Samstag, 26. Juli 2008
die an Peinlichkeit kaum zu überbietenden und reichlich bizarren Details des "Falles Wirecard/SdK", erinnern mehr an schlechte Sitcoms als an Kapitalmarkt-Kommunikation. Nachfolgend erhalten Sie meine Sicht der Dinge:
Ein ambitionierter Privatanleger verfasst bei Wallstreet : online einen detaillierten und faktenreichen Beitrag über mögliche Bilanzmanipulationen bei Wirecard.
Wirecard ist auf Online-Bezahl-Lösungen spezialisiert und bisher - dem Aktienkurs und Analysteneinschätzungen nach zu urteilen - eine einzige Erfolgsgeschichte. Die Aktie gehört immerhin dem TecDAX an, die Börsenbewertung überschritt im Frühjahr die Marke von einer Milliarde Euro.
Diesen Beitrag liest auch Markus Straub, der stellvertretende Vorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK; 1959 gegründet als Schutzgemeinschaft der Kleinanleger). Er kniet sich tiefer in den Fall rein und gelangt zur Überzeugung, dass die Aktie massiv überbewertet ist.
Er setzt mit hohem Hebel auf einen fallenden Kurs bei Wirecard (über so genannte CFDs = Contracts for Difference) und informiert dann "selbstlos" seine Kollegen vom SdK über den potenziellen Bilanzskandal.
Diese gehen damit an die Öffentlichkeit, die Aktie bricht ein, Leerverkäufer reiben sich die Hände, gehen ebenfalls short und erzeugen damit noch mehr Druck auf die Aktie. Die Dementis von Wirecard in Form von Pressemeldungen und auf der eigenen Homepage können den Fall nicht mehr abbremsen.
• Wirecard
• WKN / Kürzel
747206 / WDI
• Börsenwert
487 Mio. Euro
• KGV 08e / 09e
11 / 8
• Div.-Rend. 08e
keine
• Akt. Kurs
5,91 Euro
Markus Straub kann sich freuen - seine Spekulation auf fallende Kurse scheint aufzugehen. Allerdings bleibt ein fader Beigeschmack: Schließlich hat er indirekt selber dafür gesorgt, dass die potenziellen Bilanzierungsungereimtheiten einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden. Somit war fast sicher, dass der Kurs von Wirecard fallen würde und er mit seiner Spekulation Geld verdienen würde.
Das ist vor allem auch deshalb bedenklich, weil bis dato nicht feststeht, ob die Vorwürfe tatsächlich berechtigt sind. Der Fall scheint keineswegs so eindeutig zu sein, wie beispielsweise bei Thielert.
*Wirecard schlägt zurück - mit fraglichen Mitteln
Aber zurück zu den tatsächlichen Geschehnissen: Wirecard und seine Großaktionäre sind natürlich alles andere als erfreut über die Geschehnisse.
Die Grasbrunner stellen Nachforschungen an und finden heraus, dass Straub und offenbar auch der ehemalige SdK-Sprecher Tobias Bosler bei Wirecard auf eigene Rechnung auf fallende Kurse spekuliert haben. Wirecard macht dies öffentlich und sorgt so für einen weiteren Paukenschlag.
Doch auch hier ist die Vorgehensweise äußert fraglich. Schließlich gibt es auch in Deutschland ein (wenn auch immer löchriger werdendes) Bankgeheimnis. Wirecard kann somit eigentlich nur illegal an die Informationen über die offenen CFD-Positionen von Straub und Bosler gekommen sein. Zudem mockiert sich Wirecard darüber, dass die SdK jegliche Gespräche ablehnt.
Straub entgegnet in einem Interview mit der Zeitschrift "Der Aktionär", dass Wirecard einen faulen Deal vorgeschlagen habe: Die SdK solle alle Vorwürfe zurücknehmen und im Gegenzug würde Wirecard über die Shortgeschäfte von ihm und Bosler schweigen.
Damit wären wir - vorausgesetzt Straub sagt die Wahrheit - bei Skandal Nummer drei: Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine astreine Erpressung. Was bitte sind das denn für Methoden? Dazu passt folgender Auszug aus dem Aktionärs-Interview, den ich hier ungekürzt weitergeben möchte?
"Am 10. Juli tauchte um etwa 17.30 Uhr der Wirecard-Anwalt Jens Röhrborn in Begleitung von zwei in schwarzen Anzügen gekleideten Herren in seinem Büro auf (Anm. d. Verf.: Gemeint ist das Büro von Tobias Bosler). Zu dritt schrieen sie auf Herrn Bosler ein und wollten herausfinden, was er über Wirecard weiß. Einer der Begleiter sagte sinngemäß den Satz: ´In der Türkei sterben Leute wegen 1.000 Euro, Mann, verstehst du.´ Herr Bosler hat schließlich die Polizei gerufen, die dann auch kam."
Diese Geschichte ist so abstrus, das wahrscheinlich keiner auf die Idee kommen würde, sie sich auszudenken. Also muss sie wohl stimmen, zumal Bosler offenbar die ausgedrückten Zigarettenkippen der Begleiter sichergestellt hat, so dass eine Identifizierung über die DNA möglich ist. Die Moral von der Geschicht: Krimis schauen lohnt sich doch! Man weiß, ob man das Gelernte nicht doch mal in der Praxis einsetzen kann. Aber im Ernst: Diese Vorgehensweise spricht auch nicht gerade für Wirecard.
