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Einst gehörte er selbst zur Europäischen Zentralbank (EZB), jetzt kritisiert er die Institution scharf: In einem Interview wirft der Ex-Chefökonom der EZB, Jürgen Stark, den Zinshütern vor, sich zu Mittätern einer „verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik“ gemacht zu haben.
Von 2006 bis Anfang 2012 war Jürgen Stark der Mann bei der EZB für die wichtigen Fragen der Ökonomie. Doch als die EZB nach Auffassung von Stark „auf die schiefe Bahn“ geriet, trat Stark als Chefvolkswirt der Zentralbank zurück. Auch acht Jahre danach fühlt sich Stark noch als Notenbanker – und kritisiert die Geldpolitik: „Das, was ich damals befürchtet habe, ist nicht nur eingetreten, es ist sogar noch schlimmer gekommen.“
Laut Stark habe die EZB schon lange die Grenzen ihres Mandats überschritten. Seiner Auffassung nach ist die Institution viel zu stark politisiert worden – was auch die Besetzung der EZB-Chefetage zeige. „In Kürze werden dem EZB-Rat fünf ehemalige Wirtschafts- und Finanzminister angehören. Das gab es noch nie“, so Stark.
Corona-Milliardenhilfen sind ein „erneuter Tabu- und Rechtsbruch“
Für ebenso überzogen hält der ehemalige Notenbanker das milliardenschwere Hilfsprogramm, welches die EU-Regierungschefs kürzlich beschlossen haben. „In Wahrheit geht es doch dabei gar nicht um den Wiederaufbau nach Corona. Was ist denn wiederaufzubauen? Es ist doch gar nichts zerstört worden! Wir erleben stattdessen eine gigantische Schuldenaufnahme der EU, für die es keine rechtliche Basis gibt“, mahnte Stark gegenüber der Zeitung. Für den Volkswirt entspricht der enorm unausgeglichene Haushalt einem „erneuten Tabu- und Rechtsbruch“.
Mit Solidarität habe das auch nichts zu tun, findet Stark: „Ich frage mich: Geht es hier wirklich um Solidarität? Oder hat man den Erpressungsversuchen der Nehmerländer nachgegeben, weil einige Euro-Mitglieder wie Italien schon vor Beginn der Pandemie bis zur Halskrause verschuldet waren?“ Stark betonte dabei auch noch einmal, dass Solidarität in zwei Richtungen funktionieren müsse: „Diejenigen, die diese jetzt einfordern, haben sich gegenüber der gemeinsamen Währung durch ihr Verhalten nicht eben solidarisch gezeigt.“
Das alles, so Stark, führe letztlich in die Transferunion. „Durch die Hintertür haben wir jetzt eine Transfer- und auch eine Haftungsgemeinschaft. Auch das entspricht nicht dem Geist der Europäischen Verträge“, sagte der Ökonom. Festgehalten sei in den Verträgen nämlich die Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten. Damit, befürchtet Stark, ist es nun vorbei: „Was wir gerade erleben, ist der endgültige Bruch mit diesem Prinzip.“
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