Lebensversicherungen im Sog fallender Aktienmärkte
Auswirkungen der Börsenkrise auf die Sicherheit deutscher Lebensversicherungen
Stille Reserven ade -
Die Versicherungsbranche ist unter Druck. Stille Reserven und Fettpolster aus der Zeit des Börsenbooms sind verschwunden. Zwischen 1994 und 2000 hatten deutsche Versicherer ihren Aktienanteil von 12,7 auf 26,4% der gesamten Anlagen hochgeschraubt. Von den 125 Mrd Euro Prämieneinnahmen im Jahr 2000 flossen 41% in Aktien – vielfach zu Kursen nahe den historischen Höchstständen. Nach einer Studie der WestLB hatten die kleineren deutschen Versicherer per 18. September 2001 rund 80% ihrer stillen Reserven verbrannt.
Für die gesamte Branche schätzten die Düsseldorfer Analysten einen Rückgang der stillen Reserven um 51,8%.
Jeder Besitzer einer deutschen Lebensversicherung muss mit Einschnitten rechnen Im Jahr 3 nach dem Ende der Börsenhausse fällt der Kassensturz bei deutschen Lebensversicherern ernüchternd aus. 'Alle Lebensversicherer müssen ihre Überschussbeteiligungen senken', prophezeit Heijo Hauser, Geschäftsführer des Versicherungsberaters Tillinghast-Towers Perrin. Der Rotstift wird sowohl Kapitallebens- als auch Rentenversicherungen treffen. Einzelne Versicherungsnehmer mussten bereits zusehen, wie ihre Rückzahlungswerte um sechsstellige Beträge gekürzt wurden. Große Beliebtheit von Lebensversicherungen macht kritische Überprüfung des Sektors notwendig
Mit 85 Millionen Verträgen und einer versicherten Summe von 1,6 Billionen Euro sind Lebensversicherungen neben dem Eigenheim die beliebteste Anlageform der Deutschen. Versicherungsgesellschaften galten bislang als krisenfest und wachstumsträchtig. Doch die Börsenbaisse und die Kürzung der Überschussbeteiligungen wirft die Frage auf, ob die deutschen Sparer auf das richtige Pferd gesetzt haben. Die Beantwortung dieser Frage kann Auswirkungen auf den gesamten Finanzplatz Deutschland haben.
Enronitis auch bei deutschen Versicherern?
Rund um den Globus erhalten Sparer Hiobsbotschaften über Performance und Werthaltigkeit ihrer bislang als sicher eingestuften Altersvorsorgeanlagen. In England mussten über eine Million Versicherte der Equitable Life, der ältesten Versicherung der Welt, eine Kürzung ihrer Ansprüche um 16% hinnehmen. In der Schweiz wies die Swiss Life nach Abzug bestimmter Goodwill- und Akquisitionsposten per April 2002 ein negatives Netto-Eigenkapital aus. Im deflationsgeplagten Japan sind seit 1997 bereits sieben Lebensversicherer in Konkurs gegangen. Mit der Unruhe um die Bilanzierungsmethoden des Finanzdienstleisters MLP scheint die Aufräumarbeit unter Finanzdienstleistern auch den deutschen Markt erreicht zu haben. In Londoner Bankkreisen wird bereits darüber spekuliert, ob sich MLP zur Beruhigung seiner Situation durch einen 'weißen Ritter' übernehmen lassen muss. Es ist zu erwarten, dass sich die Diskussion um die Bilanzierungsmethoden und Sicherheit deutscher Finanzkonzerne bald auch auf die Lebensversicherer ausdehnen wird.
Solidität deutscher Versicherungsverträge hängt stark von Aktien und Anleihen ab
Die Börse spielt für die deutschen Versicherungsgesellschaften mittlerweile eine entscheidende Rolle. Ob es für deutsche Versicherungssparer bei einer Kürzung der Überschussbeteiligung bleibt oder weitergehende Kürzungen und Insolvenzen zu befürchten sind, wird maßgeblich durch die Entwicklung des Kapitalmarktes entschieden. Rund 96% der Anlagen von Lebensversicherern hängen von Börsenkursen und Zinsniveau ab. Das Absinken des DAX auf rund 3.800 Punkte im September 2001 hatte bei ersten Lebensversicherungen bereits zu einer vollständigen Vernichtung aller stillen Reserven und zur Entstehung stiller Verluste geführt.
