Outperformer-Analysten und die lange Leitung
Von Walther Becker, Frankfurt
Börsen-Zeitung, 30.6.2001
Ein guter Tipp? "Wir nehmen Kabel New Media mit dem Anlageurteil Outperform in unsere Coverage auf. Ohne Verbrauch von liquiden Mitteln hat sich Kabel New Media von einer reinen Agentur zu einem marktführenden Full-Service-Anbieter von E-Business-Lösungen entwickelt." So schrieben die Analysten der HypoVereinsbank in einer Studie vom 29. Januar 2001.
Es lägen zwar noch Risiken bei der Integration der elf seit dem Börsengang akquirierten Unternehmen der Gesellschaft für strategische Beratung, Konzeption und Produktion von interaktiven Business- und Kommunikationslösungen. Daher erwarteten die Experten für 2002/03 kein positives Nachsteuerergebnis. Kabel notiere aber mit einem deutlichen Abschlag zu den beiden anderen Marktführern GFT und Pixelpark.
Hinterher schlauer
Wenn man aus dem Rathaus kommt, ist man bekanntlich immer klüger. Das haben sich offenbar die Experten der SEB am Freitag gesagt und - nach Bekanntwerden der Existenzprobleme des Hamburger Unternehmens - die Aktie auf "Sell" gestellt. Vor der Ad-hoc-Mitteilung wurde Kabel von der SEB noch mit "Hold" eingestuft. Si tacuisses! Denn die frühere BfG Bank hatte das IT-Multimedia-Haus noch Anfang Februar zum Kauf empfohlen. Damals ergatterte Kabel einen Großauftrag aus Schweden.
Jetzt meinen die SEB-Analysten, nach den deutlichen Kursabschlägen von rund 20 % am Donnerstag wegen der allgemeinen Marktschwäche sowie des zunehmend schwierigeren Umfeldes bestünden auf Sicht der nächsten Monate kaum Erholungschancen.
In der Tat: Einige wussten am Vortag offensichtlich wieder einmal mehr als andere und machten sich zum Quartalsultimo fleißig ans Umschichten in ihren Portefeuilles. So stürzte die Kabel-Aktie wegen Verkäufen von Fonds schon am Donnerstag ab. Zeitweise fiel das Papier um mehr als 19 % auf das neue Tief von 1,12 Euro. Es sei teilweise ohne Limit Material abgegeben worden, heißt es. Die Umsätze waren überdurchschnittlich stark.
99,4 Prozent verloren
Den höchsten Stand des Jahres erreichten die Papiere mit 16,54 Euro Ende Januar - also just zu dem Zeitpunkt, als Analysten den Anlegern empfahlen, sich weiter zu engagieren. Seitdem büßten die Titel über 93 % ihres damaligen Wertes ein. Am gestrigen Freitag, nach der Ankündigung des Zahlungsstopps, brach Kabel nochmals kräftig ein, und zwar um mehr als 54 % auf 49 Cent, bei erneut hohen Umsätzen. Die Aktie war im Juni 1999 unter Führung von Paribas und DG Bank zu 6,15 Euro platziert worden. Die Anleger rissen sich damals förmlich um die Stücke - die Emission war 40fach überzeichnet. Den höchsten Stand erreichten die Titel im Februar 2000 mit 80 Euro. Demgegenüber sind nun 99,4 % verloren.
Investoren dringend gesucht
Investoren, die angeschlagenen Gesellschaften eine Finanzspritze setzen, werden derzeit händeringend gesucht. So steht Sunburst vor dem Aus, nachdem sich entsprechende Gespräche zerschlagen hatten (vgl. Bericht auf dieser Seite). Auch Letsbuyit.com, die schon einmal haarscharf an der Insolvenz vorbeischlitterte, sieht sich gezwungen, die Verhandlungen mit einem der Hauptinvestoren abzubrechen. Dort soll sich eine Shmulik Stein International Ltd. verpflichtet haben, eine Finanzierung von 30 Mill. Euro zur Verfügung zu stellen. Obwohl die Gesellschaft die als Grundlage vereinbarten Meilensteine bisher erreicht habe, halte sich SSII nicht an ihre Verpflichtungen. Nun werden fieberhaft Alternativen gesucht, um "das Weiterbestehen
des Geschäftsgangs" sicherzustellen. Des Weiteren würden die Konsequenzen für das operative Geschäft durchdacht.
Todeslisten nicht abgehakt
Die Liste der Nieten am Neuen Markt wird damit immer länger. Gerade erst war gegen Refugium Insolvenzantrag gestellt worden; am Freitag folgte der zweite. Davor erwischte es Teldafax. Gigabell, Infomatec, Teamwork, Micrologica und Metabox heißen die Unternehmen, die in ihrer Not zum Amtsgericht marschieren mussten. Bei Brokat, wo mehr als die Hälfte des Grundkapitals perdu ist, haben sich Aktionäre jüngst schon erkundigt, wie der Insolvenzantrag vermieden werden soll. Nebenbei: Auch die Stuttgarter sind auf der Suche nach einem finanzkräftigen Partner. Auch die angeschlagenen Firmen NSE Software, Feedback und Musicmusicmusic werden hin und wieder als Pleitekandidaten gehandelt. Dagegen ist es um Artnet ruhig geworden.
Interessant: Auf den ziemlich genau vor Jahresfrist herumgereichten "Todeslisten" fanden sich diese Namen nicht - außer Gigabell. Damals wurden etwa Cybernet, Fortunecity, Ebookers und Buch.de aufgeführt. Das einstige Sorgenkind Ricardo ist mittlerweile verkauft.
