ftd.de, Do, 3.1.2002, 22:12 www.ftd.de/chipindustrie
Vor dem nächsten Goldrausch
Von Sven Clausen, München und Joachim Zepelin, Hamburg
Nach dem Horrorjahr 2001 mehren sich die Signale, dass die Chipindustrie zu neuem Leben erwacht. Der nächste so genannte Schweinezyklus steht kurz bevor - vorausgesetzt, die Überkapazitäten werden wie geplant abgebaut.
Am Ende des desaströsen Chip-Jahres 2001 war Infineon-Chef Ulrich Schumacher dann doch zum Feiern zumute. Und so bestellte der Vorstandschef des Münchner Chipherstellers für den 12. Dezember Hunderte von Journalisten und Analysten aus aller Welt in sein Dresdner Werk ein. Sie sollten miterleben, wie Infineon als weltweit erstes Unternehmen in großem Stil die Produktion von Chips auf bratpfannengroßen Scheiben mit 30 Zentimetern Durchmesser startete. Diese Innovation verbilligt die Produktion um bis zu 30 Prozent.
Es kamen fast alle in die nasskalte sächsische Hauptstadt. Dabei gab es eigentlich gar nichts zu sehen. Das Spektakel, "der Aufbruch in eine neue Dimension der Fertigung" (Schumacher), ereignete sich in blickdichten Maschinen. Irgendwie freuten sich aber trotzdem alle. Nach dem katastrophalen Jahr hatte die Szene geradezu nach einer guten Nachricht gelechzt.
Schumachers Aufführung hinter zugezogenem Vorhang könnte allerdings mehr sein als nur ein kleiner Trost. Denn es verdichten sich die Hinweise und Signale, dass die gebeutelte Chipbranche vor einer Art Wiedergeburt steht, und zwar weltweit. Die Krise, so hört man in den Unternehmen, habe endlich ein Ende gefunden. Vorausgesetzt natürlich, die Marktbereinigung werde wie geplant vollzogen.
Das jüngste Hoffnungszeichen kam dieser Tage aus Südkorea. Der Halbleiterhersteller Hynix, bis dato das größte Sorgenkind der Branche, erhöhte seine Preise für Speicherchips gleich um 30 Prozent. Infineon-Chef Schumacher fackelte nicht lange und deutete an, er werde nachziehen. Von den anderen Herstellern wird ähnliches erwartet.
"Das ist kein saisonaler Effekt mehr", urteilt Karsten Iltgen, Analyst bei der WestLB Panmure. "Ich bin überrascht, wie schnell die Preise sich wieder bewegen", sagt sein Kollege Steve Woolf von der Commerzbank.
Und die Aktienkurse gleich mit: Die Papiere vieler Chipproduzenten verzeichneten zuletzt Tageszuwächse wie während des Internet-Booms. Die Zeit der Milliardenverluste, so die Hoffnung der Märkte, nähert sich dem Ende.
Eine ganze Branche erwacht
Die neuen Lebenszeichen machen der gesamten IT-Industrie Mut. Die Standardspeicherchips gelten als Gradmesser für deren Zustand, die so genannten DRAM werden vornehmlich in Computern und Unterhaltungselektronik eingesetzt. Ziehen die Chip-Preise an, dann lässt das auf einen steigenden Absatz der Endprodukte schließen.
Welch eine Erlösung nach dem vergangenem Horrorjahr. "Die Halbleiterhersteller haben sich 2001 durch den schlimmsten Absturz in der Geschichte der Branche gekämpft", resümiert das renommierte Beratungsunternehmen Gartner Dataquest. Der Umsatz ist binnen zwölf Monaten um ein Drittel eingebrochen: auf rund 152 Mrd. $. Selbst Marktführer Intel, obwohl dieser seit den 80er Jahren nicht mehr im zyklischen DRAM-Geschäft aktiv ist, erlitt Einbußen.
Jenen Herstellern, die neben Logik-Chips wie etwa Mikroprozessoren auch Standardspeicherchips produzieren, setzte die Krise besonders schwer zu. Der Preis für einen DRAM mit einer Leistung von 128 MB stürzte im Herbst auf unter 1 $ ab. Im September 2000 hatte er noch bei 15 $ gelegen. Für Schumachers Infineon liegt die Gewinnschwelle bei 6 $.
