hallo und schönen nachmittag alle zusammen,
ich habe hier von der homepage TA professional einen sehr lesenswerten kommentar. bitte lest, genießt und schaut vielleicht der eine oder andere in den spiegel. viel spass.
geban
1.Dezember 2000
Wu wei (Nichts tun) ?
Die Verlustserie reisst nicht ab, von einem Boden keine Spur. Nach den Exzessen zeigt die Börse jetzt ihr hässliches Gesicht. Wer immer tiefer in die Verlustzone gerät, schaut irgendwann einfach nicht mehr hin.
Für eine Trendwende muss aber totaler Pessimismus herrschen. Ist es schon so weit?
"Weiß ich nicht, ich schaue schon seit Wochen nicht mehr nach Kursen."
Die Methoden der Situationsbewältigung sind vielfältig. Obige Antwort erhielt ich von meiner Schwägerin, die mir erzählte, sie habe noch eine Position Management Data, auf meine Frage, wie denn die Kursentwicklung in letzter Zeit gewesen sei. Inzwischen habe ich für sie geschaut. Es handelt sich um den üblichen "Neuer Markt-Standardchart". Grauenhaft.
Neben dieser Vogel-Strauß-Methode findet man sehr häufig den abgeklärten, den verbissenen, den frustrierten, den resigniert-schnodderigen Dauerinvestor. Die Finanz-Diskussionsseiten des Internets sind überfüllt mit Statements dieser Anlegersorte. Ich behaupte nicht, daß man, von links nach rechts fortschreitend, aus der zur Schau getragenen Einstellung die Höhe und das Alter der aufgelaufenen Buchverluste ableiten könnte. Dies ist vielmehr lediglich ein subjektiver Eindruck, den ich bei Gesprächen im Freundeskreis gewonnen habe und deshalb nicht generalisieren möchte.
Dann sind da die Finanzaktivisten, die in jedem Markt eine Profitchance sehen. Am erstaunlichsten unter diesen finde ich jene, die auch in nachhaltig fallenden Märkten ausschließlich long agieren und die Erwartung hegen, aus den ebenso häufigen wie kurzen Zwischenerholungen Gewinn ziehen zu können. Obwohl beim zweiten Hinsehen die Terminmarktprofis natürlich die exakt gleichen Probleme haben. Sie stöhnen nur dort, wo erstere sich "freuen" und umgekehrt. Streßsteigernd ist der Versuch, auf beiden Marktseiten mitzumischen. Das kann einen schon ganz schön auf Trab halten.
Natürlich darf man die Pessimisten nicht vergessen. Hier schreibt so einer, der bereits Anfang Mai sein Depot glattstellte und einen Forum-Thread "In Deckung" titelte, weil ihm die Kursrückgänge ab dem Haussegipfel Ende März einfach reichten. Übrigens auch nicht lustig, seit 6 Monaten als wesentliche Depotposition einen Posten Geldmarktfonds mit einer Renditeerwartung von ca. 2,5% p.a. zu haben.
Also sucht man immer und immer wieder nach Gelegenheiten. Und wenn man sie gefunden zu haben glaubt, startet man eben doch wieder einen Versuchsballon. Zieht man dann nach einigen Wochen eine erste Zwischenbilanz, merkt man, es hat sich eigentlich nicht gelohnt. Kursgewinne des einen Postens werden durch Kursverluste bei den anderen, ausgestoppten Positionen reduziert. Aufwärtstrends verflachen, verfließen, kippen. Wenn man nicht aufpaßt, sind mühsam entstandene Gewinne wieder verschwunden.
Ein marktbreiter Kursrückgang ist zermürbend. Es steigen scheinbar immer exakt die Aktien, die man selbst nicht hat. Sobald man sie hat, fangen sie an zu fallen. Daß das so ist, weiß man natürlich imgrunde schon seit langem. Aber man will es einfach nicht wahrhaben.
Nichts tun (Wu wei)?
Dagegen steht die Angst, man könnte (wieder mal!) die Trendwende verpassen und müßte dann "verspätet einsteigen". Die gleiche Angst, die Trendwende zu verpassen, haben auch jene, die durchhalten und stoisch weitere 30% Kursverlust ertragen, um auf diese Weise sicherzustellen, daß sie auf jeden Fall "dabei" sind, wenn es wieder aufwärts geht. Die Irrationalität menschlichen Denkens wird besonders in Marktsituationen wie der gegenwärtigen deutlich. Ich beziehe dies ausdrücklich auch auf mich selbst, um Mißverständnissen vorzubeugen.
