Zehn Jahre Haft für Bilanz-Betrüger/und bei uns?

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Zehn Jahre Haft für Bilanz-Betrüger/und bei uns?

 
10.07.02 12:11
Bush greift durch: Zehn Jahre Haft für Betrüger

US-Präsident will Strafmaß bei Bilanzfälschungen verdoppeln. "Beim amerikanischen Volk wurde Vertrauen zerstört"
 
George Bush will den "Amerikanischen Traum" retten

New York – Mit einer breit angelegten Kampagne will US-Präsident George W. Bush das Vertrauen der Amerikaner in ihr Wirtschafts- und Finanzsystem wiederherstellen. Die Vorschläge Bushs sehen unter anderem eine härtere Bestrafung betrügerischer Manager sowie mehr Geld für die Börsenaufsicht vor. „Wir werden die Gesetzesbrecher verfolgen“, sagte der Präsident, das werde das Vertrauen wiederherstellen.

Anders als die Demokraten im Kongress sehen die Pläne Bushs keine umfassenden neuen Gesetze, sondern vor allem die bessere Einhaltung und Verschärfung bestehender Regeln vor. Bush – so hieß es kurz vor seiner Rede in einem Hotel an Wall Street – wolle auch verdeutlichen, dass die Mehrzahl der Firmenchefs in den USA „gute, ehrbare und ehrliche Menschen sind, die nichts zu verbergen haben“.

Die sich mehrenden Skandale von „Corporate America“ hatten den Druck auf die Regierung in der letzten Zeit deutlich erhöht. Allein in den vergangenen zwei Wochen waren mehrere Bilanzierungstricks und Insidergeschäfte ans Tageslicht geraten. Am Montag musste der US-Pharmariese Merck eingestehen, 14 Mrd. Dollar an Umsatz falsch angegeben zu haben. Als Reaktion auf die Vertrauenskrise war die Börse auf ein Niveau gerutscht, das nur knapp über den Tiefpunkten nach den Terroranschlägen vom 11. September lag.

Im Zentrum der Pläne Bushs steht eine Stärkung der Börsenaufsicht SEC. Die chronisch unterbesetzte Behörde müsse mehr Ermittler und allein für 2003 ein um 100 Mio. Dollar höheres Budget erhalten. Die ursprüngliche Forderung des Weißen Hauses, wonach die SEC in diesem Jahr mit Nullwachstum und Stellenkürzung leben müsse, widerrief der Präsident damit. Der Forderung nach Ablösung von SEC-Chef Harvey Pitt – wie dies die Demokraten verlangen – erteilte Bush eine Absage. Pitt habe schnell gehandelt. Seine Aufgabe sei es, das Durcheinander zu beseitigen. Der demokratische Senator Tom Daschle wirft Pitt vor, er reagiere zu langsam und habe als ehemaliger Wall-Street-Staranwalt eine zu enge Beziehung zu ehemaligen Klienten.

Bush setzt sich für eine Verdoppelung der Höchststrafe bei Betrug von derzeit fünf auf künftig zehn Jahre ein. Weiter fordert Bush, dass Manager, die des Betrugs überführt werden, nicht wieder bei einer anderen Firma als Topmanager arbeiten dürfen. Außerdem verlangt der Präsident, dass die Führungsspitze von Unternehmen öffentlich auf die Richtigkeit ihrer Bilanzen schwören müsse. Auch das Vernichten von Dokumenten und andere Formen der Justizbehinderung sollen künftig härter bestraft werden.

„Ich unterstütze das System des freien Unternehmertums“, sagte Bush, „aber ich glaube, dass Vertrauen eine Grundvoraussetzung ist.“ Ein Teil des Vertrauens des amerikanischen Volkes sei zerstört worden, „wir müssen etwas dagegen tun“. Ein Schlüsselelement für wirtschaftliches Wachstum sei das Vertrauen der Verbraucher und Investoren in die Integrität von „Corporate America“.

