Wenn der Fuchs die Gans schützt

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Wenn der Fuchs die Gans schützt

 
16.03.02 21:57
Wirtschaftsprüfer in der Vertrauenskrise

Glaubt man demoskopischen Umfragen, so genoss der Berufsstand des Wirtschaftsprüfers ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Das hat sich ebendiesen Umfragen zufolge in jüngster Zeit zum Negativen verändert. Das ist ungerecht. Die Wirtschaftsprüfer von heute sind nicht schlechter als ihre Kollegen von früher, die Menschen sind nur vergesslich.

Im Augenblick ist der bizarre Fall des amerikanischen Energiehändlers Enron allgegenwärtig und dessen Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen muss sich Hohn und Spott gefallen lassen, wenn nicht gar noch Schlimmeres geschieht. Damit kein falscher Eindruck aufkommt, das widerfährt dieser Gesellschaft zu Recht. Erst windige Finanzkonstruktionen abzeichnen und dann Akten einfach verschwinden zu lassen, ist starker Tobak.

Aber wer erinnert sich in diesem Zusammenhang noch an Flowtex, Schneider oder gar die IBH des Horst-Dieter Esch, um nur einige Beispiele aus Deutschland zu nennen? Da wurden Bohrmaschinen, Ladenflächen, Baumaschinen, Umsätze und Gewinne testiert, die tatsächlich nur auf dem Papier standen. Wahrlich ungezählt sind die Fälle, in denen Wirtschaftsprüfer Bilanzen testierten, die alles andere, nur nicht ein reales Bild des Unternehmens zeichneten. Nein, Enron war schon immer und überall auf der Welt.

Dies alles mit der kriminellen Energie einzelner Handelnder abzutun, es gewissermaßen isoliert als zwangsläufige Folge menschlicher Schwäche ehrgeiziger oder geldgieriger Manager zu sehen, wäre zu einfach. Der Fehler liegt eher im System und in einem weit verbreiteten Missverständnis über die Arbeit dieses Berufsstandes.

Zum Systemfehler: Bezahlt werden die Prüfungsgesellschaften von den Unternehmen, die sie prüfen. Das schafft zwangsläufig Abhängigkeiten. Beide Seiten sind vereint in der Sorge um Gewinne und Arbeitsplätze in ihren jeweiligen Unternehmen. Geht es dem einen schlecht, dann auch dem anderen. Aus Sicht von Aktionären oder Kreditgebern bilden Unternehmen und Wirtschaftsprüfer so etwas wie eine Vereinigung der Füchse zum Schutze der Gänse. Sie wollen mit ihren Bilanzen und Prüfsiegeln Vertrauen in der Öffentlichkeit schaffen, machen aber doch gemeinsame Sache, zur Not auch auf Kosten der Aktionäre oder Gläubiger wie im Falle Enron.

Zum Missverständnis: Gemeinhin wird das Testat eines Wirtschaftsprüfers als ein Gütesiegel betrachtet, das die Seriosität des Zahlenwerks unterstreicht. Wenn im Geschäftsbericht etwas von soliden Ergebnissen und glänzenden Perspektiven steht, so hat das schließlich auch der Prüfer gelesen und für gut befunden. Wäre es nicht so, würde es da nicht stehen, denkt sich der normale Leser. In Wahrheit testiert der Prüfer aber nur, dass im Zahlenwerk keine Rechenfehler sind und das die gesetzlichen Bestimmungen zum Beispiel bei Abschreibungssätzen und Ähnlichem eingehalten wurden. Was auch sollte er anderes tun? Selbst die größte Prüfungsgesellschaft der Erde wäre vermutlich nicht in der Lage, bei einem globalen Konzern genau und vor Ort nachzuprüfen, ob in den manchmal tausenden Tochtergesellschaften auch alles so ist, wie es vom Unternehmen angegeben wird. Abgesehen von den Kosten ist das nicht Jahr für Jahr und schon gar nicht alle drei Monate zu schaffen.

Was folgt daraus? Wenn ein Unternehmen seine Anteilseigner oder Gläubiger bewusst täuschen will, dann wird auch der beste Wirtschaftsprüfer das nicht viel eher merken als andere. Wenn ein Unternehmen seine Zahlen nicht türkt, dann braucht es eigentlich keinen Wirtschaftsprüfer. Vertrauen für Aktionäre oder Gläubiger kann also nur das Unternehmen selbst schaffen, nicht aber ein Testat des Wirtschaftsprüfers. Nur, das hat sich noch nicht so recht herumgesprochen und es steht in einem bemerkenswerten Gegensatz zum ausgeprägten Ego dieser Branche.

Und eines hat sich im Laufe der Jahre und Wirtschaftsskandale auch gezeigt: Jede Katastrophe ist auch ein Schub für die Fusionitis in der Prüfergilde. Jetzt wird Arthur Andersen vermutlich geschluckt und die verbleibenden Gesellschaften werden noch größer, globaler und einflussreicher. Das sehen die sicher nicht ungern, aber es wird die Mängel im System nicht beseitigen und das Missverständnis weiter wachsen lassen.

welt.de
Schnorrer:

Der Herr welt.de hat da recht.

 
16.03.02 22:04
Seit 20 Jahren diskutiert man über obiges, zusammengefaßt im Begriff "expectation gap", und siehe da: der Schmutz wird größer statt kleiner.

Also, Tipp: weiterdiskutieren.
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