Flucht in Unternehmensanleihen könnte sich als Bumerang erweisen
Um die rückläufigen Erträge im Aktienbereich und die niedrigen Renditen von Staatsanleihen auszugleichen, investieren deutsche Versicherer zunehmend in Unternehmensanleihen. Seit Enron und SwissAir ist jedoch selbst bei vermeintlich soliden Schuldnern erhöhte Vorsicht angebracht. In Europa stammen 70% aller Unternehmensanleihen aus dem Telekom- und Medienbereich. Setzt sich der gegenwärtige Trend der 'erosionomics” (= langsam erodierende Volkswirtschaften und Kapitalmärkte) fort, können die wachsenden Engagements bei Unternehmensanleihen dazu führen, dass deutsche Lebensversicherer mit ihren Renditenversprechen noch stärker in Bedrängnis geraten.
Auch das Engagement in Kreditderivaten verdient Wachsamkeit
Das neue Sicherheitsdenken der Nach-Enron-Ära wirft weitere, in der Öffentlichkeit bislang unzureichend diskutierte Fragen auf. Der Enron-Konzern geriet aufgrund komplexer, nicht aus der Bilanz ersichtlicher Derivatgeschäfte in Konkurs. Auch deutsche Lebensversicherer investieren in Kreditderivate und übernehmen dabei Kreditrisiken, die Banken aus ihren Büchern entfernen möchten. Versicherungen können aufgrund weniger strenger Kapitalauflagen höhere Kreditrisiken schultern als Banken. Eine solche regulatorische Arbitrage kann zu einer stabilitätsgefährenden Umverteilung und Konzentrationvon Risiken führen. Versicherer zählen mit rund 20% Marktanteil bereits zu den größten Marktteilnehmern des weltweit auf 2 Billionen US$ geschätzten Kreditderivatebereichs. Der gesamte Bereich wird auch von Regulierungsbehörden erst nach und nach erschlossen.
Hinweise aus den USA, dass sich deutsche Versicherer auf der Suche nach höheren Renditen zu riskanten Derivatspekulationen verleiten lassen
Deutsche Lebensversicherer investieren derzeit noch in der Hoffnung auf höhere Renditen in Kreditderivate. Wenn aber jahrzehntelang im Kreditgeschäft erfahrene Banken Kreditrisiken abgeben, muss die Frage gestellt werden, ob die Käufer die Risiken in allen Fällen ausreichend erkennen und den Wert der Anlage korrekt bestimmten können. Eine für Finanzplanung, Finanzprodukte und Versicherungen zuständige Tochter von American Express hat sich bei ihrer Suche nach höheren Erträgen bereits die Finger verbrannt: Amex Financial Advisors verlor mit Kreditderivaten, deren Funktionsweise die Amex-Mitarbeiter nicht richtig verstanden hatten, im Jahr 2001 rund 1 Mrd US$. Auf der verzweifelten Suche nach höheren Zinsen könnten sich auch deutsche Gesellschaften eine blutige Nase holen: Das amerikanischen Branchenmagazin 'The Banker” berichtete jüngst, dass deutsche Lebensversicherer als auffällig große Käufer besonders riskanter Tranchen des Kreditderivate-Bereichs beobachtet wurden.
Ist ein 'Fall Equitable” in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit?
Die bei unserer Untersuchung gefundenen Indizien deuten darauf hin, dass es bei deutschen Versicherern höher als erwartet ausfallende, in der Finanzpresse und öffentlichen Meinung noch nicht hinreichend beobachtete Risiken gibt. Uns erscheint eine verstärkte Überwachung von Derivate-Engagements sowie die zwangsweise Einführung eines 'Crashtests” für deutsche Versicherungen als angebracht. Die aufgezeigten Risikofaktoren erscheinen geeignet, um bei einem anhaltend schlechten Klima an den Finanzmärkten zum Kollaps einer oder mehrerer deutscher Versicherer zu führen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass
es bei Schieflagen zu Übernahmeaktivitäten und Zusammenschlüssen kommt, ist ein Auffangen der Verluste durch die 'Deutschland AG” im wettbewerbsintensiven Umfeld nicht mehr sichergestellt.
Eine erste Schieflage liegt in Deutschland bereits vor: Nach einem Bericht der Zeitschrift Capital hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Detmolder Lebensversicherer Familienfürsorge unter Zwangsverwaltung gestellt. Bei 300.000 Versicherungsverträgen sollen bei den Renditen zumindest Einschnitte bevorstehen. Capital zufolge sollen insgesamt 13 Gesellschaften außer Stande sein, den Garantiezins von meist 3,25 Prozent zu zahlen, wenn der Dax am Jahresende auf aktuellem Niveau notiert.
