Ein Kampfflugzeug von Lockheed Martin in den Niederlanden.
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Nicolas Fuchs Nicolas Fuchs
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Nicolas ist seit 2016 Redakteur bei ARIVA.DE. Seine Expertise in der technischen Analyse und sein Engagement für genaue Prognosen machen ihn zu einer wertvollen Ressource für die Community, die auf aussagekräftige News angewiesen ist.

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Kampfjet-Chaos in Europa: Airbus gegen Dassault – scheitert nun das FCAS-Projekt?

Das milliardenschwere FCAS-Projekt droht am Streit zwischen Airbus und Dassault zu zerbrechen. Europa steht vor der Frage: Neuanfang mit neuen Partnern oder Scheitern?
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Europas Kampfjet FCAS am Scheideweg: Industriepolitische Konflikte bremsen Entwicklung

Das Future Combat Aircraft System (FCAS), Europas ambitioniertes Rüstungsprojekt für ein neues Luftkampfsystem der nächsten Generation, steht vor einer ungewissen Zukunft. Die Zusammenarbeit zwischen Airbus Defence and Space (Deutschland) und Dassault Aviation (Frankreich), den beiden Hauptpartnern des Projekts, ist seit Monaten blockiert. Während in der Politik und Industrie der Stellenwert des Projekts betont wird, wachsen zugleich Zweifel an dessen Realisierbarkeit in der aktuellen Konstellation.

Airbus und Dassault im Dauerstreit – Blockade auf höchster Ebene

Das FCAS wurde 2017 ins Leben gerufen mit dem Ziel, die militärische und technologische Souveränität Europas zu stärken und sollte bis 2040 ein vollständiges System aus bemannten Kampfjets, Drohnen und vernetzter Sensorik umfassen. Deutschland, Frankreich und Spanien bilden den offiziellen Dreierverbund, doch der Streit um Führungsansprüche und industrielle Wertschöpfung droht das Projekt zu zerreißen.

Laut Industriekreisen fordert Dassault Aviation rund 80 % der Wertschöpfung am Flugzeug, dem Herzstück des Systems. Diese Forderung, auch wenn von Dassault dementiert, sorgt für massiven Unmut in Berlin. Airbus, dessen Rüstungssparte in Deutschland angesiedelt ist, pocht auf ein gleichberechtigtes Miteinander. „Eine Partnerschaft basiert auf Zusammenarbeit, nicht auf Dominanz“, sagt Thomas Pretzl, Chef des Betriebsrats von Airbus Defence and Space.

Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) drückte zuletzt bei einem Besuch in Spanien seine Frustration aus: „Es kann nicht so weitergehen wie gegenwärtig.“ Ziel sei, bis Ende des Jahres eine Entscheidung über die Zukunft des Projekts herbeizuführen. Beobachter halten einen Richtungsentscheid bereits im Oktober für möglich.

Politische Instabilität in Frankreich erschwert Verhandlungen

Ein weiterer Bremsfaktor liegt in der politischen Lage Frankreichs. Der bisherige Verteidigungsminister Sébastien Lecornu wurde am 9. September 2025 zum Premierminister ernannt. Er verfügt jedoch weder über eine parlamentarische Mehrheit noch über einen beschlossenen Haushalt. Damit fehlen die politischen Voraussetzungen für eine langfristige Verpflichtung zu einem Milliardenprojekt wie FCAS.

Die nächste Projektphase, ein milliardenschwerer Entwicklungsauftrag mit klarer Arbeitsteilung, müsste noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Ohne diesen Schritt könnten Fördermittel verfallen, was den Projektverlauf weiter verzögert.

Konkurrenz durch GCAP: Großbritannien, Italien und Japan machen Tempo

Während FCAS stagniert, drängen internationale Alternativen auf den Markt. Besonders das „Global Combat Air Programme“ (GCAP) von BAE Systems (BAE Systems Aktie) (UK), Leonardo (Italien) und Mitsubishi (Mitsubishi Aktie) (Japan) macht Fortschritte. Auch wenn das Projekt noch nicht in die heiße Entwicklungsphase eingetreten ist, zeigen sich die Partner offen für neue Mitglieder – Deutschland mit seinem steigenden Rüstungsbudget wäre ein attraktiver Kandidat.

