Es ist schon ein Glück, dass die Fußball-Zuschauer in Japan und Südkorea genug damit zu tun haben, das Spiel zu verstehen. So vergessen sie vielleicht zeitweise die Qualen, die ihnen der Fußball-Krake Fifa zumutet.
Es war eine wahre Freude, den Japanern bei dem ersten WM-Spiel ihrer Mannschaft zuzusehen. Mit kindlicher Begeisterung jubelten sie ihrem Team zu, schrieen aus vollem Hals bei jedem Angriff ihrer Kämpfer. Und man half sich gegenseitig. Immer wieder sah man Szenen wie diese: Eine Frau schreit los, die andere schaut sie verständnislos an. Nach einer kurzen Erklärung schreit auch die zweite los. Das es zu spät für den Schrei ist, stört niemanden. Gründe zum Schreien gibt es ja genug bei dieser WM.
Und genug Ärger gibt es auch, vor allem außerhalb der Stadien. Die Organisation der Fifa ist ein Graus, wie aus einem Lehrbuch für Missmanagement.
Lektion eins: Gib den Zuschauern einfach nicht die Tickets, die sie gekauft haben.
Das bringt Schlagzeilen. Bis Montag zählte die größte japanische Zeitung "Asahi Shimbun" allein in den japanischen Stadien 59.282 leere Plätze. Grund: Die von der Fifa eingesetzte britische Agentur Byrom brachte es nicht fertig, die Eintrittskarten rechtzeitig zum Kunden zu bringen. Sogar bei dem Spiel Japan - Belgien, das heiß ersehnt und laut Fifa schon lange vor Beginn der WM ausverkauft war, blieben am Dienstag noch rund 8000 Plätze ohne Fan. Die Organisationskomitees in Japan (Jawoc) und Südkorea (Kowoc) sind mit dem Ansturm völlig überfordert: Internet-Verbindungen sind ständig überlastet, Hotlines stundenlang belegt.
Und die Leere in den Stadien führt zu interessanten Fernsehbildern. Das von einem Japaner zum Beispiel, der bei dem Spiel Kroatien gegen Mexico aus Langeweile die Eignung von fünf WM-Sitzplätzen - Preis pro Stück mindestens 70 Euro - als Schlafcouch testete. Peinlich ist so etwas für den japanischen Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi, der seinem Volk nun richtig gut erklären muss, warum geschätzte 5,7 Milliarden Dollar an Steuergeldern allein in den Bau der dürftig besuchten WM-Tempel gesteckt wurden - man hat in Japan ja sonst keine finanziellen Probleme.
Lektion zwei: Mache die Fernsehrechte so teuer, dass sie keiner mehr bezahlen kann oder will.
Das bringt spannendes Fernsehen. Rund 1,75 Milliarden Euro zahlten KirchMedia und der langjährige Fifa-Partner ISL für die Rechte an den Weltmeisterschaften 2002 und 2006. Das tat den Firmen nicht gut: Die ISL ist mittlerweile komplett pleite, Kirch kämpft gerade noch ums Überleben. Neben der Spannung, ob Deutschland diesmal die Vorrunde übersteht, können Zuschauer nun auch mitfiebern, ob ARD und ZDF zur Endrunde noch im Rennen sind, oder ob sie von irgendwelchen Rechteakrobaten ausgeknockt werden.
Und es bringt dem deutschen Publikum ein seltsames WM-Fieber am Abend. Auf Knopfdruck ab 21.15 Uhr mit allen Toren und ganz vielen Werbepausen. Da bekommen die Zuschauer dann die Szenen, die sie am Tag nicht sehen durften, mundgerecht zubereitet. Richtig lustig bei dieser allabendlichen WM-Karaoke sind die Moderatoren. Paul Breitner und Oliver Welke tun vor ihren Einspielschnipseln so, als wäre das Ergebnis vom Vormittag noch niemandem auf der Welt bekannt. Das ist großes Fernsehen.
Lektion drei: Nimm deine Sponsoren aus und kümmere dich dann nicht mehr um sie.
Es ist momentan ziemlich mühsam, in dem Werbewust rund um die Spiele einen der 15 WM-Sponsoren ausfindig zu machen, die für die WM 2002 immerhin im Schnitt 50 Millionen Euro an Blatter & Co. gezahlt haben. In den Werbeblöcken zwischen den Happen der WM-Fieber-Sendung beispielsweise sind unter anderem folgende Spots zu sehen. Ronaldo und Luis Figo kicken für Nike, Totti schießt für Fiat ins Tor, Klinsmann trainiert für Müller Milch, Sepp Maier tut es für Bitburger, Oliver Kahn macht für Lion den Löwen, Uwe Seeler jubelt für AOL, Günter Netzer und Franz Beckenbauer geben ihre Weisheiten für T-Mobile beziehungsweise Yellostrom ans Publikum und schließlich bittet Altmeister Pelé noch seine Altersgenossen, sich bei Erektionsstörungen vertrauensvoll an Viagra-Produzent Pfizer zu wenden.