Von Walther Becker, Frankfurt
Börsen-Zeitung, 30.6.2001
Ein guter Tipp? "Wir nehmen Kabel New Media mit dem Anlageurteil Outperform in unsere Coverage auf. Ohne Verbrauch von liquiden Mitteln hat sich Kabel New Media von einer reinen Agentur zu einem marktführenden Full-Service-Anbieter von E-Business-Lösungen entwickelt." So schrieben die Analysten der HypoVereinsbank in einer Studie vom 29. Januar 2001.
Es lägen zwar noch Risiken bei der Integration der elf seit dem Börsengang akquirierten Unternehmen der Gesellschaft für strategische Beratung, Konzeption und Produktion von interaktiven Business- und Kommunikationslösungen. Daher erwarteten die Experten für 2002/03 kein positives Nachsteuerergebnis. Kabel notiere aber mit einem deutlichen Abschlag zu den beiden anderen Marktführern GFT und Pixelpark.
Hinterher schlauer
Wenn man aus dem Rathaus kommt, ist man bekanntlich immer klüger. Das haben sich offenbar die Experten der SEB am Freitag gesagt und - nach Bekanntwerden der Existenzprobleme des Hamburger Unternehmens - die Aktie auf "Sell" gestellt. Vor der Ad-hoc-Mitteilung wurde Kabel von der SEB noch mit "Hold" eingestuft. Si tacuisses! Denn die frühere BfG Bank hatte das IT-Multimedia-Haus noch Anfang Februar zum Kauf empfohlen. Damals ergatterte Kabel einen Großauftrag aus Schweden.
Jetzt meinen die SEB-Analysten, nach den deutlichen Kursabschlägen von rund 20 % am Donnerstag wegen der allgemeinen Marktschwäche sowie des zunehmend schwierigeren Umfeldes bestünden auf Sicht der nächsten Monate kaum Erholungschancen.
In der Tat: Einige wussten am Vortag offensichtlich wieder einmal mehr als andere und machten sich zum Quartalsultimo fleißig ans Umschichten in ihren Portefeuilles. So stürzte die Kabel-Aktie wegen Verkäufen von Fonds schon am Donnerstag ab. Zeitweise fiel das Papier um mehr als 19 % auf das neue Tief von 1,12 Euro. Es sei teilweise ohne Limit Material abgegeben worden, heißt es. Die Umsätze waren überdurchschnittlich stark.
99,4 Prozent verloren
Den höchsten Stand des Jahres erreichten die Papiere mit 16,54 Euro Ende Januar - also just zu dem Zeitpunkt, als Analysten den Anlegern empfahlen, sich weiter zu engagieren. Seitdem büßten die Titel über 93 % ihres damaligen Wertes ein. Am gestrigen Freitag, nach der Ankündigung des Zahlungsstopps, brach Kabel nochmals kräftig ein, und zwar um mehr als 54 % auf 49 Cent, bei erneut hohen Umsätzen. Die Aktie war im Juni 1999 unter Führung von Paribas und DG Bank zu 6,15 Euro platziert worden. Die Anleger rissen sich damals förmlich um die Stücke - die Emission war 40fach überzeichnet. Den höchsten Stand erreichten die Titel im Februar 2000 mit 80 Euro. Demgegenüber sind nun 99,4 % verloren.
Investoren dringend gesucht
Investoren, die angeschlagenen Gesellschaften eine Finanzspritze setzen, werden derzeit händeringend gesucht. So steht Sunburst vor dem Aus, nachdem sich entsprechende Gespräche zerschlagen hatten (vgl. Bericht auf dieser Seite). Auch Letsbuyit.com, die schon einmal haarscharf an der Insolvenz vorbeischlitterte, sieht sich gezwungen, die Verhandlungen mit einem der Hauptinvestoren abzubrechen. Dort soll sich eine Shmulik Stein International Ltd. verpflichtet haben, eine Finanzierung von 30 Mill. Euro zur Verfügung zu stellen. Obwohl die Gesellschaft die als Grundlage vereinbarten Meilensteine bisher erreicht habe, halte sich SSII nicht an ihre Verpflichtungen. Nun werden fieberhaft Alternativen gesucht, um "das Weiterbestehen
des Geschäftsgangs" sicherzustellen. Des Weiteren würden die Konsequenzen für das operative Geschäft durchdacht.
Todeslisten nicht abgehakt
Die Liste der Nieten am Neuen Markt wird damit immer länger. Gerade erst war gegen Refugium Insolvenzantrag gestellt worden; am Freitag folgte der zweite. Davor erwischte es Teldafax. Gigabell, Infomatec, Teamwork, Micrologica und Metabox heißen die Unternehmen, die in ihrer Not zum Amtsgericht marschieren mussten. Bei Brokat, wo mehr als die Hälfte des Grundkapitals perdu ist, haben sich Aktionäre jüngst schon erkundigt, wie der Insolvenzantrag vermieden werden soll. Nebenbei: Auch die Stuttgarter sind auf der Suche nach einem finanzkräftigen Partner. Auch die angeschlagenen Firmen NSE Software, Feedback und Musicmusicmusic werden hin und wieder als Pleitekandidaten gehandelt. Dagegen ist es um Artnet ruhig geworden.
Interessant: Auf den ziemlich genau vor Jahresfrist herumgereichten "Todeslisten" fanden sich diese Namen nicht - außer Gigabell. Damals wurden etwa Cybernet, Fortunecity, Ebookers und Buch.de aufgeführt. Das einstige Sorgenkind Ricardo ist mittlerweile verkauft.