Worldcom steht vor dem Aus
26. Juni 2002 Ganz überraschend kam der Worldcom-Schock nicht - die amerikanische Börsenaufsicht SEC untersucht schon seit Monaten die Bilanzierungsmethoden des Konzerns. Auch wegen interner Kredite für Ex-Vorstandschef Bernie Ebbers wird ermittelt.
Am Dienstag haben sich die Gerüchte bestätigt und dabei die Erwartungen der zynischsten Beobachter übertroffen. Worldcom hat in 15 Monaten 3,9 Milliarden Dollar zuviel in seinen Büchern ausgewiesen - das ist wahrscheinlich die größte Fehlbuchung, die jemals festgestellt wurde. Zum Vergleich: Enron brachte es in vier Jahren auf einen Fehlbetrag von „nur“ 586 Millionen Dollar.
Riesiger Schuldenberg angehäuft
Die finanzielle Lage des Telekomkonzerns dürfte damit noch viel schlechter aussehen als vorher schon befürchtet. Die Worldcom-Aktie hatte in diesem Jahr bereits vor dem aktuellen Skandal 94 Prozent ihres Werts verloren, weil Investoren ernste Liquiditätsengpässe befürchteten. Bernie Ebbers hat mit einer aggressiven Expansionsstrategie sage und schreibe 30 Milliarden Dollar Schulden angehäuft, die nun drohen, Worldcom das Genick zu brechen.
Spätestens für 2003 rechneten Branchenkenner mit der Pleite von Worldcom, weil dann ein erheblicher Teil der Kredite fällig wird. Worldcom verhandelt zur Zeit angespannt mit seinen Banken über eine neue Kreditlinie von fünf Milliarden Dollar.
Worldcom ist kaum noch kreditwürdig
Die aktuelle Enthüllung dürfte allerdings nicht positiv zur Kreditwürdigkeit von Worldcom beitragen. Schon vor dem Skandal hatten Ratingagenturen wie Moody's und Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit von Worldcom auf „Junk“ - also hoch spekulativ - herabgestuft. Wenn die Bankengruppe - angeführt von Citigroup, Bank of America und J.P. Morgan Chase - blockt, bleibt wohl nur noch der Bankrott. Worldcom würde damit dem Muster von Enron und Global Crossing folgen, die nach Bilanzierungsskandalen Insolvenz anmelden mussten.
Das ist nicht die einzige Parallele zu Enron: Auch bei Worldcom prüfte Andersen die Bücher und gab am Mittwoch bekannt, nichts von den Fehlbuchungen bemerkt zu haben. Vor einem Monat hatte Worldcom Andersen als Wirtschaftsprüfer gefeuert und stattdessen KPMG mit der Prüfung der Bücher beauftragt. John W. Sidgmore, der neue Vorstandschef von Worldcom, zeigte sich geschockt von den Entdeckungen, die KPMG bei der Revision der Buchhaltung für 2002 und 2001 machte. Finanzchef Scott D. Sullivan wurde auf der Stelle gefeuert und folgte damit seinem ehemaligen Chef Bernie Ebbers, der im April zum Rücktritt gezwungen worden war.
Vom Milchmann zum Milliardär zum Betrüger
Bernie Ebbers verkörperte den amerikanischen Traum des Aufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär. Der Kanadier brachte es vom Milchmann zum Großunternehmer. Anfang der 90er Jahre erkannte er das Potential von Telekommunikation und begann, mit Ferngesprächsminuten zu handeln. 1995 bekam sein Unternehmen einen neuen Namen - Worldcom - und ging auf Einkaufstour. Innerhalb weniger Jahre kaufte Ebbers mehr als 75 Unternehmen und schuf einen Telekommunikationsgiganten. Die Medien liebten den Selfmade-Milliardär, gerade in den euphorischen Börsenzeiten Ende der 90er Jahre war er der Held der New Economy.
Ebbers größter Deal war 1998 die Übernahme von MCI, Amerikas Ferngesprächsanbieter Nummer zwei - damals der größte Unternehmenskauf überhaupt. Doch bald danach verließ Ebbers das Glück. 2000 scheiterte der Versuch, den amerikanischen Konkurrenten Sprint zu übernehmen - die Kartellämter verweigerten ihre Zustimmung. Schrumpfende Umsatzsaussichten brachten den Kurs der Worldcom-Aktie ins Trudeln. Vom Allzeithoch von 62 Dollar fiel der Kurs auf zur Zeit gerade mal noch 90 US-Cent. In diesem Jahr kam heraus, dass Ebbers sich 366 Millionen Dollar von Worldcom geliehen hatte, um Verluste auszugleichen, die er durch den Kauf von Worldcom-Aktien erlitten hatte. Ebbers musste gehen, die Rückzahlung des Kredits ist mehr als zweifelhaft.
US-Bilanzierungsregeln verlieren Glaubwürdigkeit
Nun stellte sich heraus, dass Worldcom systematisch seine Bilanzen manipuliert hat. Ausgaben wurden nicht als Aufwendungen, sondern als Sachinvestitionen verbucht, also aktiviert. Das verbesserte den Cashflow und trieb die Gewinne in die Höhe. Besonders pikant: Der Cashflow galt bislang als schwer zu manipulieren und damit als relativ sicheres Mittel, um die Finanzen eines Unternehmens zu analysieren. Dank Worldcom dürfte das Vertrauen der Anleger nun endgültig zerstört sein und auch die amerikanischen Bilanzierungsregeln (US-GAAP) geraten erneut in die Kritik.
