Experten blicken bereits über 6000 Dax-Punkte hinaus - Zinspolitik der EZB als Unsicherheitsfaktor
von Daniel Eckert
Mickrige 0,1 Prozent trennten den Deutschen Aktienindex (Dax) vergangenen Freitag noch von der 6000-Punkte-Marke, ehe ihn Gewinnmitnahmen leicht ins Minus drückten. Doch die Mehrheit der Marktteilnehmer ist sich sicher: Diese Woche wird der deutsche Leitindex die Schwelle überspringen. Damit würde der Dax auf dem höchsten Stand seit Juli 2001 notieren. Angesichts des rasanten Kurszuwachses der vergangenen Wochen und Monate - allein seit Jahresanfang zehn Prozent - wächst zwar die Furcht vor einer Korrektur. Experten beeilen sich aber zu versichern, daß die jetzige Hausse keiner Wiederholung der Aktienhysterie vor der Jahrtausendwende ist.
"Sowohl die Gewinne als auch die Dividenden der Dax-Unternehmen werden dieses Jahr fast doppelt so hoch ausfallen wie 1999, als der Dax zum erstenmal über 6000 Punkte kletterte", betont Frank Schallenberger, Stratege bei der Landesbank Baden-Württemberg. Auch das Zinsniveau liege momentan rund 1,5 Prozentpunkte niedriger als damals, so daß Dividendentiteln im Verhältnis zu Anleihen weiter attraktiv seien. Sein Fazit: "Auch jenseits der 6000 Punkte ist das Kurspotential noch nicht ausgereizt." Der gleichen Meinung wie Schallenberger sind auch die Auguren der DZ Bank, die ihr Dax-Kursziel für die kommenden zwölf Monate gerade von 6100 auf 6400 Zähler hochgeschraubt haben. "Der gestiegene Konjunkturoptimismus und die positive Verbraucherstimmung dürften in den kommenden Monaten anhalten und dem Index neue Impulse geben", schreiben sie in einer Markteinschätzung.
Nicht ganz so optimistisch äußert sich Markus Reinwand von Helaba Trust. "Der Aktienmarkt bekommt zunehmend Gegenwind von der Zinsseite zu spüren", so seine Einschätzung. Alles deute darauf hin, daß die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen weiter anheben werde, um die Inflation im Griff zu bekommen. Indessen erwartet auch Reinwand, daß der Markt zunächst einmal die magische Marke 6000 sehen will.
Wie stark der Gegenwind von der Zinsseite tatsächlich ausfallen wird, können Anleger diese Woche den geldpolitischen Äußerungen der EZB-Währungshüter entnehmen, die sich am Donnerstag zu ihrer turnusgemäßen Sitzung zusammenfinden. Das Gros der Beobachter rechnet erst für Mai mit einer Anhebung des Leitzinses um 0,25 Prozentpunkte auf dann 2,75 Prozent. Zuletzt wurden allerdings vereinzelt Stimmen laut, denen zufolge bereits diese Woche eine geldpolitische Straffung erfolgen könnte. Eine solche vorgezogene Zinserhöhung würde dem Markt wahrscheinlich einen Rücksetzer verpassen.
Das zweite makroökonomische Großereignis der Woche ist der für Freitag angekündigte US-Arbeitsmarktbericht für März. Gleich heute steht ein ebenfalls nicht unwichtiger Indikator zur Veröffentlichung an: der ISM-Einkaufsmanagerindex. Am Donnerstag wird der Auftragseingang der deutschen Industrie für Februar bekannt gegeben, am Freitag folgen Daten zur Produktion.
Auf wirtschaftspolitischem Gebiet sorgt der zu Wochenbeginn im Kanzleramt stattfindende Energiegipfel für Furore. Je nach Ausgang der Gespräche könnte eine Verlängerung der Laufzeit der hiesigen Kernkraftwerke oder eine Renaissance der Kohle herauskommen. Betroffen sind damit auch die Anbieter alternativer Energien. Einen Einblick in deren Zukunft gewähren die Bilanzdaten, die das im TecDax gelistete Solarunternehmen Ersol am Mittwoch vorlegen wird. Mit Geschäftszahlen warten aber auch Fuchs Petrolub (Montag), Praktiker und Lanxess (beide Dienstag) auf. Am Mittwoch publiziert zudem der Energiekonzern BP seine Quartalszahlen. Für Donnerstag visieren die Softwarefirmen Magix und SAF ihren Sprung aufs Parkett an.
Artikel erschienen am Mo, 3. April 2006
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