Fed sucht Wege zu mehr Transparenz
Was passiert, wenn Greenspan geht
Anthony M. Santomero, Präsident der Federal Reserve Bank von Philadelphia, befürchtet keine Irritationen an den Finanzmärkten, wenn US-Notenbankchef Alan Greenspan Anfang 2006 aus dem Amt scheidet. „Es ist verständlich, dass sich die Märkte fragen, was passiert, wenn ein Notenbanker dieses Formats geht“, sagte Santomero bei einem Besuch der American Academy in Berlin dem Handelsblatt.
HB BERLIN. „Sie werden aber feststellen, dass das FOMC 19 Mitglieder hat und unsere Entscheidungsprozesse im wesentlichen unverändert bleiben.“ Das FOMC (Federal Open Market Committee) ist das geldpolitische Entscheidungsgremium des Federal Reserve System (Fed). Santomero ist in diesem Gremium stimmberechtigt.
An den Märkten flackern Ängste über den Kurs der US-Geldpolitik in der Ära nach Greenspan auf. Seit 1986 hat er die Geschicke der Fed vor allem durch sein Charisma erfolgreich gesteuert. Er versteht Geldpolitik als Krisenmanagement. Eine geldpolitische Strategie, mit der sich eine Notenbank gegenüber der Öffentlichkeit festlegt, hat er immer wieder abgelehnt. Im Vorfeld seines Ausscheidens sorgt das Fehlen einer solchen Strategie und der damit verbundenen Kontinuität für Verunsicherung.
„Greenspan hat nicht nur sein Metier zur Kunst erhoben. Er hat auch die Prozesse institutionalisiert, die zu guten Entscheidungen und Konsens führen“, sagte Santomero. „Der Notenbank-Chef wird wechseln. Alles andere bleibt gleich.“
Für den Präsidenten der Philadelphia-Fed haben die vergangenen vier Jahre bewiesen, wie konstruktiv das FOMC als Kollegium zusammenarbeitet. Seit Anfang 2001 hat es den Leitzins auf den tiefsten Stand seit 50 Jahren heruntergeschleust, jetzt wird er wieder angehoben. Die Schritte seien im Konsens, praktisch ohne Gegenstimmen, beschlossen worden. Die Fed blickt auf über zwei Jahrezehnte Preisstabilität zurück.
Kontroverse Diskussion eines Inflationsziels
Für Santomero wäre die Bekanntgabe eines offiziellen Inflationsziels das deutlichste Signal, dass das FOMC das Erbe der Vergangenheit fortsetzen will: „Wenn wir den Märkten offen sagen, welches Ziel wir anstreben, und uns daran messen lassen, ob wir es einhalten, erhöhen wir die Glaubwürdigkeit, die wir in über 25 Jahren erworben haben. Es wäre ein weiterer logischer Schritt auf dem Weg der Fed zu mehr Transparenz.“
Im FOMC wird die Möglichkeit eines Inflationsziels kontrovers diskutiert. Bei der Sitzung Anfang Februar wurde das Thema vertagt. Zu den Befürwortern zählen neben Santomero Ben S. Bernanke, Mitglied des Fed-Direktoriums, und Janet L. Yellen, die Präsidentin der San-Francisco-Fed. Aus dem Sitzungsprotokoll geht hervor, dass manche Mitglieder ein Inflationsziel für unvereinbar mit dem Doppelmandat der Fed halten. Die Notenbank soll Preisstabilität und Vollbeschäftigung erreichen.
Ob es dem FOMC gelingen könnte, sich bis zu dem Wechsel in der Fed-Spitze auf ein Inflationsziel zu verständigen, ließ Santomero offen: „Ich kann nur sagen, dass wir weiter über die Einzelheiten diskutieren werden. Alles andere wäre reine Spekulation.“ Der Zeitpunkt ist für den früheren Hochschullehrer auch nicht ausschlaggebend. Wichtig sei es, dass das FOMC voll hinter der Strategie stehe.
