Was haben Möllemann,Gysi+Däubler-G melin gemeinsam?

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Dixie:

Was haben Möllemann,Gysi+Däubler-Gmelin gemeinsam?

 
01.10.02 14:34
A U S R U T S C H E R



Die Wahlverderber

Möllemann, Gysi, Däubler-Gmelin: Jeder sabotiert, so gut er kann

Von Richard Herzinger



Was haben so unterschiedliche politische Charaktere wie Gregor Gysi, Jürgen W. Möllemann und Herta Däubler-Gmelin gemeinsam? Jeder von ihnen hatte in diesem Bundestagswahlkampf einen großen - und vermutlich letzten - Soloauftritt. Und alle drei haben damit nicht nur ihrer eigenen Partei Stimmen, sondern auch ihren Parteistrategen den letzten Nerv geraubt.

Topspielverderber der Saison ist unbestreitbar Jürgen Möllemann. Sein finaler Sabotageakt gegen die Wahlchancen der FDP war einer mit doppelter und dreifacher Ansage. Nach seinen populistischen und antisemitischen Ausfällen vom Frühjahr hatte ihn Teamchef Westerwelle abgemahnt: Wenn er ab jetzt ganz brav sei und es nie wieder tue, dürfe er beim Fantasiespiel Projekt 18 weiter mitmachen. Aber auch nur dann, bekräftigten die liberalen Onkel Gerhardt, Kinkel und Lambsdorff mit drohendem Zeigefinger. Möllemann versprach Besserung, drehte den gutgläubigen Granden hinterrücks eine Nase und tat's dann erst recht wieder. Schließlich hatte er das Irrsinnsprojekt 18 höchstpersönlich erfunden. Da durfte er ja wohl das, was davon noch übrig geblieben war, selbst in die Luft jagen.

Während Möllemanns destruktiver Antrieb ein verkappter Selbsthass sein dürfte, leidet Spielverderber Gysi unter zügelloser Selbstliebe. Alles ist ihm bisher gelungen im Leben; in der Harald Schmidt Show hat er sogar erfolgreich Kühe gemolken. Kürzlich nun fiel ihm ein, dass es eine Menge Spaß bringen könnte, Wirtschaftssenator von Berlin zu sein. Doch bald fand er, dass es noch schöner sei, von diesem Posten zurückzutreten und dabei mit grandioser Geste moralische Belehrungen über ideales Politikerverhalten zu erteilen. Das allerdings fanden die Wähler nicht mehr komisch und verhängten als Strafe Liebesentzug. Doch nicht gegen den selbstverliebten Gregor, sondern gegen die Partei, die er leichtfüßig im Stich gelassen hatte. Am Wahlabend blickte Gysi wie ein Bengel drein, der im Übermut sein Spielzeugauto gegen die Wand geworfen hat und jetzt fassungslos feststellt, dass an dem blöden Ding die Räder ab sind.

Und was trieb Herta Däubler-Gmelin ins Verderben? Die Selbstgerechtigkeit. Da sie es gewohnt ist, als personifiziertes protestantisches Weltgewissen aufzutreten und jedem streng über den Mund zu fahren, der noch nicht wie sie zu höherer moralischer Einsicht gekommen ist - warum sollte sie da nicht mal im Klartext sagen, was von George Bush, im Vergleich zu "Adolf Nazi", zu halten sei? Aber hat sie's überhaupt gesagt? Keiner kann es wissen, denn Frau Däubler-Gmelin stellt klar, nur sie allein sei in der Lage, den dunklen Sinn ihrer deutlichen Worte zu interpretieren. Immerhin, das wäre Spielverderber-Weltrekord: in tiefster schwäbischer Provinz etwas nicht zu sagen und damit den eigenen Kanzler in eine transatlantische Beziehungskrise erster Ordnung zu stürzen.

Selbstüberschätzung verleitete die drei Überflieger zum Querschuss im ungeeignetsten Augenblick. Und prädestinierte sie für ihre letzte wichtige politische Rolle: Sie dienen jetzt als ideale Sündenböcke für allerlei vermasselte politische Ambitionen.



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(c) DIE ZEIT   40/2002    
Dixie:

Nach der Qual..... ist vor der Qual.

 
01.10.02 14:45
DIE ZEIT

40/2002

Nach der Qual ...


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... ist vor der Qual. Das gilt erst recht nach der Wahl 2002

von Martin Klingst

Euphorie will nach dieser Wahl nicht aufkommen. Wie denn auch, bei all den aufgestauten Problemen und der Ernüchterung, die vier Jahre rot-grüne Regierung und schwarz-gelbe Opposition hinterlassen haben. Doch bei Lichte betrachtet, haben die Deutschen ebenso klug wie listig abgestimmt. Sie haben Schröder eine zweite Chance gegeben und ihm zugleich die Grenzen seiner Macht gezeigt.