Dabei ist die Lage eigentlich so eindeutig und offensichtlich. Die Märkte wollen nach unten. Die Baissetrends sind intakt. Das kann/will man (ich) alles nicht verstehen, es ist auch noch zu früh für die schlüssigen Erklärungen (Die werden erst später kommen, wenn alles vorbei ist).
Dessen ungeachtet wird man gegenwärtig von einem optimistischen Meinungsstrom mit dem Tenor, "ja, die Lage ist schlecht, aber das Schlimmste ist nun vorbei und bald wird es nach menschlichem Ermessen wieder aufwärts gehen (müssen)", überschwemmt. Diese Grundüberzeugung Dritter wirkt tröstend und mental stabilisierend, auf mich zumindestens. Erste Börsenjournale titeln bereits sinngemäß "Die besten Empfehlungen nach dem Crash", andere meinen "Mit diesen Aktien gewinnen Sie immer" oder "Neue Chancen nach der Krise". Wie beruhigend, daß ich nicht allein ungeduldig bin.
Wann ist eine Baisse zuende? Man hat sich inzwischen angewöhnt, dies nach einem "Sell out" zu erwarten. Nach dem es dann wieder hektisch und voller Optimismus nach oben geht. Das ist seit Anfang der achtziger Jahre immer so gewesen.
Davor kamen die Gesamtmarkttrendwechsel eigentlich immer dann, wenn alle "die Nase voll" hatten, nichts mehr von der Börse hören wollten, sich niemand mehr um die Börse kümmerte, diese umsatzschwach und lethargisch vor sich hinplätscherte, auf einer Party die Leute damit drohten, den Tisch zu wechseln, wenn man nicht sofort "dieses uninteressante Thema" beenden würde. Davon sind wir gegenwärtig noch meilenweit entfernt. Häufig wird z. Z. noch mit den erlittenen Kursverlusten und dem Hinweis auf die eigenen guten Nerven, mit deren Hilfe man "dies alles überstanden habe", schwadroniert. Übrigens auch eine Art anzugeben und seinem Gegenüber subtil mitzuteilen, wieviel Geld man hat, oder besser, wieviel Geld man hatte.
Mir scheint, die Stimmung ist noch gut. Zu gut für eine Trendwende.
Wu wei.
Kurt Seifert
30.11.2000
P.S.: Oder?
ich habe hier von der homepage TA professional einen sehr lesenswerten kommentar. bitte lest, genießt und schaut vielleicht der eine oder andere in den spiegel. viel spass.
geban
1.Dezember 2000
Wu wei (Nichts tun) ?
Die Verlustserie reisst nicht ab, von einem Boden keine Spur. Nach den Exzessen zeigt die Börse jetzt ihr hässliches Gesicht. Wer immer tiefer in die Verlustzone gerät, schaut irgendwann einfach nicht mehr hin.
Für eine Trendwende muss aber totaler Pessimismus herrschen. Ist es schon so weit?
"Weiß ich nicht, ich schaue schon seit Wochen nicht mehr nach Kursen."
Die Methoden der Situationsbewältigung sind vielfältig. Obige Antwort erhielt ich von meiner Schwägerin, die mir erzählte, sie habe noch eine Position Management Data, auf meine Frage, wie denn die Kursentwicklung in letzter Zeit gewesen sei. Inzwischen habe ich für sie geschaut. Es handelt sich um den üblichen "Neuer Markt-Standardchart". Grauenhaft.
Neben dieser Vogel-Strauß-Methode findet man sehr häufig den abgeklärten, den verbissenen, den frustrierten, den resigniert-schnodderigen Dauerinvestor. Die Finanz-Diskussionsseiten des Internets sind überfüllt mit Statements dieser Anlegersorte. Ich behaupte nicht, daß man, von links nach rechts fortschreitend, aus der zur Schau getragenen Einstellung die Höhe und das Alter der aufgelaufenen Buchverluste ableiten könnte. Dies ist vielmehr lediglich ein subjektiver Eindruck, den ich bei Gesprächen im Freundeskreis gewonnen habe und deshalb nicht generalisieren möchte.
Dann sind da die Finanzaktivisten, die in jedem Markt eine Profitchance sehen. Am erstaunlichsten unter diesen finde ich jene, die auch in nachhaltig fallenden Märkten ausschließlich long agieren und die Erwartung hegen, aus den ebenso häufigen wie kurzen Zwischenerholungen Gewinn ziehen zu können. Obwohl beim zweiten Hinsehen die Terminmarktprofis natürlich die exakt gleichen Probleme haben. Sie stöhnen nur dort, wo erstere sich "freuen" und umgekehrt. Streßsteigernd ist der Versuch, auf beiden Marktseiten mitzumischen. Das kann einen schon ganz schön auf Trab halten.