Dass die Preise nach Hochphasen auch wieder einbrechen, sind die Chipmanager gewohnt. "Schweinezyklus" heißt dieses jähe Auf und Ab in der Branche. Sobald die Unternehmen ihre Beschäftigten mit neuen Computern ausrüsten oder neue Technologien auf den Markt kommen, steigen Bedarf und Preise kräftig an - um danach ähnlich heftig wieder in sich zusammenzufallen.
Diese Ausschläge haben den Siemens-Konzern bewogen, sich im März 2000 von seiner Halbleitersparte zu trennen und sie als Infineon an die Börse zu bringen. Der südkoreanische Hyundai-Konzern verfuhr mit Hynix ebenso.
Anders als bei früheren Zyklen war das Auf und Ab diesmal besonders drastisch: Internet-Boom und Jahrtausendwende ließen die Nachfrage nach Computern steil anziehen. Die Preise für Speicherchips erklommen astronomische Höhen. Als der Spuk vorbei war, purzelten die Preise wieder. Dabei legten sich Ulrich Schumacher und Steve Appleton, Chef von Micron, dem zweitgrößten Speicherchip-Fabrikanten der Welt, mit Marktführer Samsung an: Die beiden bezichtigten die Südkoreaner im November des Dumpings. Ihr Verdacht: Samsung wolle mit seiner finanzstarken Mutter im Rücken die Krise nutzen, um unliebsame Wettbewerber auszutrocknen. "Absoluter Quatsch", giftete der Konkurrent zurück.
Inzwischen hat sich die Stimmung wieder etwas gelöst. Die Preise steigen, die gebeutelten Anbieter sind wieder Herr der Lage: "Der Markt war lange Zeit völlig in der Hand der Nachfrageseite", sagt Andrew Norwood, Analyst bei Gartner Dataquest. Mittlerweile habe sich das Machtgefüge aber umgekehrt.
Monatelang hatten die erfolgsverwöhnten Chipfabrikanten angststarr dem Verfall der Preise zugesehen. Sie verfolgten die Prognosen ihrer Konkurrenten und der Marktauguren wie Frührentner den täglichen Wetterbericht.
Noch in der ersten Jahreshälfte 2001 hatte etwa Philips-Chef Gerard Kleisterlee, mit seiner Halbleitersparte der drittgrößte Produzent Europas hinter der französisch-italienischen STMicroelectronics und Infineon, beschwichtigend die Wende für das dritte Quartal vorausgesagt. Und auch Infineon-Chef Schumacher sah bis vergangenen April "erste Anzeichen, dass die Nachfrage nach DRAMs anzieht".
Fortan wurden die Kommentare immer dünner, bis sie im Spätsommer schließlich ganz versiegten. Was folgte, waren horrende Verluste. Infineon häufte im vergangenen Geschäftsjahr allein im Speicherchip-bereich Miese in Höhe von 931 Mio. Euro an. Keine gute Zeit für harte Preisverhandlungen.
Ernsthafte Kooperationsgespräche
Seit November scheint sich die Lage zu erholen, der Psychologie sei dank. Die Abnehmer bekämen das Gefühl, dass Speicherchips bald knapp werden könnten, sagt Gartner-Analyst Norwood. Ein Branchenexperte spürt zunehmend eine "Atmosphäre, die eindeutig von einer Konsolidierung bei DRAM bestimmt ist".
In der Tat stecken derzeit sämtliche größere Hersteller in mehr oder weniger ernsthafteren Kooperations-Gesprächen. Ihr erklärtes Ziel ist es, Produktionskapazitäten abzubauen und die Kosten für Forschung und Entwicklung zu teilen.
Mitte Dezember ertönte der erste Paukenschlag: Der US-Konzern Micron überzeugte Toshiba vom schrittweisen Ausstieg aus dem Geschäft mit Standardspeicherchips. Die Amerikaner übernehmen Teile der Produktion. Auch Infineon hatte mit den Japanern angebandelt, scheiterte aber an den finanziellen Details. Nun verhandeln die Münchner mit taiwanischen Herstellern über eine mögliche Kooperation. Noch in diesem Monat wollen sich Micron und Hynix, die weltweite Nummer drei, auf eine Zusammenarbeit verständigen.
Zugleich jagt ein Gerücht das nächste, welcher Hersteller wann wie viel seiner Produktion drosselt, einstellt oder die Investitionen zurückfährt. Die jüngste Mutmaßung japanischer Fondsmanager kurz vor dem Jahreswechsel: Elpida, das DRAM-Gemeinschaftsunternehmen der beiden japanischen Konzerne NEC und Hitachi, wird noch im Jahr 2002 dichtgemacht.