© Falkenstein Nebenwerte AG
info@falkenstein-ag.de
12. Juli 2002
Link zur vollständigen Studie:
www.share-infos.de/Articles/Article.cfm?FN=Content&ID=531
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Auswirkungen der Börsenkrise auf die Sicherheit deutscher Lebensversicherungen
Stille Reserven ade -
Die Versicherungsbranche ist unter Druck. Stille Reserven und Fettpolster aus der Zeit des Börsenbooms sind verschwunden. Zwischen 1994 und 2000 hatten deutsche Versicherer ihren Aktienanteil von 12,7 auf 26,4% der gesamten Anlagen hochgeschraubt. Von den 125 Mrd Euro Prämieneinnahmen im Jahr 2000 flossen 41% in Aktien – vielfach zu Kursen nahe den historischen Höchstständen. Nach einer Studie der WestLB hatten die kleineren deutschen Versicherer per 18. September 2001 rund 80% ihrer stillen Reserven verbrannt.
Für die gesamte Branche schätzten die Düsseldorfer Analysten einen Rückgang der stillen Reserven um 51,8%.
Jeder Besitzer einer deutschen Lebensversicherung muss mit Einschnitten rechnen Im Jahr 3 nach dem Ende der Börsenhausse fällt der Kassensturz bei deutschen Lebensversicherern ernüchternd aus. 'Alle Lebensversicherer müssen ihre Überschussbeteiligungen senken', prophezeit Heijo Hauser, Geschäftsführer des Versicherungsberaters Tillinghast-Towers Perrin. Der Rotstift wird sowohl Kapitallebens- als auch Rentenversicherungen treffen. Einzelne Versicherungsnehmer mussten bereits zusehen, wie ihre Rückzahlungswerte um sechsstellige Beträge gekürzt wurden. Große Beliebtheit von Lebensversicherungen macht kritische Überprüfung des Sektors notwendig
Mit 85 Millionen Verträgen und einer versicherten Summe von 1,6 Billionen Euro sind Lebensversicherungen neben dem Eigenheim die beliebteste Anlageform der Deutschen. Versicherungsgesellschaften galten bislang als krisenfest und wachstumsträchtig. Doch die Börsenbaisse und die Kürzung der Überschussbeteiligungen wirft die Frage auf, ob die deutschen Sparer auf das richtige Pferd gesetzt haben. Die Beantwortung dieser Frage kann Auswirkungen auf den gesamten Finanzplatz Deutschland haben.
Enronitis auch bei deutschen Versicherern?
Rund um den Globus erhalten Sparer Hiobsbotschaften über Performance und Werthaltigkeit ihrer bislang als sicher eingestuften Altersvorsorgeanlagen. In England mussten über eine Million Versicherte der Equitable Life, der ältesten Versicherung der Welt, eine Kürzung ihrer Ansprüche um 16% hinnehmen. In der Schweiz wies die Swiss Life nach Abzug bestimmter Goodwill- und Akquisitionsposten per April 2002 ein negatives Netto-Eigenkapital aus. Im deflationsgeplagten Japan sind seit 1997 bereits sieben Lebensversicherer in Konkurs gegangen. Mit der Unruhe um die Bilanzierungsmethoden des Finanzdienstleisters MLP scheint die Aufräumarbeit unter Finanzdienstleistern auch den deutschen Markt erreicht zu haben. In Londoner Bankkreisen wird bereits darüber spekuliert, ob sich MLP zur Beruhigung seiner Situation durch einen 'weißen Ritter' übernehmen lassen muss. Es ist zu erwarten, dass sich die Diskussion um die Bilanzierungsmethoden und Sicherheit deutscher Finanzkonzerne bald auch auf die Lebensversicherer ausdehnen wird.
Solidität deutscher Versicherungsverträge hängt stark von Aktien und Anleihen ab
Die Börse spielt für die deutschen Versicherungsgesellschaften mittlerweile eine entscheidende Rolle. Ob es für deutsche Versicherungssparer bei einer Kürzung der Überschussbeteiligung bleibt oder weitergehende Kürzungen und Insolvenzen zu befürchten sind, wird maßgeblich durch die Entwicklung des Kapitalmarktes entschieden. Rund 96% der Anlagen von Lebensversicherern hängen von Börsenkursen und Zinsniveau ab. Das Absinken des DAX auf rund 3.800 Punkte im September 2001 hatte bei ersten Lebensversicherungen bereits zu einer vollständigen Vernichtung aller stillen Reserven und zur Entstehung stiller Verluste geführt.