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26. Juni 2002 Ganz überraschend kam der Worldcom-Schock nicht - die amerikanische Börsenaufsicht SEC untersucht schon seit Monaten die Bilanzierungsmethoden des Konzerns. Auch wegen interner Kredite für Ex-Vorstandschef Bernie Ebbers wird ermittelt.
Am Dienstag haben sich die Gerüchte bestätigt und dabei die Erwartungen der zynischsten Beobachter übertroffen. Worldcom hat in 15 Monaten 3,9 Milliarden Dollar zuviel in seinen Büchern ausgewiesen - das ist wahrscheinlich die größte Fehlbuchung, die jemals festgestellt wurde. Zum Vergleich: Enron brachte es in vier Jahren auf einen Fehlbetrag von „nur“ 586 Millionen Dollar.
Riesiger Schuldenberg angehäuft
Die finanzielle Lage des Telekomkonzerns dürfte damit noch viel schlechter aussehen als vorher schon befürchtet. Die Worldcom-Aktie hatte in diesem Jahr bereits vor dem aktuellen Skandal 94 Prozent ihres Werts verloren, weil Investoren ernste Liquiditätsengpässe befürchteten. Bernie Ebbers hat mit einer aggressiven Expansionsstrategie sage und schreibe 30 Milliarden Dollar Schulden angehäuft, die nun drohen, Worldcom das Genick zu brechen.
Spätestens für 2003 rechneten Branchenkenner mit der Pleite von Worldcom, weil dann ein erheblicher Teil der Kredite fällig wird. Worldcom verhandelt zur Zeit angespannt mit seinen Banken über eine neue Kreditlinie von fünf Milliarden Dollar.
Worldcom ist kaum noch kreditwürdig
Die aktuelle Enthüllung dürfte allerdings nicht positiv zur Kreditwürdigkeit von Worldcom beitragen. Schon vor dem Skandal hatten Ratingagenturen wie Moody's und Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit von Worldcom auf „Junk“ - also hoch spekulativ - herabgestuft. Wenn die Bankengruppe - angeführt von Citigroup, Bank of America und J.P. Morgan Chase - blockt, bleibt wohl nur noch der Bankrott. Worldcom würde damit dem Muster von Enron und Global Crossing folgen, die nach Bilanzierungsskandalen Insolvenz anmelden mussten.
Das ist nicht die einzige Parallele zu Enron: Auch bei Worldcom prüfte Andersen die Bücher und gab am Mittwoch bekannt, nichts von den Fehlbuchungen bemerkt zu haben. Vor einem Monat hatte Worldcom Andersen als Wirtschaftsprüfer gefeuert und stattdessen KPMG mit der Prüfung der Bücher beauftragt. John W. Sidgmore, der neue Vorstandschef von Worldcom, zeigte sich geschockt von den Entdeckungen, die KPMG bei der Revision der Buchhaltung für 2002 und 2001 machte. Finanzchef Scott D. Sullivan wurde auf der Stelle gefeuert und folgte damit seinem ehemaligen Chef Bernie Ebbers, der im April zum Rücktritt gezwungen worden war.
Vom Milchmann zum Milliardär zum Betrüger
Bernie Ebbers verkörperte den amerikanischen Traum des Aufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär. Der Kanadier brachte es vom Milchmann zum Großunternehmer. Anfang der 90er Jahre erkannte er das Potential von Telekommunikation und begann, mit Ferngesprächsminuten zu handeln. 1995 bekam sein Unternehmen einen neuen Namen - Worldcom - und ging auf Einkaufstour. Innerhalb weniger Jahre kaufte Ebbers mehr als 75 Unternehmen und schuf einen Telekommunikationsgiganten. Die Medien liebten den Selfmade-Milliardär, gerade in den euphorischen Börsenzeiten Ende der 90er Jahre war er der Held der New Economy.
Ebbers größter Deal war 1998 die Übernahme von MCI, Amerikas Ferngesprächsanbieter Nummer zwei - damals der größte Unternehmenskauf überhaupt. Doch bald danach verließ Ebbers das Glück. 2000 scheiterte der Versuch, den amerikanischen Konkurrenten Sprint zu übernehmen - die Kartellämter verweigerten ihre Zustimmung. Schrumpfende Umsatzsaussichten brachten den Kurs der Worldcom-Aktie ins Trudeln. Vom Allzeithoch von 62 Dollar fiel der Kurs auf zur Zeit gerade mal noch 90 US-Cent. In diesem Jahr kam heraus, dass Ebbers sich 366 Millionen Dollar von Worldcom geliehen hatte, um Verluste auszugleichen, die er durch den Kauf von Worldcom-Aktien erlitten hatte. Ebbers musste gehen, die Rückzahlung des Kredits ist mehr als zweifelhaft.
US-Bilanzierungsregeln verlieren Glaubwürdigkeit
Nun stellte sich heraus, dass Worldcom systematisch seine Bilanzen manipuliert hat. Ausgaben wurden nicht als Aufwendungen, sondern als Sachinvestitionen verbucht, also aktiviert. Das verbesserte den Cashflow und trieb die Gewinne in die Höhe. Besonders pikant: Der Cashflow galt bislang als schwer zu manipulieren und damit als relativ sicheres Mittel, um die Finanzen eines Unternehmens zu analysieren. Dank Worldcom dürfte das Vertrauen der Anleger nun endgültig zerstört sein und auch die amerikanischen Bilanzierungsregeln (US-GAAP) geraten erneut in die Kritik.
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