A U S R U T S C H E R
Die Wahlverderber
Möllemann, Gysi, Däubler-Gmelin: Jeder sabotiert, so gut er kann
Von Richard Herzinger
Was haben so unterschiedliche politische Charaktere wie Gregor Gysi, Jürgen W. Möllemann und Herta Däubler-Gmelin gemeinsam? Jeder von ihnen hatte in diesem Bundestagswahlkampf einen großen - und vermutlich letzten - Soloauftritt. Und alle drei haben damit nicht nur ihrer eigenen Partei Stimmen, sondern auch ihren Parteistrategen den letzten Nerv geraubt.
Topspielverderber der Saison ist unbestreitbar Jürgen Möllemann. Sein finaler Sabotageakt gegen die Wahlchancen der FDP war einer mit doppelter und dreifacher Ansage. Nach seinen populistischen und antisemitischen Ausfällen vom Frühjahr hatte ihn Teamchef Westerwelle abgemahnt: Wenn er ab jetzt ganz brav sei und es nie wieder tue, dürfe er beim Fantasiespiel Projekt 18 weiter mitmachen. Aber auch nur dann, bekräftigten die liberalen Onkel Gerhardt, Kinkel und Lambsdorff mit drohendem Zeigefinger. Möllemann versprach Besserung, drehte den gutgläubigen Granden hinterrücks eine Nase und tat's dann erst recht wieder. Schließlich hatte er das Irrsinnsprojekt 18 höchstpersönlich erfunden. Da durfte er ja wohl das, was davon noch übrig geblieben war, selbst in die Luft jagen.
Während Möllemanns destruktiver Antrieb ein verkappter Selbsthass sein dürfte, leidet Spielverderber Gysi unter zügelloser Selbstliebe. Alles ist ihm bisher gelungen im Leben; in der Harald Schmidt Show hat er sogar erfolgreich Kühe gemolken. Kürzlich nun fiel ihm ein, dass es eine Menge Spaß bringen könnte, Wirtschaftssenator von Berlin zu sein. Doch bald fand er, dass es noch schöner sei, von diesem Posten zurückzutreten und dabei mit grandioser Geste moralische Belehrungen über ideales Politikerverhalten zu erteilen. Das allerdings fanden die Wähler nicht mehr komisch und verhängten als Strafe Liebesentzug. Doch nicht gegen den selbstverliebten Gregor, sondern gegen die Partei, die er leichtfüßig im Stich gelassen hatte. Am Wahlabend blickte Gysi wie ein Bengel drein, der im Übermut sein Spielzeugauto gegen die Wand geworfen hat und jetzt fassungslos feststellt, dass an dem blöden Ding die Räder ab sind.
Und was trieb Herta Däubler-Gmelin ins Verderben? Die Selbstgerechtigkeit. Da sie es gewohnt ist, als personifiziertes protestantisches Weltgewissen aufzutreten und jedem streng über den Mund zu fahren, der noch nicht wie sie zu höherer moralischer Einsicht gekommen ist - warum sollte sie da nicht mal im Klartext sagen, was von George Bush, im Vergleich zu "Adolf Nazi", zu halten sei? Aber hat sie's überhaupt gesagt? Keiner kann es wissen, denn Frau Däubler-Gmelin stellt klar, nur sie allein sei in der Lage, den dunklen Sinn ihrer deutlichen Worte zu interpretieren. Immerhin, das wäre Spielverderber-Weltrekord: in tiefster schwäbischer Provinz etwas nicht zu sagen und damit den eigenen Kanzler in eine transatlantische Beziehungskrise erster Ordnung zu stürzen.
Selbstüberschätzung verleitete die drei Überflieger zum Querschuss im ungeeignetsten Augenblick. Und prädestinierte sie für ihre letzte wichtige politische Rolle: Sie dienen jetzt als ideale Sündenböcke für allerlei vermasselte politische Ambitionen.