Bislang haben die Konzerne von diesen Vorhaben kaum etwas umgesetzt. Die Überkapazität auf dem markt schätzt Analyst Norwood nach wie vor auf rund zehn Prozent. Immerhin, auch er hat einen positiven "psychologische Effekt" ausgemacht.
Der kann allerdings rasch ins Gegenteil umschlagen, wenn die Konsolidierung ins Stocken gerät und Kunden wie die Computerbauer IBM oder Dell ihre Furcht vor Chip-Engpässen verlieren. "Wenn Hynix und Micron sich nicht einigen, könnte der Markt wieder umfallen", warnt Gartner-Analyst Norwood.
Andere Analysten mahnen ebenfalls zur Vorsicht. Die Lager seien übervoll, die Kapazitäten längst nicht ausgelastet. Die amerikanische Notenbank hat festgestellt, dass die Halbleiterindustrie im Oktober gerade mal 59 Prozent ihrer Produktionskapazität ausgenutzt hat, so wenig wie seit 1975 nicht mehr.
Auch Franz Richter mag sich der Euphorie vorerst nicht anschließen. "Wir sehen noch nicht, dass unsere Auftragseingänge massiv nach oben gehen", sagt der Chef des Münchner Chipfabriken-Ausrüsters Süss Microtec. Nahezu alle Hersteller hatten ihre Investitionspläne im vergangenen Jahr nach unten korrigiert.
Selbst Schumacher, normalerweise kein Freund zaghafter Töne, hält sich bedeckt: "Es wäre zu früh, um jetzt schon von einem Trend zu sprechen." Der 43-Jährige, der fast sein ganzes Berufsleben in der Halbleiterbranche verbracht hat, weiß natürlich, wie abrupt Schweinezyklen drehen. Das letzte Halbjahr hat den lebensfrohen Rheinländer jedoch vorsichtig gemacht: "Die letzten drei Monate", sagte er inmitten der Aufbruchstimmung beim Happening in Dresden, "haben die Kultur des Unternehmens weit mehr geändert als die Erfolgsjahre zuvor."
Am Zyklus ändert das indes nichts.
© 2002 Financial Times Deutschland
Vor dem nächsten Goldrausch
Von Sven Clausen, München und Joachim Zepelin, Hamburg
Nach dem Horrorjahr 2001 mehren sich die Signale, dass die Chipindustrie zu neuem Leben erwacht. Der nächste so genannte Schweinezyklus steht kurz bevor - vorausgesetzt, die Überkapazitäten werden wie geplant abgebaut.
Am Ende des desaströsen Chip-Jahres 2001 war Infineon-Chef Ulrich Schumacher dann doch zum Feiern zumute. Und so bestellte der Vorstandschef des Münchner Chipherstellers für den 12. Dezember Hunderte von Journalisten und Analysten aus aller Welt in sein Dresdner Werk ein. Sie sollten miterleben, wie Infineon als weltweit erstes Unternehmen in großem Stil die Produktion von Chips auf bratpfannengroßen Scheiben mit 30 Zentimetern Durchmesser startete. Diese Innovation verbilligt die Produktion um bis zu 30 Prozent.
Es kamen fast alle in die nasskalte sächsische Hauptstadt. Dabei gab es eigentlich gar nichts zu sehen. Das Spektakel, "der Aufbruch in eine neue Dimension der Fertigung" (Schumacher), ereignete sich in blickdichten Maschinen. Irgendwie freuten sich aber trotzdem alle. Nach dem katastrophalen Jahr hatte die Szene geradezu nach einer guten Nachricht gelechzt.
Schumachers Aufführung hinter zugezogenem Vorhang könnte allerdings mehr sein als nur ein kleiner Trost. Denn es verdichten sich die Hinweise und Signale, dass die gebeutelte Chipbranche vor einer Art Wiedergeburt steht, und zwar weltweit. Die Krise, so hört man in den Unternehmen, habe endlich ein Ende gefunden. Vorausgesetzt natürlich, die Marktbereinigung werde wie geplant vollzogen.
Das jüngste Hoffnungszeichen kam dieser Tage aus Südkorea. Der Halbleiterhersteller Hynix, bis dato das größte Sorgenkind der Branche, erhöhte seine Preise für Speicherchips gleich um 30 Prozent. Infineon-Chef Schumacher fackelte nicht lange und deutete an, er werde nachziehen. Von den anderen Herstellern wird ähnliches erwartet.