Vom Kleinen zum Großen: Die PDS - willkommen in der Gegenwart! - hat als regionale Regierungspartei zum ersten Mal mit voller Wucht die Enttäuschung ihrer Wähler zu spüren bekommen. Zu viel hatte sie vorher versprochen, und jetzt wird ein Rückzug in den sozialistischen Schmollwinkel ihr Unglück nicht lindern. Der FDP, von Westerwelle, Möllemann & Co. zum Scheinriesen aufgeblasen, ist die Luft ausgegangen. Die Wähler haben sie auf das Format zurechtgestutzt, das sie verdient: auf einen Zwerg mit Schuhgröße 7. Dabei wünscht man sich gerade in diesen bleiernen Zeiten eine kraftvolle, aber nicht nur marktliberale Partei, die wieder stärker die bürgerlichen Freiheiten in den Mittelpunkt rückt und die Gesetzlichkeiten einer freien Wirtschaft mit den Geboten einer solidarischen Gesellschaft vereint. Doch dafür fehlen dieser FDP der Wille, die Ideen und die Persönlichkeiten. Hildegard Hamm-Brücher hat daraus die Konsequenz gezogen und ihre Partei nach 54 Jahren verlassen.

Seit dem 22. September gilt auch nicht länger das eigenartige deutsche Naturgesetz, nach dem den konservativen Parteien die strukturelle Mehrheit gehört - und jede Abweichung einen Betriebsunfall bedeutet. Die Wirtschaftslage ist miserabel, der Reformstau enorm. Der Unmut über die frühzeitig ermattete rot-grüne Regierung war trotz Flut und Irak so stark wie der Rückenwind für die Union, der die Wähler in der Wirtschaftspolitik noch immer am meisten vertrauen. Gleichwohl blieb die CDU/CSU deutlich unter den 40 Prozent, die sie bis 1998 stets klar überschritten hatte. Sie landete bloß auf Platz zwei, wenn auch nur wenige tausend Stimmen hinter den Sozialdemokraten.

Ein Spaß wird das Regieren nicht

Wer gewinnt künftig die Mehrheit und die Mitte? Jedenfalls nicht mehr zwangsläufig die C-Parteien. Hier kündigt sich womöglich das Ende einer Epoche an, vielleicht gar der Beginn einer schwierigen Debatte darüber, ob in Zukunft nicht auch die Grünen einen brauchbaren Koalitionspartner für die Union abgeben könnten oder müssten. Jedenfalls ließe sich die politische Differenz leichter überbrücken als die kulturelle.

Im Augenblick aber stehen die Grünen fest zur SPD und umgekehrt. Denn diesmal hat das Bündnis offensiv für sich geworben und nicht wie vor vier Jahren bloß zufällig die Mehrheit gewonnen. Allerdings: Dauerhaft kann dieses Bündnis die Mehrheit nicht für sich reklamieren; dazu fiel der Sieg zu mager aus. Nur neun Abgeordnete mehr als die Opposition - allein diese schmale Marge bedeutet, dass die Koalition für ihre Vorhaben auch außerhalb ihrer eigenen Reihen um Mit-Stimmer kämpfen muss. Vorbei also die Zeit der kleinen rot-grünen Lieblingsprojekte wie die zweite Stufe des Partnerschaftsgesetzes für gleichgeschlechtliche Paare; sie hätte gegenwärtig keine Chance. Ins Angebot müssen jetzt die harten Reformen, für die sich auch große Teile des konservativ-liberalen Milieus erwärmen könnten: der Abbau der Arbeitslosigkeit, die Erneuerung des Gesundheits- und Bildungssystems wie des Verbraucherschutzes. Ein Spaß wird das Regieren nicht.

Mit Recht sind die Erwartungen hoch, dass Rot-Grün jetzt schnell und planvoll loslegt. Die nächsten 300 Tage entscheiden nicht nur über Wohl und Wehe dieser Koalition, sondern des ganzen Landes. Was im nächsten Jahr nicht angepackt wird, bleibt bis zum Ende der Legislaturperiode liegen. Sich jetzt in langen Klausuren zu versenken, um über das Programm der kommenden vier Jahre nachzudenken, wäre ein Kardinalfehler. Denn die Ausgangslage für rot-grüne Politik ist nicht einfacher geworden: Das Verhältnis zu Amerika ist zerrüttet, und am Horizont droht ein Krieg mit dem Irak. Die Lunten im Nahen Osten, auch in Afghanistan werden kürzer. Die Europäische Union muss nicht nur ihre Ost- und Süderweiterung bewältigen, sondern auch just deswegen ihre Verfassung modernisieren - ein schmerzhafter Prozess.

