In all diesen Fällen spielten Wirtschaftsjournalisten bei der Aufdeckung keine Rolle.
Die Helden im Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität waren Juristen und Polizisten, keine Journalisten. Mit dem Bekanntwerden der Finanzskandale und der damit verbundenen Vertrauenskrise in den Finanzmärkten ist auch der Wirtschafts- und Finanzjournalismus in die Kritik geraten. Wo waren die ganzen Wirtschaftsjournalisten während der Jahre, als der Deutschen Telekom und den anderen internationalen Telekommunikationsgesellschaften kein Preis zu hoch war, um die Welt zu erobern? Wo waren sie, als Enron damit begann, ein Netz von Scheinfirmen aufzubauen, und Worldcom seine Ausgaben einfach als Investitionen umbuchte? Der noch vor wenigen Monaten umjubelte Berufsstand sieht sich jetzt der Beschuldigung ausgesetzt, viel zu unkritisch über die Wirtschaft berichtet zu haben.
Dieser Vorwurf ist berechtigt. Während politische Journalisten stolz die Trophäen ihrer Opfer zur Schau tragen - von Richard Nixon bis Rudolf Scharping -, haben die Kollegen aus den Wirtschaftsressorts überraschend wenig "Schaden" angerichtet - außer bei ihren Lesern durch schlechte Aktientipps. Wirtschaftsjournalisten, die jahrelang aus dem Napf von PR-Beratern wie Moritz Hunzinger futterten, waren irgendwann nicht mehr nicht in der Lage, Kritisches zu schreiben. Wer als Journalist zudem noch einen Großteil seines plötzlich ansteigenden Gehalts in Aktien investierte, verlor völlig die Distanz zu den Unternehmen und Märkten.
Neue Titel nach dem Börsenboom
Die Krise des Wirtschaftsjournalismus ist international - sie trifft die USA genau wie Deutschland. In Amerika ist das Versagen der Wirtschaftsjournalisten offensichtlicher wegen der Betrugsskandale, aber auch bei uns ist die Branche in Misskredit geraten.
In Deutschland führte der Wirtschaftsjournalismus bis in die Mitte der 90er Jahre in vielen Redaktionen der Tageszeitungen ein ruhiges Dasein. Mit dem Börsenboom expandierten die Wirtschaftsredaktionen, viele neue Titel kamen auf den Markt - unter anderem auch die Financial Times Deutschland. Der Beruf des Wirtschaftsjournalisten gewann an Bedeutung. Es kamen auch Titel auf den Markt, die ihren Sinn darin sahen, den Lesern Nutzwert zu liefern, was häufig als Euphemismus für Aktientipps missverstanden wurde. Aus Sicht des Lesers erwiesen sich diese Tipps in vielen Fällen als todsicherer Mechanismus der Geldvernichtung. Mit der Baisse an den Börsen fielen auch die Auflagen der halbseidenen Wirtschaftspresse, die Gehälter und die Anzahl der Jobs.
Das Versagen des Wirtschaftsjournalismus hat eine lange Tradition. In "Irrational Exuberance", einem der bislang besten Bücher über die Blase an den Aktienmärkten, schrieb der amerikanische Finanzwissenschaftler Robert Shiller über die Rolle der Wirtschaftsjournalisten: Bei fast allen historischen Blasen waren Journalisten Trend-Verstärker. Irrationale Börsen-Bewertungen lassen sich nicht durch normale Kriterien erklären, dafür benötigt man "New Era"-Theorien.
Prominenter Kronzeuge
Bewahrheitet hat sich dieses Szenario in den späten 90er Jahren mit der New Economy. Diese höchst irrationale Geschichte hätte sich ohne die Mithilfe von Wirtschaftsjournalisten nicht so erfolgreich ausbreiten können. Selbst Alan Greenspan, Chef der US-Notenbank, ist dieser Theorie verfallen und hat sie später aktiv vertreten. Die "New Journalists" hatten plötzlich einen prominenten Kronzeugen für die New Economy. Das wiederum förderte die Verbreitung dieser widersinnigen These.