"Das ist kein saisonaler Effekt mehr", urteilt Karsten Iltgen, Analyst bei der WestLB Panmure. "Ich bin überrascht, wie schnell die Preise sich wieder bewegen", sagt sein Kollege Steve Woolf von der Commerzbank.
Und die Aktienkurse gleich mit: Die Papiere vieler Chipproduzenten verzeichneten zuletzt Tageszuwächse wie während des Internet-Booms. Die Zeit der Milliardenverluste, so die Hoffnung der Märkte, nähert sich dem Ende.
Eine ganze Branche erwacht
Die neuen Lebenszeichen machen der gesamten IT-Industrie Mut. Die Standardspeicherchips gelten als Gradmesser für deren Zustand, die so genannten DRAM werden vornehmlich in Computern und Unterhaltungselektronik eingesetzt. Ziehen die Chip-Preise an, dann lässt das auf einen steigenden Absatz der Endprodukte schließen.
Welch eine Erlösung nach dem vergangenem Horrorjahr. "Die Halbleiterhersteller haben sich 2001 durch den schlimmsten Absturz in der Geschichte der Branche gekämpft", resümiert das renommierte Beratungsunternehmen Gartner Dataquest. Der Umsatz ist binnen zwölf Monaten um ein Drittel eingebrochen: auf rund 152 Mrd. $. Selbst Marktführer Intel, obwohl dieser seit den 80er Jahren nicht mehr im zyklischen DRAM-Geschäft aktiv ist, erlitt Einbußen.
Jenen Herstellern, die neben Logik-Chips wie etwa Mikroprozessoren auch Standardspeicherchips produzieren, setzte die Krise besonders schwer zu. Der Preis für einen DRAM mit einer Leistung von 128 MB stürzte im Herbst auf unter 1 $ ab. Im September 2000 hatte er noch bei 15 $ gelegen. Für Schumachers Infineon liegt die Gewinnschwelle bei 6 $.
Dass die Preise nach Hochphasen auch wieder einbrechen, sind die Chipmanager gewohnt. "Schweinezyklus" heißt dieses jähe Auf und Ab in der Branche. Sobald die Unternehmen ihre Beschäftigten mit neuen Computern ausrüsten oder neue Technologien auf den Markt kommen, steigen Bedarf und Preise kräftig an - um danach ähnlich heftig wieder in sich zusammenzufallen.
Diese Ausschläge haben den Siemens-Konzern bewogen, sich im März 2000 von seiner Halbleitersparte zu trennen und sie als Infineon an die Börse zu bringen. Der südkoreanische Hyundai-Konzern verfuhr mit Hynix ebenso.
Anders als bei früheren Zyklen war das Auf und Ab diesmal besonders drastisch: Internet-Boom und Jahrtausendwende ließen die Nachfrage nach Computern steil anziehen. Die Preise für Speicherchips erklommen astronomische Höhen. Als der Spuk vorbei war, purzelten die Preise wieder. Dabei legten sich Ulrich Schumacher und Steve Appleton, Chef von Micron, dem zweitgrößten Speicherchip-Fabrikanten der Welt, mit Marktführer Samsung an: Die beiden bezichtigten die Südkoreaner im November des Dumpings. Ihr Verdacht: Samsung wolle mit seiner finanzstarken Mutter im Rücken die Krise nutzen, um unliebsame Wettbewerber auszutrocknen. "Absoluter Quatsch", giftete der Konkurrent zurück.
Inzwischen hat sich die Stimmung wieder etwas gelöst. Die Preise steigen, die gebeutelten Anbieter sind wieder Herr der Lage: "Der Markt war lange Zeit völlig in der Hand der Nachfrageseite", sagt Andrew Norwood, Analyst bei Gartner Dataquest. Mittlerweile habe sich das Machtgefüge aber umgekehrt.
Monatelang hatten die erfolgsverwöhnten Chipfabrikanten angststarr dem Verfall der Preise zugesehen. Sie verfolgten die Prognosen ihrer Konkurrenten und der Marktauguren wie Frührentner den täglichen Wetterbericht.
Noch in der ersten Jahreshälfte 2001 hatte etwa Philips-Chef Gerard Kleisterlee, mit seiner Halbleitersparte der drittgrößte Produzent Europas hinter der französisch-italienischen STMicroelectronics und Infineon, beschwichtigend die Wende für das dritte Quartal vorausgesagt. Und auch Infineon-Chef Schumacher sah bis vergangenen April "erste Anzeichen, dass die Nachfrage nach DRAMs anzieht".