*Diskussion gleitet ab
Dass die Medien im Anschluss daran weniger über die inhaltlichen, sprich: bilanzierungstechnischen, Anschuldigungen gegen Wirecard diskutierten, sondern über das Possenspiel der Beteiligten verwundert da nicht im Geringsten.
Der Druck auf Straub wird schließlich so groß, dass er per Mail seinen Rücktritt erklärt - und dabei gleich den nächsten Skandal produziert. Straub schreibt darin wörtlich:
"Der Rücktritt vom Amt des stellvertretenden Vorsitzenden ermöglicht mir viele zusätzliche Freiheitsgrade. Ich habe zahlreiche Angebote und Optionen und auch das Gefühl, dass mein Name gelegentlich wieder in der Presse auftauchen wird.
Eines ist jedoch sicher: Statt wie in den letzten Jahren den ganzen Januar im Büro zu sitzen und das Schwarzbuch Börse (Anm. d. Verf.: Eine jährlich erscheinende Publikation der SdK, in der Skandale und Missstände rund um das Börsengeschehen angeprangert werden) zu schreiben, werde ich im nächsten Jahr Ski fahren gehen, auf einer Hütte ein paar Bier trinken und dann wahrscheinlich irgendwo in den Schnee pissen (sic!)."
Hallo? Geht es eigentlich noch peinlicher?
Bis zu einem gewissen Grad kann man Straub ja verstehen: Jahr für Jahr beschäftigt er sich ehrenamtlich mit den dunklen Seiten des Börsengeschehens und muss dann oft genug mit ansehen, dass die größten Abzocker und Betrüger mangels rechtlicher Handhabe ungeschoren davon kommen. Das Einzige, was Straub und seine Kollegen davon haben, ist - so scheint es - viel Arbeit und viel Ärger.
Anerkennung in der Öffentlichkeit gibt es meist keine. Obwohl die SdK mehr als achtbare Erfolge vorzuweisen hat. Zum Beispiel als der Kabelnetzbetreiber Primacom seine Aktionäre bei der eigenen Übernahme mit 25 Cent je Aktie quasi enteignen wollte und die SdK erfolgreich intervenierte. Auch hier kämpfte Straub an vorderster Front für die Primacom-Aktionäre. Heute notiert die Aktie wieder bei knapp neun Euro.
Ist Straub also nur das Bauernopfer, dass sich für einmal ein Stück vom Kuchen abschneiden wollte und nun deswegen in den Medien niedergemacht wird?
*Diese Vorgehensweise hat Methode
Nein, denn die Vorgehensweise bei Wirecard war - wie Straub in besagtem Interview zugibt - kein Einzelfall. Auch bei Arques bzw. Thielert, den beiden letzten Skandalfällen am Markt - hat bzw. hatte Straub auf fallende Kurse gesetzt und war gleichzeitig im Namen der SdK als Kritiker aufgetreten.
Als Aktionärsschützer hat Straub jedoch alle Aktionäre gleichermaßen zu vertreten - auch die von Wirecard, Thielert, Arques und Co. Indem er diese Aktien auf persönliche Rechnung shortet und damit ein eigenes Interesse an fallenden Kursen hat, kann er nicht mehr objektiv und im besten Interesse aller Aktionäre auftreten.
Wer im Internet nach den Herren der SdK googlet, dem begegnen gar sonderliche Dinge. Das berichtet übrigens in den Stunden, in denen ich diesen Text verfasse auch das Handelsblatt. Den entsprechenden Artikel finden Sie hier.
Ich denke, ich muss die Angelegenheit nicht weiter kommentieren - die Sache spricht für sich.
MEIN FAZIT:
Jeder kann prinzipiell da investieren, wo er will - und das ist auch gut so. Dabei schließe ich ausdrücklich das Short-Selling mit ein. Dieses trägt seinen Teil zur Marktbereinigung und zur Korrektur von Exzessen bei und hilft dabei, den Markt effektiver zu machen.
Mir stinkt es allerdings ganz gewaltig, dass einige Leute sich vordergründig als große und selbstlose Aktionärsschützer präsentieren, gleichzeitig aber hintenrum mit verschiedenen Deals mächtig abkassieren. Wenn schon dann sollten Sie bitte gleich vorher von ihren "ehrenamtlichen" Posten zurücktreten. Das ist dann weniger peinlich als hinterher!
Gerade Straub und Co. sollte als vermeintliche Vertreter der Anlegerschaft klar sein, welche verheerende Auswirkung die verschiedenen Skandälchen im Falle Wirecard/SdK auf die Aktienkultur in Deutschland haben.
Das Bild, das hier in der Öffentlichkeit über den Aktienmarkt und seine Akteure entsteht, trägt ganz gewiss nicht dazu bei, die ohnehin durch den Neuen Markt stark verunsicherten deutschen Anleger wieder zurück an den Markt zu locken.
Doch die sind Straub wohl in Wirklichkeit reichlich egal. Was er tatsächlich will, wissen wir ja jetzt: Skifahren, Bier trinken und vielleicht in den Schnee pissen.
Gruß opti