Tiefer kann ein Fall kaum sein. Im Börsenboom war er der Superstar der Wall Street: Frank Quattrone, der Zauberer. Vor wenigen Wochen entließ die Credit Suisse First Boston (CSFB) ihren einstigen Top-Investmentbanker. Jetzt wurde er von den US-Behörden wegen des Vorwurfs der Justizbehinderung verhaftet.
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Die Investmentbank Credit Suisse First Boston (CSFB) hatte Quattrone bereits im vergangenen März entlassen, nachdem eine interne Untersuchung ergeben hatte, dass der Investmentbanker während laufender Ermittlungen die Vernichtung von Dokumenten empfohlen hatte. Auch zu einem Treffen mit Vertretern der National Association of Securities Dealers (NASD), die ihn zu den Vorwürfen befragen wollten, war er nicht erschienenen.
Quattrone, der früher für die Deutsche Bank arbeitete, war in der Hochzeit des Internetbooms zu immensem Ruhm an der Wall Street gelangt. Man nannte ihn an der Börse ehrfurchtsvoll den "Zauberer". Wie wenige Investmentbanker verkörperte er die Verlockungen, in Zeiten ständiger Börsengänge von immer neuen Technologiefirmen zu schnellem Reichtum zu gelangen. Er brachte unter anderem den Softwarehersteller Netscape und den Online-Einzelhändler Amazon an die Börse. Zeitweise brachte er es auf ein jährliches Einkommen in Höhe von beinahe 100 Millionen Dollar.
Bereicherung im Sekundentakt
Die Ermittler werfen ihm und CSFB vor, die Praxis des so genannten "Spinning" betrieben zu haben. Dabei werden frische Aktien im Rahmen eines IPOs nicht fair unter allen interessierten Anlegern verteilt, sondern bewusst an bestimmte Personen wie bevorzugte Klienten vergeben - in Erwartung einer Gegenleistung. CSFB hat wegen Verstößen bei IPOs bereits eine Buße von 100 Millionen Dollar gezahlt.
Teilweise sollen Investmentbanken sich die heißen Aktien, die in der Regel innerhalb binnen Minuten nach der Erstnotierung ihren Wert verdoppelten oder verdreifachten, gegenseitig zugeschachtert haben. Quattrone hat angeblich zahlreiche Manager aus dem Silicon Valley bevorzugt bedient und von diesen dafür lukrative Aufträge erhalten. Die Gruppe der Gesegneten, die auf Quattrones IPO-Liste stand, seien in Dot.Com-Kreisen als "Friends of Frank" bekannt gewesen, berichten US-Zeitungen.
In den USA sind vor allem Banken und Wirtschaftsprüfer gesetzlich verpflichtet, Unterlagen über Transaktionen jeder Art für mehrere Jahre aufzubewahren. Sobald eine Klage oder ein Verfahren gegen eine Firma eingeleitet wird, ist Vernichtung von Akten auf jeden Fall strengstens verboten. Vernichtet ein Institut dennoch Unterlagen, können sich die Beteiligten eine Anklage wegen Behinderung der Justiz einhandeln. Auch der untergegangene Energieriese Enron und sein Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen wurden angeklagt, nachdem sie kistenweise Papiere durch den Reißwolf gejagt hatten.