Freitag, 10. März 2006
Worauf Sie, ohne es zu wissen, schon seit Jahren ungeduldig warten!
von Jochen Steffens
Ist das heute zunächst ein langweiliger Tag gewesen. Die Börse verhielt sich heute wie ein Kaninchen vor der Schlange – zu Tode erstarrt, schließlich wurden heute um 14.30 Uhr die US-Arbeitsmarktdaten veröffentlicht. Dazu später etwas mehr. Traden war heute morgen nicht möglich, also habe ich die verbliebene Zeit genutzt, um ein wenig durch das Netz zu surfen und bin dabei auf wahrhaft Erstaunliches gestoßen!
Darauf haben wir schon lange gewartet
Wissen Sie, worauf ich eigentlich, ohne es bisher zu wissen, schon mein ganzes Börsianer-Leben lang gewartet habe? Auf ein Buch von Alan Greenspan! Endlich wird sich mein langersehnter Wunsch erfüllen. Wie ich gelesen haben, erhält er dafür 8 Millionen Dollar – als Vorschuss! (Das sollten die mir mal bieten, was glauben Sie, wie viel Zeit ich plötzlich hätte, mein Buch endlich einmal fertig zu schreiben.)
Ich weiß, auch Sie sind wahrscheinlich im höchsten Maße ungeduldig, können es kaum abwarten, die Autobiographie vom Magier der Zentralbanken, unserem Old Greeny zu lesen. Was werden wir uns über Sätze freuen, die Sie so, aber auch so und sicherlich auch ganz anders auslegen können, verschachtelt, trocken und langatmig. Mit fiebrigen Augen werden wir in jedem dieser Sätze einen Hinweis zu finden suchen, auf eine bedeutsame Angelegenheit, die geldwert umzusetzen ist.
Jedoch noch wesentlich mehr wird uns interessieren, wie Alan Greenspan gekleidet war, als er diese oder jene Zeile geschrieben hat, ob seine Aktentasche in dieser Zeit dick, dünner oder kariert war. Es wird nicht lange dauern und irgendwelche findige Mathematiker werden in den Zeilen einen geheimen Code entdecken, der detailliert den Weg zu ewigem Reichtum oder auch ewiger Jugend offenbart – je nachdem was einem gerade wichtiger erscheint.
Bänker warten vor Büchereien
Ich bin mir sicher, in der Nacht bevor das Buch in Deutschland veröffentlich wird, werden Heerscharen von Bankern mit Klappstühlen und Decken vor den Büchereien sitzen, um bloß noch eine Ausgabe zu ergattern. Kleine niedliche Plastikfigürchen, "Alan Greenspan vor dem Kongress", "Alan Greenspan bei der Queen", etc. werden unsere Schreibtische schmücken. Leckeres Gebäck wird den Namen Greenspans tragen und natürlich, da besteht keine Frage, wird ein oskarverdächtiger Film dazu gedreht werden. Ich bin gespannt, ob meine Lebensgefährtin mich dieses Mal dazu überreden kann, mit ins Kino zu kommen ...
Wenn Sie nun aus welchen Gründen auch immer, auf die Idee kommen sollten, meine Phantasie wäre mit mir durchgegangen, zurecht. Aber nun sind auch endlich die Arbeitsmarktdaten da:
US-Arbeitsmarktdaten
Die Zahl der neuen Stellen in den USA ist im Februar auf 243.000 Punkte angestiegen und damit deutlich höher ausgefallen, als die erwarteten 218.000 Stellen. Ich hätte aufgrund der schlechteren Zahlen zu den Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe in den letzten Wochen ehrlich gesagt mit einem schlechteren Wert gerechnet. Aber US-Arbeitsmarktdaten sind immer gut für Überraschungen.
Die Arbeitslosenquote in den USA beträgt magere 4,8 %. Die Stundenlöhne sind auch gestiegen, um 0,05 % und liegen damit genau in den Prognosen.
Der US-Futures und der Dax hüpften anschließend unter hoher Volatilität hin und her. Offenbar, wusste der Markt nicht, was er mit diesen Zahlen anfangen soll. Auf der einen Seite ist ein starker Arbeitsmarkt ein Garant für einen stabilen Konsum, das kann sich positiv auf die Gewinne der Unternehmen auswirken, auf der anderen Seite wird damit die sowieso schon übertriebene Zinserhöhungsangst geschürt. (Auch wenn das nach den vielen schlechteren Nachrichten aus den USA meines Erachtens unbegründet ist. )
Eigentlich, da die US-Börsen in den letzten Wochen nicht mehr positiv auf schlechtere Nachrichten reagiert hatten, müssten sie aus der Logik heraus auf diese Nachricht positiv reagieren. Nur, Börse hat nicht so viel mit Logik zu tun, wie man gemeinhin denkt.
Sollte es jedoch heute in den USA zu einem starken Reversal-Day kommen, dann können wir uns auf ein paar Tage mit steigenden Kursen freuen. Dann wäre übrigens tatsächlich der Motz- und Nerv-Mittwoch das richtige Einstiegssignal gewesen – wie so oft.
Ich sehe gerade, nun endlich kommt Aufwärtsdynamik in die US-Indizes – mal sehen, ob sich das bis zum Handelsschluss durchsetzen kann.
Eine kleine Warnung am Schluss
Wenn allerdings die Dynamik in den USA nachlässt, der Dax nun wieder in sich zusammenfallen sollte (z.B. am Montag), sogar das letzte Tief bei 5660/5700 Punkten nach unten verlässt, dann liegt das Kursziel bei ca 5520/5500 Punkten. Da ist auch noch das Gap im Dax offen. Dazu mehr, falls dieser Fall eintritt.