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(c) DIE ZEIT 40/2002
Die Wahlverderber
Möllemann, Gysi, Däubler-Gmelin: Jeder sabotiert, so gut er kann
Von Richard Herzinger
Was haben so unterschiedliche politische Charaktere wie Gregor Gysi, Jürgen W. Möllemann und Herta Däubler-Gmelin gemeinsam? Jeder von ihnen hatte in diesem Bundestagswahlkampf einen großen - und vermutlich letzten - Soloauftritt. Und alle drei haben damit nicht nur ihrer eigenen Partei Stimmen, sondern auch ihren Parteistrategen den letzten Nerv geraubt.
Topspielverderber der Saison ist unbestreitbar Jürgen Möllemann. Sein finaler Sabotageakt gegen die Wahlchancen der FDP war einer mit doppelter und dreifacher Ansage. Nach seinen populistischen und antisemitischen Ausfällen vom Frühjahr hatte ihn Teamchef Westerwelle abgemahnt: Wenn er ab jetzt ganz brav sei und es nie wieder tue, dürfe er beim Fantasiespiel Projekt 18 weiter mitmachen. Aber auch nur dann, bekräftigten die liberalen Onkel Gerhardt, Kinkel und Lambsdorff mit drohendem Zeigefinger. Möllemann versprach Besserung, drehte den gutgläubigen Granden hinterrücks eine Nase und tat's dann erst recht wieder. Schließlich hatte er das Irrsinnsprojekt 18 höchstpersönlich erfunden. Da durfte er ja wohl das, was davon noch übrig geblieben war, selbst in die Luft jagen.
Während Möllemanns destruktiver Antrieb ein verkappter Selbsthass sein dürfte, leidet Spielverderber Gysi unter zügelloser Selbstliebe. Alles ist ihm bisher gelungen im Leben; in der Harald Schmidt Show hat er sogar erfolgreich Kühe gemolken. Kürzlich nun fiel ihm ein, dass es eine Menge Spaß bringen könnte, Wirtschaftssenator von Berlin zu sein. Doch bald fand er, dass es noch schöner sei, von diesem Posten zurückzutreten und dabei mit grandioser Geste moralische Belehrungen über ideales Politikerverhalten zu erteilen. Das allerdings fanden die Wähler nicht mehr komisch und verhängten als Strafe Liebesentzug. Doch nicht gegen den selbstverliebten Gregor, sondern gegen die Partei, die er leichtfüßig im Stich gelassen hatte. Am Wahlabend blickte Gysi wie ein Bengel drein, der im Übermut sein Spielzeugauto gegen die Wand geworfen hat und jetzt fassungslos feststellt, dass an dem blöden Ding die Räder ab sind.
Und was trieb Herta Däubler-Gmelin ins Verderben? Die Selbstgerechtigkeit. Da sie es gewohnt ist, als personifiziertes protestantisches Weltgewissen aufzutreten und jedem streng über den Mund zu fahren, der noch nicht wie sie zu höherer moralischer Einsicht gekommen ist - warum sollte sie da nicht mal im Klartext sagen, was von George Bush, im Vergleich zu "Adolf Nazi", zu halten sei? Aber hat sie's überhaupt gesagt? Keiner kann es wissen, denn Frau Däubler-Gmelin stellt klar, nur sie allein sei in der Lage, den dunklen Sinn ihrer deutlichen Worte zu interpretieren. Immerhin, das wäre Spielverderber-Weltrekord: in tiefster schwäbischer Provinz etwas nicht zu sagen und damit den eigenen Kanzler in eine transatlantische Beziehungskrise erster Ordnung zu stürzen.
Selbstüberschätzung verleitete die drei Überflieger zum Querschuss im ungeeignetsten Augenblick. Und prädestinierte sie für ihre letzte wichtige politische Rolle: Sie dienen jetzt als ideale Sündenböcke für allerlei vermasselte politische Ambitionen.
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