Kein Widerspruch zum Doppelmandat
Santomero wirbt für ein Zielband von ein bis drei Prozent, gemessen am Zwölfmonatsdurchschnitt der Veränderungen des Preisindex des privaten Verbrauchs (PCE) – Lebensmittel- und Energiepreise ausgeschlossen. Diese US-Inflationsrate schwankt seit einer Dekade zwischen ein und zwei Prozent. Der PCE ist breiter als der offizielleVerbraucherpreisindex. Er entspricht dem aktuellen Konsummuster.
„Ein solches Band würde die Entscheidungsfindung im FOMC koordinieren, es würde die Kommunikation mit den Märkten verbessern und das Vertrauen der Öffentlichkeit stärken, dass die Preise auch langfristig stabil bleiben“, erklärte Santomero. Der Geldpolitik lasse es ausreichend Spielraum, auf Schocks und Ungleichgewichte zu reagieren. Von einem Widerspruch zu dem Doppelmandat der Fed könne keine Rede sein.
Santomero deutete an, dass die Finanzmärkte nicht davon ausgehen könnten, immer so eindeutig über den künftigen Kurs der US-Geldpolitik informiert zu werden wie zur Zeit. Seit August 2003 teilt die Fed nicht mehr wie früher nur indirekt, sondern ausdrücklich ihre zinspolitischen Absichten mit. Seit Mai 2004 wiederholt sie, die Straffung könne „in voraussichtlich gemäßigtem Tempo erfolgen.“ „Es ist weder üblich noch notwendig, dass die Fed oder eine andere Zentralbank in ihren Stellungnahmen den längerfristigen Kurs bekannt gibt“, sagte Santomero. Das FOMC glaube, dass die US-Wirtschaft in eine Phase anhaltenden Wachstums eingemündet sei und die Geldpolitik darauf entsprechend reagieren sollte. Das habe man den Märkten mitgeteilt. Als exakter Handlungsplan der Fed sei das aber nicht gemeint gewesen. Grundsätzlich müsse sich die Geldpolitik an den laufenden Daten orientieren.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 09. März 2005, 06:22 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Was passiert, wenn Greenspan geht
Anthony M. Santomero, Präsident der Federal Reserve Bank von Philadelphia, befürchtet keine Irritationen an den Finanzmärkten, wenn US-Notenbankchef Alan Greenspan Anfang 2006 aus dem Amt scheidet. „Es ist verständlich, dass sich die Märkte fragen, was passiert, wenn ein Notenbanker dieses Formats geht“, sagte Santomero bei einem Besuch der American Academy in Berlin dem Handelsblatt.
HB BERLIN. „Sie werden aber feststellen, dass das FOMC 19 Mitglieder hat und unsere Entscheidungsprozesse im wesentlichen unverändert bleiben.“ Das FOMC (Federal Open Market Committee) ist das geldpolitische Entscheidungsgremium des Federal Reserve System (Fed). Santomero ist in diesem Gremium stimmberechtigt.
An den Märkten flackern Ängste über den Kurs der US-Geldpolitik in der Ära nach Greenspan auf. Seit 1986 hat er die Geschicke der Fed vor allem durch sein Charisma erfolgreich gesteuert. Er versteht Geldpolitik als Krisenmanagement. Eine geldpolitische Strategie, mit der sich eine Notenbank gegenüber der Öffentlichkeit festlegt, hat er immer wieder abgelehnt. Im Vorfeld seines Ausscheidens sorgt das Fehlen einer solchen Strategie und der damit verbundenen Kontinuität für Verunsicherung.
„Greenspan hat nicht nur sein Metier zur Kunst erhoben. Er hat auch die Prozesse institutionalisiert, die zu guten Entscheidungen und Konsens führen“, sagte Santomero. „Der Notenbank-Chef wird wechseln. Alles andere bleibt gleich.“
Für den Präsidenten der Philadelphia-Fed haben die vergangenen vier Jahre bewiesen, wie konstruktiv das FOMC als Kollegium zusammenarbeitet. Seit Anfang 2001 hat es den Leitzins auf den tiefsten Stand seit 50 Jahren heruntergeschleust, jetzt wird er wieder angehoben. Die Schritte seien im Konsens, praktisch ohne Gegenstimmen, beschlossen worden. Die Fed blickt auf über zwei Jahrezehnte Preisstabilität zurück.