Eine Partnerschaft mit GCAP erscheint aus industrieller Sicht sinnvoll: Airbus, BAE und Leonardo kooperieren bereits erfolgreich im Eurofighter-Programm. Der Ausstieg Frankreichs aus diesem Projekt in den 1990er-Jahren und die parallele Entwicklung der Rafale führten bereits damals zu tiefem Misstrauen, welches nun auch das FCAS belastet.

Saab als möglicher Partner – enge industrielle Verbindungen bestehen

Neben einer engeren Zusammenarbeit mit Großbritannien und Italien prüfen deutsche Industrievertreter auch eine Kooperation mit dem schwedischen Rüstungskonzern Saab. Dieser produziert mit der Gripen einen modernen Kampfjet, der technisch mit dem Eurofighter vergleichbar ist und bereits an mehrere Länder exportiert wurde.

Die Verbindung zwischen Deutschland und Schweden ist eng: MBDA, eine Airbus-Beteiligung, liefert Raketen für die Gripen, und das Münchener Start-up Helsing hat kürzlich einen KI-Agenten für den Luftkampf erfolgreich auf der Gripen-Plattform getestet. Schweden ist seit 2024 NATO-Mitglied und erhöht wie Deutschland seine Verteidigungsausgaben.

Ein Zusammenschluss von Eurofighter- und Gripen-Nachfolgeentwicklungen würde eine weitgehende Synchronisation ermöglichen. Verteidigungsminister Boris Pistorius trifft sich dazu am Dienstag mit seinem schwedischen Amtskollegen Pal Jonson. Bloomberg zufolge steht auch die Integration schwedischer Technologie in den Eurofighter auf der Agenda.

Airbus erhält Rückenwind durch neue Eurofighter-Bestellungen

Trotz der Unsicherheiten um FCAS gibt es positive Signale für Airbus Defence: Die Nachfrage nach dem Eurofighter zieht spürbar an. Spanien und Italien haben neue Maschinen bestellt, Deutschland plant für Oktober eine Order über mindestens 20 weitere Jets. Auch Saudi-Arabien, Katar und die Türkei zeigen Interesse. Laut Airbus-Rüstungsvorstand Michael Schöllhorn wird die Produktionsrate von derzeit zehn Maschinen pro Jahr verdoppelt.

Parallel verfolgt Airbus mit dem US-Unternehmen Kratos ein Drohnenprojekt, das ab 2029 operationell einsatzbereit sein soll. Dies ist ebenfalls im Einklang mit dem FCAS-Ideal eines vernetzten Systems aus Jet und Drohne.

Dieser Erfolg verschafft Airbus finanziellen Spielraum, nachdem zuletzt Stellenkürzungen im Satellitengeschäft notwendig waren. Die Kombination aus Eurofighter-Ausbau und einem möglichen FCAS-Neustart mit oder ohne Dassault, könnte das Unternehmen neu positionieren. 

Nationale Eigenentwicklung? Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen

In der Diskussion taucht auch immer wieder die Idee einer deutschen Eigenentwicklung auf. Fachleute halten das für wirtschaftlich und technologisch kaum umsetzbar. Dennoch signalisiert Betriebsratschef Pretzl Offenheit: „Wir könnten in Deutschland theoretisch auch ein eigenes Kampfflugzeug entwickeln.“

Realistischer erscheint jedoch eine multilaterale Lösung. Entweder mit GCAP oder einer erweiterten europäischen Kooperation, beispielsweise unter Einbeziehung von Saab.

Politische Verantwortung gefordert – industriepolitisches Klein-Klein gefährdet Sicherheit

CDU-Verteidigungspolitiker Thomas Röwekamp bringt das Dilemma auf den Punkt: „Was das Projekt aktuell bremst, sind nicht technische Grenzen, sondern nationale Industrieinteressen.“ Er fordert, die politischen Weichen bis spätestens Jahresende zu stellen. Das sicherheitspolitische Ziel eines autonomen europäischen Luftkampfsystems dürfe nicht an wirtschaftlichen Egoismen scheitern.

In Zeiten geopolitischer Spannungen wie z.B. durch regelmäßige Luftraumverletzungen russischer Jets an der NATO-Ostflanke, rückt die Notwendigkeit eines modernen europäischen Systems immer stärker in den Fokus. Die Alternative: weitere Abhängigkeit von den USA und deren F-35 – mit eingeschränktem Zugriff auf Software und Technologie. Dies wäre eine Alternative die besonders im Moment auf wenig Gegenliebe bei den Erupäern stoßen dürfte. 


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