Der zweite Grund für das Versagen des Wirtschaftsjournalismus lag in einem redaktionellen Trend hin zur Personality-Story. Die Vorstandsvorsitzenden waren plötzlich nicht mehr Männer in grauen Anzügen - sondern Superstars. Wie oft strahlten uns die CEOs von Enron, Worldcom, Qwest, von der Deutschen Telekom oder Bertelsmann auf den Titelseiten großer Wirtschaftsmagazine entgegen? Die Porträtierten hatten allen Grund zur Freude: Die Geschichten hinter den Titelfotos waren insgesamt sehr freundlich.
Ein dritter Grund liegt in einem natürlichen Konflikt zwischen den Interessen der Medienindustrie und ihren Redaktionen. Dabei geht es gar nicht um die Berichterstattung über Firmen innerhalb des eigenen Konzerns, sondern um einen viel tiefgreifenderen Konflikt: Wenn sich die gesamte Medienindustrie einem irrationalen Trend wie der New Economy unterwirft, wie kann sich eine Redaktion, die ihre wirtschaftliche Basis gerade diesem Trend verdankt, inhaltlich widersetzen?
All diese Konflikte lassen sich nicht ohne Schwierigkeiten beseitigen. Gleichzeitig kann der Wirtschaftsjournalismus so nicht weitermachen. Um ihre Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen, wird die Profession nicht umhinkommen, das eigene Selbstverständnis neu zu definieren. Die Rolle des Journalisten sollte es nicht sein, den Leser durch gute Tipps zu bereichern, sondern ihn durch gute Information vor Schaden zu bewahren. Ein Wirtschaftsjournalist sollte seine Aufgabe darin sehen, im öffentlichen und nicht im privaten Interesse zu handeln.
Ob die jetzige Generation dazu fähig ist, scheint zweifelhaft. Nötig ist ein neuer Wirtschaftsjournalismus auf jeden Fall.
ftd.de
Die Helden im Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität waren Juristen und Polizisten, keine Journalisten. Mit dem Bekanntwerden der Finanzskandale und der damit verbundenen Vertrauenskrise in den Finanzmärkten ist auch der Wirtschafts- und Finanzjournalismus in die Kritik geraten. Wo waren die ganzen Wirtschaftsjournalisten während der Jahre, als der Deutschen Telekom und den anderen internationalen Telekommunikationsgesellschaften kein Preis zu hoch war, um die Welt zu erobern? Wo waren sie, als Enron damit begann, ein Netz von Scheinfirmen aufzubauen, und Worldcom seine Ausgaben einfach als Investitionen umbuchte? Der noch vor wenigen Monaten umjubelte Berufsstand sieht sich jetzt der Beschuldigung ausgesetzt, viel zu unkritisch über die Wirtschaft berichtet zu haben.
Dieser Vorwurf ist berechtigt. Während politische Journalisten stolz die Trophäen ihrer Opfer zur Schau tragen - von Richard Nixon bis Rudolf Scharping -, haben die Kollegen aus den Wirtschaftsressorts überraschend wenig "Schaden" angerichtet - außer bei ihren Lesern durch schlechte Aktientipps. Wirtschaftsjournalisten, die jahrelang aus dem Napf von PR-Beratern wie Moritz Hunzinger futterten, waren irgendwann nicht mehr nicht in der Lage, Kritisches zu schreiben. Wer als Journalist zudem noch einen Großteil seines plötzlich ansteigenden Gehalts in Aktien investierte, verlor völlig die Distanz zu den Unternehmen und Märkten.
Neue Titel nach dem Börsenboom
Die Krise des Wirtschaftsjournalismus ist international - sie trifft die USA genau wie Deutschland. In Amerika ist das Versagen der Wirtschaftsjournalisten offensichtlicher wegen der Betrugsskandale, aber auch bei uns ist die Branche in Misskredit geraten.