Politische Beobachter sagen, Bush mache durch seinen Auftritt an Wall Street deutlich, dass er die Vertrauenskrise schnell beseitigen will. Zudem versuche Bush, mit seinem Forderungskatalog den Vorwurf zu entkräften, er sei industriehörig. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Kongresswahlen im Herbst wolle Bush den Demokraten Wind aus den Segeln nehmen. Republikanische Berater hatten davor gewarnt, dass auf Grund der derzeitigen Skandale eine zu enge Verbindung zwischen dem Weißen Haus und der Industrie dem Ansehen Bushs schade.

Zeitgleich mit seinem Plan zur Wiederherstellung des Vertrauens wird Bush derzeit von seiner eigenen Vergangenheit eingeholt. So soll Bush 1990 als Aufsichtsrat der Firma Harken Energy Aktien im Wert von rund 850 000 Dollar verkauft haben. Kurz darauf seien die Papiere des Unternehmens stark gefallen, was ihm bislang aber nicht angelastet wird. Weitaus wichtiger scheint eher der Umstand zu sein, dass Bush den Verkauf erst 34 Wochen später der Börsenaufsicht meldete. „Ich habe noch nicht herausgefunden, was dort passiert ist“, sagte Bush am Montag. Bislang war abwechselnd von verloren gegangenen Dokumenten und Verwechslungen die Rede.
www.welt.de/daten/2002/07/10/0710fi343484.htx

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Schicksalsfrage

 
10.07.02 12:16
Schicksalsfrage

Bei unzähligen Bilanzskandalen und der lausigen Situation an den Börsen geht es längst nicht mehr nur um den Verlust von Arbeitsplätzen oder den Wohlstand einiger Aktionäre - Kommentar

Von Thomas Exner

Mit blumigen Worten und der Ankündigung harter Strafen gegen betrügerische Manager hat US-Präsident Bush gestern klar gemacht, dass die amerikanische Politik den heftigen Eruptionen an der Börse und in der Wirtschaft nicht tatenlos zuschauen will. Zu grundlegenden strukturellen Veränderungen scheint die Regierung in Washington indes derzeit nicht bereit zu sein.

Diese wären jedoch dringend notwendig. Denn bei den unzähligen Bilanzskandalen und der lausigen Situation an den Börsen geht es längst nicht mehr nur um den Verlust von Arbeitsplätzen oder den Wohlstand einiger Aktionäre. Das Erfolgsmodell Amerika, das im vergangenen Jahrzehnt weltweit die Spielregeln sowohl in der Realwirtschaft als auch an den Finanzmärkten geradezu diktiert hat, steht insgesamt infrage. Die Ära der fast schrankenlosen Liberalisierung, in der der Staat sich aus seiner Schiedsrichterfunktion zurückgezogen hat, erweist sich im Nachhinein als fataler Irrtum.

Deshalb gehört nun jeder einzelne Strukturbaustein der Laisser-faire-Ökonomie auf den Prüfstand. Dazu zählen die Kontrollsysteme in den Unternehmen, aber vor allem auch die konstitutionelle Verfassung der Finanzmärkte. Eine formale Stärkung der US-Börsenaufsicht SEC allein wird nicht ausreichen, um die inzwischen tiefe Vertrauenskrise auf Seiten der Investoren zu überwinden. Auch die global agierenden Wirtschaftsprüfungskonzerne und Investmentbanken werden, trotz ihres bereits im Vorfeld geäußerten Protestes, durchaus regulatorische Eingriffe in ihre Geschäftsmodelle und -praktiken hinnehmen müssen.

Lässt es die Politik – auch in Europa – in dieser Schicksalsfrage der Marktwirtschaft an Konsequenz mangeln oder gibt sie Partikularinteressen nach, drohen wir alle zu Verlierern zu werden. Investoren brauchen Rechtssicherheit und Verlässlichkeit. Aufgabe der Politik ist es, diese durch eindeutige und klar sanktionierte Spielregeln zu gewährleisten. Auf eine Bilanz muss einfach wieder Verlass sein können.

Die Bewältigung der Vertrauenskrise an den Börsen ist dabei zugleich der entscheidende Schlüssel zu einer wirklichen Genesung der Realwirtschaft. Jeder Monat, der verstreicht, ohne dass die Fundamente der Märkte stabilisiert werden, bringt uns näher an den Rand einer neuen, schweren Rezession.

Den Autor erreichen Sie unter: exner@welt.de

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