Die deutsche Staatsverschuldung wird die kritische Schwelle von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, die Zahl der Arbeitslosen kann durchaus noch auf fünf Millionen anschwellen. Derweil die Beiträge für die Sozial- und Krankenversicherungen gnadenlos steigen, sinken die Steuereinnahmen. Hans Eichels Staatssäckel kriegt fast täglich ein neues Loch - ein Teufelskreis. Und der Dax? Vielleicht dokumentiert der gegenwärtige Börsentrend nur den kurzfristigen Missmut der Anleger. Hat die Regierung aber richtig Pech, nehmen die Indices schon die nächste, schlimmere Rezession voraus.

Was Wunder, dass sich Rot-Grün angesichts dieser depressiven Aussichten über den Sieg nur verhalten freuen konnte. Glücklicherweise aber fängt Rot-Grün nicht bei null an. Auf dem Schreibtisch liegt der Hartz-Plan. Sogar Sozialdemokraten wissen inzwischen, dass Arbeit, zumal niedrig qualifizierte Arbeit, schnellstens billiger werden muss. Die Rezepte sind bekannt: Die Arbeitsorganisation muss flexibler, der Kündigungsschutz gelockert, die Lohnnebenkosten gesenkt, der Paragrafendschungel entholzt werden. Das Steuergeld gehört in neue Jobs, nicht in die Finanzierung von Arbeitslosigkeit.

Weil in dem gesellschaftlichen Räderwerk stets das eine in das andere greift, gilt bei den Reformen das Gebot der Synchronisierung. Wer den Arbeitsmarkt auflockern will, muss gleichzeitig das Renten- und Gesundheitssystem erneuern. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gehört auch die Offensive auf dem Bildungs- und Forschungssektor. Denn die Arbeitslosigkeit ist nicht allein Folge von Rezession, staatlicher Fehlsteuerung oder unternehmerischem Unvermögen. Die Menschen werden künftig gezwungen sein, mehrfach den Job, gar den Beruf zu wechseln. Gegen dieses brutale Verdikt der Moderne müssen sie gewappnet sein.

Die deutsche Schizophrenie

Das fängt im Kindergarten an, damit Deutsche und Einwanderer gleichermaßen die Chance bekommen, die deutsche Sprache ordentlich zu lernen. Das bedeutet Investitionen in Schulen und Universitäten - und ganztägige Betreuungseinrichtungen, damit Mütter und Väter sich im Laufe ihres Arbeitslebens neu qualifizieren können. Doch reden wir nicht nur von der Arbeitslosigkeit, sondern auch von einem zweiten, scheinbar gegenläufigen Problem. Auf lange Sicht gehen Deutschland nicht die Jobs, sondern die Arbeiter aus, mithin auch die Erwerbstätigen, die in die Sozialkassen einzahlen. Einwanderer allein knacken das Dilemma nicht. Noch wichtiger wäre es, endlich eine freundliche Familienpolitik zu erfinden, die vor allem Lust auf Kinder macht.

Ob Rot-Grün die Kraft für eine so gewaltige Agenda hat? Ein Bild von der Gesellschaft, wie sie in zwanzig Jahren aussehen soll? Allein kann diese Regierung nicht jene deutsche Schizophrenie heilen, welche die Leute laut nach Veränderung rufen, aber jede persönliche Einschränkung ängstlich abwehren lässt. Aufgabe der Politik heißt "Führung" - zu zeigen, welchem höheren Nutzen der Verzicht dienen soll. Dafür benötigt sie Partner: in den Gewerkschaften, den Unternehmerverbänden, den Medien, den Bundesländern, den Kommunen - und in der Opposition. Wenn CDU und CSU der Regierung im Bundesrat selbst bei jenen Vorhaben Knüppel zwischen die Beine werfen, für die es in der Gesellschaft eine breite Mehrheit gibt, wird ihnen das niemand danken. Den Lafontaine der neunziger Jahre, der damals aus schnödem Partei-Egoismus die Steuerreform blockierte, darf Angela Merkel heute nicht spielen.

Und Gerhard Schröder? Er hat einst gesagt, acht Jahre Kanzlerschaft seien genug. Ganz gleich, ob er dabei bleibt oder 2006 doch wieder antritt: Nur wer nicht auf die nächsten Wahlen schielt und nicht wähnt, unverzichtbar zu sein, gewinnt die Freiheit für unbequeme Entscheidungen. Doch abermals ein Jahr stürmen und dann drei Jahre mauern - das hält die Republik nicht mehr aus.


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