In Deutschland führte der Wirtschaftsjournalismus bis in die Mitte der 90er Jahre in vielen Redaktionen der Tageszeitungen ein ruhiges Dasein. Mit dem Börsenboom expandierten die Wirtschaftsredaktionen, viele neue Titel kamen auf den Markt - unter anderem auch die Financial Times Deutschland. Der Beruf des Wirtschaftsjournalisten gewann an Bedeutung. Es kamen auch Titel auf den Markt, die ihren Sinn darin sahen, den Lesern Nutzwert zu liefern, was häufig als Euphemismus für Aktientipps missverstanden wurde. Aus Sicht des Lesers erwiesen sich diese Tipps in vielen Fällen als todsicherer Mechanismus der Geldvernichtung. Mit der Baisse an den Börsen fielen auch die Auflagen der halbseidenen Wirtschaftspresse, die Gehälter und die Anzahl der Jobs.
Das Versagen des Wirtschaftsjournalismus hat eine lange Tradition. In "Irrational Exuberance", einem der bislang besten Bücher über die Blase an den Aktienmärkten, schrieb der amerikanische Finanzwissenschaftler Robert Shiller über die Rolle der Wirtschaftsjournalisten: Bei fast allen historischen Blasen waren Journalisten Trend-Verstärker. Irrationale Börsen-Bewertungen lassen sich nicht durch normale Kriterien erklären, dafür benötigt man "New Era"-Theorien.
Prominenter Kronzeuge
Bewahrheitet hat sich dieses Szenario in den späten 90er Jahren mit der New Economy. Diese höchst irrationale Geschichte hätte sich ohne die Mithilfe von Wirtschaftsjournalisten nicht so erfolgreich ausbreiten können. Selbst Alan Greenspan, Chef der US-Notenbank, ist dieser Theorie verfallen und hat sie später aktiv vertreten. Die "New Journalists" hatten plötzlich einen prominenten Kronzeugen für die New Economy. Das wiederum förderte die Verbreitung dieser widersinnigen These.
Der zweite Grund für das Versagen des Wirtschaftsjournalismus lag in einem redaktionellen Trend hin zur Personality-Story. Die Vorstandsvorsitzenden waren plötzlich nicht mehr Männer in grauen Anzügen - sondern Superstars. Wie oft strahlten uns die CEOs von Enron, Worldcom, Qwest, von der Deutschen Telekom oder Bertelsmann auf den Titelseiten großer Wirtschaftsmagazine entgegen? Die Porträtierten hatten allen Grund zur Freude: Die Geschichten hinter den Titelfotos waren insgesamt sehr freundlich.
Ein dritter Grund liegt in einem natürlichen Konflikt zwischen den Interessen der Medienindustrie und ihren Redaktionen. Dabei geht es gar nicht um die Berichterstattung über Firmen innerhalb des eigenen Konzerns, sondern um einen viel tiefgreifenderen Konflikt: Wenn sich die gesamte Medienindustrie einem irrationalen Trend wie der New Economy unterwirft, wie kann sich eine Redaktion, die ihre wirtschaftliche Basis gerade diesem Trend verdankt, inhaltlich widersetzen?
All diese Konflikte lassen sich nicht ohne Schwierigkeiten beseitigen. Gleichzeitig kann der Wirtschaftsjournalismus so nicht weitermachen. Um ihre Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen, wird die Profession nicht umhinkommen, das eigene Selbstverständnis neu zu definieren. Die Rolle des Journalisten sollte es nicht sein, den Leser durch gute Tipps zu bereichern, sondern ihn durch gute Information vor Schaden zu bewahren. Ein Wirtschaftsjournalist sollte seine Aufgabe darin sehen, im öffentlichen und nicht im privaten Interesse zu handeln.
Ob die jetzige Generation dazu fähig ist, scheint zweifelhaft. Nötig ist ein neuer Wirtschaftsjournalismus auf jeden Fall.
ftd.de