Natürlich darf man die Pessimisten nicht vergessen. Hier schreibt so einer, der bereits Anfang Mai sein Depot glattstellte und einen Forum-Thread "In Deckung" titelte, weil ihm die Kursrückgänge ab dem Haussegipfel Ende März einfach reichten. Übrigens auch nicht lustig, seit 6 Monaten als wesentliche Depotposition einen Posten Geldmarktfonds mit einer Renditeerwartung von ca. 2,5% p.a. zu haben.
Also sucht man immer und immer wieder nach Gelegenheiten. Und wenn man sie gefunden zu haben glaubt, startet man eben doch wieder einen Versuchsballon. Zieht man dann nach einigen Wochen eine erste Zwischenbilanz, merkt man, es hat sich eigentlich nicht gelohnt. Kursgewinne des einen Postens werden durch Kursverluste bei den anderen, ausgestoppten Positionen reduziert. Aufwärtstrends verflachen, verfließen, kippen. Wenn man nicht aufpaßt, sind mühsam entstandene Gewinne wieder verschwunden.
Ein marktbreiter Kursrückgang ist zermürbend. Es steigen scheinbar immer exakt die Aktien, die man selbst nicht hat. Sobald man sie hat, fangen sie an zu fallen. Daß das so ist, weiß man natürlich imgrunde schon seit langem. Aber man will es einfach nicht wahrhaben.
Nichts tun (Wu wei)?
Dagegen steht die Angst, man könnte (wieder mal!) die Trendwende verpassen und müßte dann "verspätet einsteigen". Die gleiche Angst, die Trendwende zu verpassen, haben auch jene, die durchhalten und stoisch weitere 30% Kursverlust ertragen, um auf diese Weise sicherzustellen, daß sie auf jeden Fall "dabei" sind, wenn es wieder aufwärts geht. Die Irrationalität menschlichen Denkens wird besonders in Marktsituationen wie der gegenwärtigen deutlich. Ich beziehe dies ausdrücklich auch auf mich selbst, um Mißverständnissen vorzubeugen.
Dabei ist die Lage eigentlich so eindeutig und offensichtlich. Die Märkte wollen nach unten. Die Baissetrends sind intakt. Das kann/will man (ich) alles nicht verstehen, es ist auch noch zu früh für die schlüssigen Erklärungen (Die werden erst später kommen, wenn alles vorbei ist).
Dessen ungeachtet wird man gegenwärtig von einem optimistischen Meinungsstrom mit dem Tenor, "ja, die Lage ist schlecht, aber das Schlimmste ist nun vorbei und bald wird es nach menschlichem Ermessen wieder aufwärts gehen (müssen)", überschwemmt. Diese Grundüberzeugung Dritter wirkt tröstend und mental stabilisierend, auf mich zumindestens. Erste Börsenjournale titeln bereits sinngemäß "Die besten Empfehlungen nach dem Crash", andere meinen "Mit diesen Aktien gewinnen Sie immer" oder "Neue Chancen nach der Krise". Wie beruhigend, daß ich nicht allein ungeduldig bin.
Wann ist eine Baisse zuende? Man hat sich inzwischen angewöhnt, dies nach einem "Sell out" zu erwarten. Nach dem es dann wieder hektisch und voller Optimismus nach oben geht. Das ist seit Anfang der achtziger Jahre immer so gewesen.
Davor kamen die Gesamtmarkttrendwechsel eigentlich immer dann, wenn alle "die Nase voll" hatten, nichts mehr von der Börse hören wollten, sich niemand mehr um die Börse kümmerte, diese umsatzschwach und lethargisch vor sich hinplätscherte, auf einer Party die Leute damit drohten, den Tisch zu wechseln, wenn man nicht sofort "dieses uninteressante Thema" beenden würde. Davon sind wir gegenwärtig noch meilenweit entfernt. Häufig wird z. Z. noch mit den erlittenen Kursverlusten und dem Hinweis auf die eigenen guten Nerven, mit deren Hilfe man "dies alles überstanden habe", schwadroniert. Übrigens auch eine Art anzugeben und seinem Gegenüber subtil mitzuteilen, wieviel Geld man hat, oder besser, wieviel Geld man hatte.
Mir scheint, die Stimmung ist noch gut. Zu gut für eine Trendwende.
Wu wei.
Kurt Seifert
30.11.2000
P.S.: Oder?