess anhält, wird China deshalb gegen eine Aufwertung seiner Währung sein. Und dies bedeutet wiederum, es wird weiterhin US-Schuldverschreibungen aufkaufen. Das regierungsamtliche Statement der Chinesen zum letzten G7-Gipfel – „Wir lassen uns nicht zu einer flexibleren Währungspolitik drängen“ – kann man in diesem Licht interpretieren.
Die Pessimisten hingegen, die unter anderem von Volkswirten von Morgan Stanley angeführt werden, warnen, dass das Ende des China-Booms in Sicht sei. Chinesische Regierungsvertreter verstünden, dass sie ihre Wirtschaft nicht vor einem Überhitzen schützen könnten und dass sie einer Immobilienblase nur durch ein rechtzeitiges Drehen an der Zinsschraube zuvorkommen könnten. Und das unabhängig davon, wie Herr Greenspan den weiteren Zinsverlauf vorschreibt. Chinesische Banker sehen zudem auch das Risiko von Verlusten bei US-Schuldverschreibungen, wenn der Dollar einmal unter Druck geraten sollte. Das könnte dazu führen, dass China schon bald restriktiver beim Kauf von US-Anleihen vorgeht. Eine Vorhersage geht sogar so weit zu sagen, dass dies nach den US-Präsidentschaftswahlen passieren könnte.
Wahrscheinlich sind beide Standpunkte überzogen. China wird wohl nicht allzu schnell davon ablassen, US-Anleihen aufzukaufen, und die Chinesen sind mehr als zögerlich, ihre Exportrate in Gefahr zu bringen, weil die politische Stabilität im Land auch weiterhin davon abhängt, dass die Landbevölkerung in die Städte zieht und dort Arbeit findet. Die Konsequenz wird also allenfalls eine sehr vorsichtige und langsame Entwicklung hin zu höheren Wechselkursraten und größeren Zinsbewegungen sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird China die Handelsspanne für den Renminbi von 0,3 auf drei Prozent im nächsten Jahr anheben. Im übernächsten Jahr werden dies vielleicht sechs Prozent sein. Wenn es die chinesische Notenbank also weiterhin ernst meint, eine Aufwertung des Renminbis zu verhindern, wird sie weiterhin US-Anleihen kaufen.
Einige Jahre später, um 2008 herum, werden sich die Dinge jedoch anders darstellen: Die Hälfte oder sogar noch mehr von Chinas Arbeitnehmern wird dann vom Arbeitsmarkt absorbiert worden sein, Chinas Bankensystem wird sich erholt haben, und der Renminbi wird in größerem Umfang schwanken können. Damit wird aber automatisch auch die Bereitschaft zurückgehen, den Dollar weiter zu stützen. Hinzu kommt, dass im Jahr 2008 das US-Außenhandelsdefizit alarmierend angestiegen sein wird: auf 50 Prozent des Bruttosozialprodukts. Ausländische Investoren werden anfangen, überflüssige Dollar zu verkaufen. Das Resultat wird ein Absturz des Dollars und ein ebenso rasanter Anstieg der US-Zinsen sein.
Eine unausweichliche Konsequenz aus alldem wird eine Rezession in den USA sein. Und weil dies gravierende Einschnitte bei Importen in die USA beinhaltet, wird eine solche Rezession nicht nur ungewöhnlich scharf und auf die USA beschränkt sein, sondern auch den gesamten Rest der Welt in Mitleidenschaft ziehen. Das ist genau die Art und Weise, wie zurzeit die amerikanische Politik den Kredit für sich und die gesamte Welt aufs Spiel setzt. Dabei ist es ziemlich einerlei, wer als nächster Präsident gewählt werden wird. 2008 wird ungefähr der Zeitpunkt sein, wo dies alles kulminieren wird. Die übernächste Präsidentschaftswahl könnte deshalb vielleicht noch weitaus entscheidender für die folgenden Jahre werden.
Barry Eichengreen lehrt Politische Wissenschaften und Volkswirtschaft an der Universität von Kalifornien in Berkeley.
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