Flucht in Unternehmensanleihen könnte sich als Bumerang erweisen
Um die rückläufigen Erträge im Aktienbereich und die niedrigen Renditen von Staatsanleihen auszugleichen, investieren deutsche Versicherer zunehmend in Unternehmensanleihen. Seit Enron und SwissAir ist jedoch selbst bei vermeintlich soliden Schuldnern erhöhte Vorsicht angebracht. In Europa stammen 70% aller Unternehmensanleihen aus dem Telekom- und Medienbereich. Setzt sich der gegenwärtige Trend der 'erosionomics” (= langsam erodierende Volkswirtschaften und Kapitalmärkte) fort, können die wachsenden Engagements bei Unternehmensanleihen dazu führen, dass deutsche Lebensversicherer mit ihren Renditenversprechen noch stärker in Bedrängnis geraten.
Auch das Engagement in Kreditderivaten verdient Wachsamkeit
Das neue Sicherheitsdenken der Nach-Enron-Ära wirft weitere, in der Öffentlichkeit bislang unzureichend diskutierte Fragen auf. Der Enron-Konzern geriet aufgrund komplexer, nicht aus der Bilanz ersichtlicher Derivatgeschäfte in Konkurs. Auch deutsche Lebensversicherer investieren in Kreditderivate und übernehmen dabei Kreditrisiken, die Banken aus ihren Büchern entfernen möchten. Versicherungen können aufgrund weniger strenger Kapitalauflagen höhere Kreditrisiken schultern als Banken. Eine solche regulatorische Arbitrage kann zu einer stabilitätsgefährenden Umverteilung und Konzentrationvon Risiken führen. Versicherer zählen mit rund 20% Marktanteil bereits zu den größten Marktteilnehmern des weltweit auf 2 Billionen US$ geschätzten Kreditderivatebereichs. Der gesamte Bereich wird auch von Regulierungsbehörden erst nach und nach erschlossen.
Hinweise aus den USA, dass sich deutsche Versicherer auf der Suche nach höheren Renditen zu riskanten Derivatspekulationen verleiten lassen
Deutsche Lebensversicherer investieren derzeit noch in der Hoffnung auf höhere Renditen in Kreditderivate. Wenn aber jahrzehntelang im Kreditgeschäft erfahrene Banken Kreditrisiken abgeben, muss die Frage gestellt werden, ob die Käufer die Risiken in allen Fällen ausreichend erkennen und den Wert der Anlage korrekt bestimmten können. Eine für Finanzplanung, Finanzprodukte und Versicherungen zuständige Tochter von American Express hat sich bei ihrer Suche nach höheren Erträgen bereits die Finger verbrannt: Amex Financial Advisors verlor mit Kreditderivaten, deren Funktionsweise die Amex-Mitarbeiter nicht richtig verstanden hatten, im Jahr 2001 rund 1 Mrd US$. Auf der verzweifelten Suche nach höheren Zinsen könnten sich auch deutsche Gesellschaften eine blutige Nase holen: Das amerikanischen Branchenmagazin 'The Banker” berichtete jüngst, dass deutsche Lebensversicherer als auffällig große Käufer besonders riskanter Tranchen des Kreditderivate-Bereichs beobachtet wurden.
Ist ein 'Fall Equitable” in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit?
Die bei unserer Untersuchung gefundenen Indizien deuten darauf hin, dass es bei deutschen Versicherern höher als erwartet ausfallende, in der Finanzpresse und öffentlichen Meinung noch nicht hinreichend beobachtete Risiken gibt. Uns erscheint eine verstärkte Überwachung von Derivate-Engagements sowie die zwangsweise Einführung eines 'Crashtests” für deutsche Versicherungen als angebracht. Die aufgezeigten Risikofaktoren erscheinen geeignet, um bei einem anhaltend schlechten Klima an den Finanzmärkten zum Kollaps einer oder mehrerer deutscher Versicherer zu führen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass
es bei Schieflagen zu Übernahmeaktivitäten und Zusammenschlüssen kommt, ist ein Auffangen der Verluste durch die 'Deutschland AG” im wettbewerbsintensiven Umfeld nicht mehr sichergestellt.
Eine erste Schieflage liegt in Deutschland bereits vor: Nach einem Bericht der Zeitschrift Capital hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Detmolder Lebensversicherer Familienfürsorge unter Zwangsverwaltung gestellt. Bei 300.000 Versicherungsverträgen sollen bei den Renditen zumindest Einschnitte bevorstehen. Capital zufolge sollen insgesamt 13 Gesellschaften außer Stande sein, den Garantiezins von meist 3,25 Prozent zu zahlen, wenn der Dax am Jahresende auf aktuellem Niveau notiert.
© Falkenstein Nebenwerte AG
info@falkenstein-ag.de
12. Juli 2002
Link zur vollständigen Studie:
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