Aus der FTD vom 2.12.2003
Mautfirma Fela will Toll Collect ausbooten
Von Titus Kroder, Hamburg, und Jens Tartler, Berlin
Der politische Druck auf das von Pannen verfolgte Betreiberkonsortium Toll Collect, das ein neues elektronisches Lkw-Mautsystem in Deutschland installieren soll, hat deutlich zugenommen. Mehrere Konkurrenten stehen in den Starlöchern.
Vertreter des Bundesverkehrsministeriums, das den Auftrag für die Einrichtung des Mautsystems an Toll Collect vergeben hatte, trafen sich am Montag mit Managern des Schweizer Mautsystemanbieters Fela Management. "Die Gespräche fanden am Montagvormittag statt und verliefen sehr konstruktiv", sagte ein Sprecher von Fela. Man werde zu weiteren Gesprächsrunden zusammenkommen. Aus dem Berliner Ministerium wurden die Gespräche bestätigt; sie hätten allerdings ohne Verkehrsminister Manfred Stolpe stattgefunden.
In Branchenkreisen wird die Kontaktaufnahme mit dem erfahrenen Konkurrenzanbieter aus der Schweiz zunächst nur als warnendes Signal in Richtung Toll Collect gewertet. Tatsächlich steht das angeschlagene Konsortium, dessen Chef in Folge der über Monate hinweg verzögerten Installation des Systems im Oktober ausgewechselt wurde, unter großem Druck. Stolpe hatte am Wochenende erstmals geäußert, dass die Bundesregierung mit anderen Anbietern als Toll Collect ins Geschäft kommen könnte.
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Manfred Stolpe
Den Vergaberichtlinien zufolge kann Stolpe ab dem 15. Dezember den Vertrag kündigen und einen anderen Anbieter wählen. Bis zu diesem Datum müsse Toll Collect einen verbindlichen Termin für den Start des Mautsystems nennen und den einwandfreien Betrieb zusichern, sagte Stolpe am Sonntag in einem Interview mit der "Bild am Sonntag": "Ich erwarte, dass die Sache dann tadellos funktioniert." Der Bundeshaushalt verliert durch die seit September dauernde Verzögerung 156 Mio. Euro Mehreinnahmen pro Monat. In Regierungskreisen ging man zuletzt von einem Starttermin im Mai 2004 aus.
Vorbereitung für "Plan B"
Aus dem Umfeld des Ministeriums hieß es am Montag, man wolle zunächst an Toll Collect als Technologiepartner festhalten. Man betrachte die Annäherung an Fela aber als Absicherung, falls Toll Collect die verlangten Zusicherungen nicht geben könne. "Es sieht nicht nach einem Scheitern aus. Wir müssen aber trotzdem auf diesen Fall vorbereitet sein", sagte ein Ministeriumssprecher. Toll Collect indes wollte am Montag zu der Frage, ob bis Mitte Dezember die verlangten Zusicherungen gegeben werden können, keine Stellung beziehen.
Das Konkurrenzunternehmen Fela unterhält sein im Gegensatz zu Toll Collect nicht von Satelliten gestütztes Mautsystem in Österreich und der Schweiz, wo es gut funktioniert. Die Schweizer hatten sich auch um den Großauftrag in Deutschland beworben, waren aber dort nicht zum Zuge gekommen. "Wir haben ein fertiges Konzept in der Schublade liegen", so der Fela-Sprecher. Man könne ein vergleichbares System innerhalb von 18 Monaten aufbauen. Einen Endpreis für das System wollte der Sprecher nicht nennen. Es könnten aber Teile der Infrastruktur von Toll Collect übernommen werden. Zusätzlich müssten rund 500 Mio. Euro investiert werden.
"Wir schauen uns an: Was machen die in Österreich und der Schweiz, was können die?", sagte der Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. Auf Arbeitsebene gebe es mit Toll Collect und mit Fela Kontakte. Die Verhandlungspartner von Toll Collect wüssten, was auf dem Spiel stehe. Nach Angaben des Sprechers trifft man sich zudem mehrmals pro Woche mit Vertretern von DaimlerChrysler und der Deutschen Telekom. Die Verhandlungen kämen gut voran. In puncto Technik würden jetzt Wege aufgezeigt, wie die Probleme in den Griff zu bekommen sind. Das laufe unter der neuen Geschäftsführung besser als unter der alten, hieß es aus dem Ministerium.
Am Montag meldete sich zudem das gegen Toll Collect zunächst unterlegene Betreiberkonsortium Ages um den Mobilfunkbetreiber Vodafone zurück. "Wir wären bereit, uns das anzuschauen und an einer Lösung mitzuhelfen", sagte ein Ages-Vertreter gegenüber Reuters.