Merz erhielt in geheimer Abstimmung 310 von 621 abgegebenen Stimmen und damit 6 weniger als die nötige Mehrheit von 316. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben zusammen 328 Sitze im Parlament. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist nach einer Bundestagswahl und erfolgreichen Koalitionsverhandlungen ein designierter Kanzler bei der Wahl im Bundestag gescheitert. Union und SPD lassen nun juristisch prüfen, ob noch an diesem Dienstag ein zweiter Wahlgang möglich ist, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Fraktionskreisen erfuhr.
Ohne genau zu wissen, wer aus den Reihen von CDU/CSU und SPD gegen Merz gestimmt hat und wie stark deren Ablehnung ist, ließen sich die Auswirkungen des gescheiterten ersten Wahlgangs von Merz nur schwer abschätzen, schrieb Analyst Greg Fuzesi von der US-Bank JPMorgan und fuhr fort: "Eine Interpretation ist, dass die dramatische Kehrtwende von Merz in der Finanzpolitik und die Kompromisse, die notwendig waren, um sich auf den Koalitionsvertrag zu einigen, es einigen Mitgliedern von CDU/CSU und/oder SPD schwer gemacht haben, Merz zu unterstützen."
Diese Kehrtwendungen und Kompromisse haben Fuzesi zufolge dazu geführt, dass die Glaubwürdigkeit von Merz infrage gestellt worden sei. Der Experte verweis auch auf den manchmal polarisierenden Führungsstil von Merz.
Natürlich seien der Koalitionsvertrag und die Verfassungsänderungen bezüglich des Sondervermögens für Investitionen in Infrastruktur und der Ausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben beschlossen, sodass sich in diesem Sinne nichts ändere, wenn Merz in den nächsten Tagen doch noch gewählt werden sollte, fuhr Fuzesi fort. Aber es bestehe die reale Gefahr, dass der CDU-Politiker auch bei künftigen Abstimmungen (etwa über den Haushalt 2025) um Mehrheiten ringt und damit dauerhaft geschwächt wird - zumindest so lange, bis er durch politische Fortschritte seine Glaubwürdigkeit wiederherstellen kann./la/jsl/jha/
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