Kontroverse Diskussion eines Inflationsziels
Für Santomero wäre die Bekanntgabe eines offiziellen Inflationsziels das deutlichste Signal, dass das FOMC das Erbe der Vergangenheit fortsetzen will: „Wenn wir den Märkten offen sagen, welches Ziel wir anstreben, und uns daran messen lassen, ob wir es einhalten, erhöhen wir die Glaubwürdigkeit, die wir in über 25 Jahren erworben haben. Es wäre ein weiterer logischer Schritt auf dem Weg der Fed zu mehr Transparenz.“
Im FOMC wird die Möglichkeit eines Inflationsziels kontrovers diskutiert. Bei der Sitzung Anfang Februar wurde das Thema vertagt. Zu den Befürwortern zählen neben Santomero Ben S. Bernanke, Mitglied des Fed-Direktoriums, und Janet L. Yellen, die Präsidentin der San-Francisco-Fed. Aus dem Sitzungsprotokoll geht hervor, dass manche Mitglieder ein Inflationsziel für unvereinbar mit dem Doppelmandat der Fed halten. Die Notenbank soll Preisstabilität und Vollbeschäftigung erreichen.
Ob es dem FOMC gelingen könnte, sich bis zu dem Wechsel in der Fed-Spitze auf ein Inflationsziel zu verständigen, ließ Santomero offen: „Ich kann nur sagen, dass wir weiter über die Einzelheiten diskutieren werden. Alles andere wäre reine Spekulation.“ Der Zeitpunkt ist für den früheren Hochschullehrer auch nicht ausschlaggebend. Wichtig sei es, dass das FOMC voll hinter der Strategie stehe.
Kein Widerspruch zum Doppelmandat
Santomero wirbt für ein Zielband von ein bis drei Prozent, gemessen am Zwölfmonatsdurchschnitt der Veränderungen des Preisindex des privaten Verbrauchs (PCE) – Lebensmittel- und Energiepreise ausgeschlossen. Diese US-Inflationsrate schwankt seit einer Dekade zwischen ein und zwei Prozent. Der PCE ist breiter als der offizielleVerbraucherpreisindex. Er entspricht dem aktuellen Konsummuster.
„Ein solches Band würde die Entscheidungsfindung im FOMC koordinieren, es würde die Kommunikation mit den Märkten verbessern und das Vertrauen der Öffentlichkeit stärken, dass die Preise auch langfristig stabil bleiben“, erklärte Santomero. Der Geldpolitik lasse es ausreichend Spielraum, auf Schocks und Ungleichgewichte zu reagieren. Von einem Widerspruch zu dem Doppelmandat der Fed könne keine Rede sein.
Santomero deutete an, dass die Finanzmärkte nicht davon ausgehen könnten, immer so eindeutig über den künftigen Kurs der US-Geldpolitik informiert zu werden wie zur Zeit. Seit August 2003 teilt die Fed nicht mehr wie früher nur indirekt, sondern ausdrücklich ihre zinspolitischen Absichten mit. Seit Mai 2004 wiederholt sie, die Straffung könne „in voraussichtlich gemäßigtem Tempo erfolgen.“ „Es ist weder üblich noch notwendig, dass die Fed oder eine andere Zentralbank in ihren Stellungnahmen den längerfristigen Kurs bekannt gibt“, sagte Santomero. Das FOMC glaube, dass die US-Wirtschaft in eine Phase anhaltenden Wachstums eingemündet sei und die Geldpolitik darauf entsprechend reagieren sollte. Das habe man den Märkten mitgeteilt. Als exakter Handlungsplan der Fed sei das aber nicht gemeint gewesen. Grundsätzlich müsse sich die Geldpolitik an den laufenden Daten orientieren.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 09. März 2005, 06:22 Uhr
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Der Einsame Samariter