Fortan wurden die Kommentare immer dünner, bis sie im Spätsommer schließlich ganz versiegten. Was folgte, waren horrende Verluste. Infineon häufte im vergangenen Geschäftsjahr allein im Speicherchip-bereich Miese in Höhe von 931 Mio. Euro an. Keine gute Zeit für harte Preisverhandlungen.
Ernsthafte Kooperationsgespräche
Seit November scheint sich die Lage zu erholen, der Psychologie sei dank. Die Abnehmer bekämen das Gefühl, dass Speicherchips bald knapp werden könnten, sagt Gartner-Analyst Norwood. Ein Branchenexperte spürt zunehmend eine "Atmosphäre, die eindeutig von einer Konsolidierung bei DRAM bestimmt ist".
In der Tat stecken derzeit sämtliche größere Hersteller in mehr oder weniger ernsthafteren Kooperations-Gesprächen. Ihr erklärtes Ziel ist es, Produktionskapazitäten abzubauen und die Kosten für Forschung und Entwicklung zu teilen.
Mitte Dezember ertönte der erste Paukenschlag: Der US-Konzern Micron überzeugte Toshiba vom schrittweisen Ausstieg aus dem Geschäft mit Standardspeicherchips. Die Amerikaner übernehmen Teile der Produktion. Auch Infineon hatte mit den Japanern angebandelt, scheiterte aber an den finanziellen Details. Nun verhandeln die Münchner mit taiwanischen Herstellern über eine mögliche Kooperation. Noch in diesem Monat wollen sich Micron und Hynix, die weltweite Nummer drei, auf eine Zusammenarbeit verständigen.
Zugleich jagt ein Gerücht das nächste, welcher Hersteller wann wie viel seiner Produktion drosselt, einstellt oder die Investitionen zurückfährt. Die jüngste Mutmaßung japanischer Fondsmanager kurz vor dem Jahreswechsel: Elpida, das DRAM-Gemeinschaftsunternehmen der beiden japanischen Konzerne NEC und Hitachi, wird noch im Jahr 2002 dichtgemacht.
Bislang haben die Konzerne von diesen Vorhaben kaum etwas umgesetzt. Die Überkapazität auf dem markt schätzt Analyst Norwood nach wie vor auf rund zehn Prozent. Immerhin, auch er hat einen positiven "psychologische Effekt" ausgemacht.
Der kann allerdings rasch ins Gegenteil umschlagen, wenn die Konsolidierung ins Stocken gerät und Kunden wie die Computerbauer IBM oder Dell ihre Furcht vor Chip-Engpässen verlieren. "Wenn Hynix und Micron sich nicht einigen, könnte der Markt wieder umfallen", warnt Gartner-Analyst Norwood.
Andere Analysten mahnen ebenfalls zur Vorsicht. Die Lager seien übervoll, die Kapazitäten längst nicht ausgelastet. Die amerikanische Notenbank hat festgestellt, dass die Halbleiterindustrie im Oktober gerade mal 59 Prozent ihrer Produktionskapazität ausgenutzt hat, so wenig wie seit 1975 nicht mehr.
Auch Franz Richter mag sich der Euphorie vorerst nicht anschließen. "Wir sehen noch nicht, dass unsere Auftragseingänge massiv nach oben gehen", sagt der Chef des Münchner Chipfabriken-Ausrüsters Süss Microtec. Nahezu alle Hersteller hatten ihre Investitionspläne im vergangenen Jahr nach unten korrigiert.
Selbst Schumacher, normalerweise kein Freund zaghafter Töne, hält sich bedeckt: "Es wäre zu früh, um jetzt schon von einem Trend zu sprechen." Der 43-Jährige, der fast sein ganzes Berufsleben in der Halbleiterbranche verbracht hat, weiß natürlich, wie abrupt Schweinezyklen drehen. Das letzte Halbjahr hat den lebensfrohen Rheinländer jedoch vorsichtig gemacht: "Die letzten drei Monate", sagte er inmitten der Aufbruchstimmung beim Happening in Dresden, "haben die Kultur des Unternehmens weit mehr geändert als die Erfolgsjahre zuvor."
Am Zyklus ändert das indes nichts.
© 2002 Financial Times Deutschland