Was haben alle diese Werbespots gemeinsam? Richtig. Die aufgezählten Firmen sind allesamt keine Sponsoren der WM. Sie haben keine horrenden Summen an die Fifa bezahlt, um das Logo in ihren Spots aufflackern zu lassen. Warum auch? Niemand kann es einem verbieten, vor der Kamera Fußball zu spielen, wenn gerade WM ist, nicht einmal die Fifa. Und nachher weiß sowieso niemand mehr, wer Sponsor war und wer nicht. Nach der WM 1998, so eine Studie, konnten sich 66 Prozent der Befragten nicht mehr an die Sponsoren erinnern. Nike wurde immerhin von jedem fünften Befragten für einen WM-Sponsor gehalten - ohne dafür auch nur einen Cent bezahlt zu haben. Damit nicht genug: Jedes Team bringt eigene Partner zur WM mit: Weltmeister Frankreich hat 21 Finanziers, England bringt es auf zehn und Deutschland auf sieben (DaimlerChrysler, Adidas, Bitburger, Ferrero, Coca-Cola, Telekom und Fujitsu-Siemens). Besonders verwirrend ist die Situation im englischen Team. Coca-Cola ist sowohl für das Team wie für die WM der offizielle Getränkelieferant. Starspieler David Beckham spielt dagegen im Auftrag des Erzfeindes Pepsi gegen Sumo-Ringer - was natürlich wieder überhaupt nichts mit der WM zu tun hat.
Aber den Fans ist das egal - Hauptsache der Ball rollt. Nachdem Südkorea gegen Polen gewonnen und Japan gegen Belgien unentschieden gespielt hat, verschwand das Ticketchaos aus den japanischen Zeitungen. In Japan freute man sich über den ersten Punkt bei einer WM überhaupt, in Südkorea über den historischen ersten Sieg. So einfach geht das. Schon träumen die Ökonomen des japanischen Dentsu Institute for Human Studies von einem Turniersieg Japans. Dann, so die Berechnung, würde der Privatkonsum im Land um 988,3 Milliarden Yen (8,4 Milliarden Euro) in die Höhe schnellen.
Es war eine wahre Freude, den Japanern bei dem ersten WM-Spiel ihrer Mannschaft zuzusehen. Mit kindlicher Begeisterung jubelten sie ihrem Team zu, schrieen aus vollem Hals bei jedem Angriff ihrer Kämpfer. Und man half sich gegenseitig. Immer wieder sah man Szenen wie diese: Eine Frau schreit los, die andere schaut sie verständnislos an. Nach einer kurzen Erklärung schreit auch die zweite los. Das es zu spät für den Schrei ist, stört niemanden. Gründe zum Schreien gibt es ja genug bei dieser WM.
Und genug Ärger gibt es auch, vor allem außerhalb der Stadien. Die Organisation der Fifa ist ein Graus, wie aus einem Lehrbuch für Missmanagement.
Lektion eins: Gib den Zuschauern einfach nicht die Tickets, die sie gekauft haben.
Das bringt Schlagzeilen. Bis Montag zählte die größte japanische Zeitung "Asahi Shimbun" allein in den japanischen Stadien 59.282 leere Plätze. Grund: Die von der Fifa eingesetzte britische Agentur Byrom brachte es nicht fertig, die Eintrittskarten rechtzeitig zum Kunden zu bringen. Sogar bei dem Spiel Japan - Belgien, das heiß ersehnt und laut Fifa schon lange vor Beginn der WM ausverkauft war, blieben am Dienstag noch rund 8000 Plätze ohne Fan. Die Organisationskomitees in Japan (Jawoc) und Südkorea (Kowoc) sind mit dem Ansturm völlig überfordert: Internet-Verbindungen sind ständig überlastet, Hotlines stundenlang belegt.
Und die Leere in den Stadien führt zu interessanten Fernsehbildern. Das von einem Japaner zum Beispiel, der bei dem Spiel Kroatien gegen Mexico aus Langeweile die Eignung von fünf WM-Sitzplätzen - Preis pro Stück mindestens 70 Euro - als Schlafcouch testete. Peinlich ist so etwas für den japanischen Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi, der seinem Volk nun richtig gut erklären muss, warum geschätzte 5,7 Milliarden Dollar an Steuergeldern allein in den Bau der dürftig besuchten WM-Tempel gesteckt wurden - man hat in Japan ja sonst keine finanziellen Probleme.
