19. Oktober 2005 Die jüngste Welle von Börsengängen treibt seltsame Blüten: Nicht wenige Anleger sind über Nacht zu Besitzern einer recht überschaubaren Anzahl von Aktien geworden. Am vergangenen Freitag wurde beispielsweise für die Börseneinführung des Solarwertes Sunline eine Zuteilungsquote von 1,38 Prozent festgelegt. Hatte also ein Anleger 100 Aktien gezeichnet, bekäme er demnach eine Aktie. Bei 1000 wären es immerhin 13 Titel. Mit dem Ausgabepreis von 5,30 Euro je Aktie entspricht dies einem Wert von 68,90 Euro. Zuzüglich der Gebühren für den Bezug und einen möglichen Verkauf bringt das dem frischgebackenen Aktionär trotz eventueller Kursgewinne nicht mehr viel - oder sogar ein Minus.
Zahlreiche Anleger zeigten sich daher empört über solch geringe Zuteilungen. Der Onlinebroker Comdirect hat nun auf diese Kritik reagiert und verkündet, alle im Zusammenhang mit der Zeichnung von Sunline entstandenen Orderprovisionen zu erstatten. Zudem verzichte man bis zu einem Verkaufserlös von 25 Euro auf die Auftragsgebühr. Konkurrent Cortal Consors hat versucht, diesem Dilemma im Vorfeld zu entkommen. Hier wurden Pakete zu jeweils 200 Aktien unter den Interessenten verlost. Man sei lediglich der Empfehlung der Baader Wertpapierhandelsbank - sie begleitet den Börsengang - und des Emittenten gefolgt, heißt es bei Comdirect. Allerdings sei diese Art der Zuteilung eher selten; normalerweise würden die Kriterien klarer formuliert.
Große Nachfrage nach Solaraktien
Die Nachfrage nach den Börsengängern aus dem Solarbereich wie Sunline ist derzeit groß. Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut zeigt sich daher auch etwas besorgt über diese wiedererwachte Begeisterung der Anleger. Positiv sei jedoch, daß der Aufschwung nicht die gesamte Marktbreite erfasse. Die Aktienemission von Sunline sei 37fach überzeichnet gewesen, sagt Ulrich Drumm von der Baader Wertpapierhandelsbank. 80 Prozent der insgesamt 1,7 Millionen Aktien gingen an institutionelle Investoren und 20 Prozent an Privatanleger.
Gerade bei stark überzeichneten Emissionen würden jedoch üblicherweise Losverfahren angewendet und die Aktien nicht proportional zugeteilt, um halbwegs vernünftige Größenordungen zu ermöglichen, erläutert Leven. Bei einem Losverfahren bekommt beispielsweise jeder zweite Anleger eine bestimmte Zahl an Aktien zugeteilt. Auch Martin Hörstel, Kapitalmarktexperte der Deutschen Bank, äußert sich in dieser Richtung: „Ist eine Emission stark überzeichnet, dann ist das Losverfahren sinnvoll, um eine möglichst faire Aktienzuteilung zu erreichen und zu vermeiden, daß die Stückzahlen irrelevant und zudem im Verhältnis zu den Bankgebühren zu klein sind.” Daher sei bei den stark gefragten Aktienemissionen in der jüngeren Vergangenheit überwiegend diese Zuteilungsmethode eingesetzt worden. Und letztlich gelte dieser Zusammenhang unabhängig von der Emissionsgröße.
„Losverfahren sei nicht möglich gewesen”
Ein Losverfahren sei nicht möglich gewesen, meint dagegen Drumm, da das Mengengerüst der aktieninteressierten Anleger unbekannt gewesen sei. Anders sei dies bei den großen Aktienkonsortien, die in die Orderbücher der Kunden Einblick hätten. So habe man jeder Bank gemäß dem Zuteilungsfaktor eine bestimmte Aktienmenge zugeteilt - ausgenommen diejenigen mit weniger als 1000 Aktien. Alles Weitere liege im Einflußbereich der jeweiligen Bank. Nach Ansicht von Leven sind sowohl der Emittent und das den Börsengang begleitende Finanzinstitut wie auch die Depotbank in der Verantwortung. Für Hörstel sind vor allem klare, verbindliche Vorgaben wichtig, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden.
Ob der Börsengang von Sunline ein Erfolg wird, zeigt sich an diesem Donnerstag, wenn die Aktie erstmals an der Börse notiert wird. Am Mittwoch wurde im vorbörslichen Handel beim Wertpapierhandelshaus Lang & Schwarz eine Spanne von 5,80 bis 6,05 Euro für den Titel gestellt.
Text: kpa., F.A.Z., 20.10.2005, Nr. 244 / Seite 23
Bildmaterial: Sunline AG, Fürth