Lektion zwei: Mache die Fernsehrechte so teuer, dass sie keiner mehr bezahlen kann oder will.
Das bringt spannendes Fernsehen. Rund 1,75 Milliarden Euro zahlten KirchMedia und der langjährige Fifa-Partner ISL für die Rechte an den Weltmeisterschaften 2002 und 2006. Das tat den Firmen nicht gut: Die ISL ist mittlerweile komplett pleite, Kirch kämpft gerade noch ums Überleben. Neben der Spannung, ob Deutschland diesmal die Vorrunde übersteht, können Zuschauer nun auch mitfiebern, ob ARD und ZDF zur Endrunde noch im Rennen sind, oder ob sie von irgendwelchen Rechteakrobaten ausgeknockt werden.
Und es bringt dem deutschen Publikum ein seltsames WM-Fieber am Abend. Auf Knopfdruck ab 21.15 Uhr mit allen Toren und ganz vielen Werbepausen. Da bekommen die Zuschauer dann die Szenen, die sie am Tag nicht sehen durften, mundgerecht zubereitet. Richtig lustig bei dieser allabendlichen WM-Karaoke sind die Moderatoren. Paul Breitner und Oliver Welke tun vor ihren Einspielschnipseln so, als wäre das Ergebnis vom Vormittag noch niemandem auf der Welt bekannt. Das ist großes Fernsehen.
Lektion drei: Nimm deine Sponsoren aus und kümmere dich dann nicht mehr um sie.
Es ist momentan ziemlich mühsam, in dem Werbewust rund um die Spiele einen der 15 WM-Sponsoren ausfindig zu machen, die für die WM 2002 immerhin im Schnitt 50 Millionen Euro an Blatter & Co. gezahlt haben. In den Werbeblöcken zwischen den Happen der WM-Fieber-Sendung beispielsweise sind unter anderem folgende Spots zu sehen. Ronaldo und Luis Figo kicken für Nike, Totti schießt für Fiat ins Tor, Klinsmann trainiert für Müller Milch, Sepp Maier tut es für Bitburger, Oliver Kahn macht für Lion den Löwen, Uwe Seeler jubelt für AOL, Günter Netzer und Franz Beckenbauer geben ihre Weisheiten für T-Mobile beziehungsweise Yellostrom ans Publikum und schließlich bittet Altmeister Pelé noch seine Altersgenossen, sich bei Erektionsstörungen vertrauensvoll an Viagra-Produzent Pfizer zu wenden.
Was haben alle diese Werbespots gemeinsam? Richtig. Die aufgezählten Firmen sind allesamt keine Sponsoren der WM. Sie haben keine horrenden Summen an die Fifa bezahlt, um das Logo in ihren Spots aufflackern zu lassen. Warum auch? Niemand kann es einem verbieten, vor der Kamera Fußball zu spielen, wenn gerade WM ist, nicht einmal die Fifa. Und nachher weiß sowieso niemand mehr, wer Sponsor war und wer nicht. Nach der WM 1998, so eine Studie, konnten sich 66 Prozent der Befragten nicht mehr an die Sponsoren erinnern. Nike wurde immerhin von jedem fünften Befragten für einen WM-Sponsor gehalten - ohne dafür auch nur einen Cent bezahlt zu haben. Damit nicht genug: Jedes Team bringt eigene Partner zur WM mit: Weltmeister Frankreich hat 21 Finanziers, England bringt es auf zehn und Deutschland auf sieben (DaimlerChrysler, Adidas, Bitburger, Ferrero, Coca-Cola, Telekom und Fujitsu-Siemens). Besonders verwirrend ist die Situation im englischen Team. Coca-Cola ist sowohl für das Team wie für die WM der offizielle Getränkelieferant. Starspieler David Beckham spielt dagegen im Auftrag des Erzfeindes Pepsi gegen Sumo-Ringer - was natürlich wieder überhaupt nichts mit der WM zu tun hat.
Aber den Fans ist das egal - Hauptsache der Ball rollt. Nachdem Südkorea gegen Polen gewonnen und Japan gegen Belgien unentschieden gespielt hat, verschwand das Ticketchaos aus den japanischen Zeitungen. In Japan freute man sich über den ersten Punkt bei einer WM überhaupt, in Südkorea über den historischen ersten Sieg. So einfach geht das. Schon träumen die Ökonomen des japanischen Dentsu Institute for Human Studies von einem Turniersieg Japans. Dann, so die Berechnung, würde der Privatkonsum im Land um 988,3 Milliarden Yen (8,4 Milliarden Euro) in die Höhe schnellen.