Vom Kanzler, dem die Fachkompetenz wenig gilt
Von Hans-Erich Bilges
Rudolf Scharpings Sturz ist ein weiteres Glied in der umfangreichen Kette personalpolitischer Missgriffe des Bundeskanzlers – und diese Missgriffe haben eine Ursache: Mangelnder Respekt und mangelnde Achtung vor Lebensleistung, qualifizierter Vorbildung und vor allem Fachkompetenz kennzeichnet Gerhard Schröders Regierungsstil, nicht nur in Berlin, sondern zuvor auch in Hannover. Dass er Tiefgründigkeit, seriöses Aktenstudium und solide Verwaltungsarbeit nie schätzte, bezeugt sein Biograf und Freund Jürgen Hogrefe. Zur Frage, wie Schröder es mit solidem Aktenstudium halte, schreibt Hogrefe: „In Akten liest er nicht mehr als das, was er für ein Gespräch braucht.“
Instinkte und Stimmungen haben bei Schröder stets Vorrang vor knochentrockener Solidität. Das begann mit der Auswahl des Unternehmers Jost Stollmann im Sommer 1998. An dem politisch völlig unerfahrenen Senkrechtstarter in der IT-Euphorie fand Schröder Gefallen – und wollte ihn prompt zum Bundeswirtschaftsminister machen. Es passierte prompt, was kommen musste: Stollmann machte sich mit einigen naiven Äußerungen in der SPD unbeliebt – und Schröder ließ ihn kurz vor der Kabinettsbildung fallen. In aller Hektik bekam der aus mittelhohen Managementämtern ausgeschiedene Werner Müller den Stellungsbefehl: binnen weniger Stunden musste sich Müller entscheiden. Er sagte sofort zu. Denn es war ja auch ein geradezu kometenhafter Aufstieg vom gelegentlichen Energieberater Schröders zum Wirtschaftsminister. Als schwacher Mann berufen, dessen Ministerium zuvor schon um die Grundsatzabteilung reduziert war, konnte er sich nie profilieren.
Der nächste Personalkasus: Der bei den Bauern geschätzte und fachlich versierte Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke, lange Zeit verlässlicher Freund von Schröder, wurde fallen gelassen als im Landwirtschaftsministerium eine Kontrollpanne im Lebensmittelbereich passierte. Statt einen Agrarexperten zu berufen, holten Schröder und Joschka Fischer im Zuge der BSE-Krise aus rein taktischen Motiven die Grüne Renate Künast. Als gelernte Sozialarbeiterin hatte sie keinerlei Sachkenntnis vom komplizierten Räderwerk der Agrar- und Verbraucherpolitik. Auf die Frage, welche Qualifikation sie denn überhaupt habe, antwortete sie ironisch: „Och, ich habe mal mit meinen Eltern Urlaub auf dem Bauernhof gemacht.“
Noch schlimmer hantierte Schröder mit dem Verkehrsministerium. Weil er die SPD-Linke ruhig stellen wollte, vor allem seinen damaligen Diadochen Oskar Lafontaine, verpflichtete Schröder dessen Intimus Werner Klimmt für dieses Ressort, obwohl der bis dato mit Verkehrsfragen kaum etwas zu tun hatte. Klimmt stolperte schließlich über eine Finanzaffäre. Sein Vorgänger war Franz Müntefering. Der hatte zwar auch keine Ahnung von Verkehrspolitik, war aber Chef des mächtigsten SPD-Landesverbands NRW und deshalb für Schröder unverzichtbar.
Dieser mangelnde Respekt vor Qualität und Lebensleistung ist einer der Gründe für den erschreckenden Leistungsabfall der rot-grünen Koalition. Rita Süssmuth, die ihrer Union gewiss nicht zum Munde redet, antwortet auf die Frage nach den Gründen für die hohe fachliche Qualifikation des bayerischen Kabinetts: „Eine exzellente, hoch kompetente, zumeist akademisch ausgebildete Spitzenbeamtenschaft, fachlich versierte Minister und ein Ministerpräsident, der sich in die Tiefe der Details einarbeitet und der Inkompetenz verachtet. Im Stoiber-Kabinett dominieren Vollakademiker, die meisten mit Promotion und allesamt unstrittig versierte Fachkenner in ihren jeweiligen Ressorts“.
Wäre Gerhard Schröder bei der Zusammensetzung seines Kabinetts ähnlich kompetenzbewusst gewesen, wie bei seinen engsten Beratern, er wäre womöglich nicht in die jetzige gefährliche Situation geraten. Sein engster Mitarbeiter im Kanzleramt, Staatssekretär Frank Steinmeier, zählt zu den absoluten Spitzenkräften der deutschen Beamtenschaft. Dies gilt auch für den Schröder-Intimus und Wirtschaftsstaatssekretär Alfred Tacke und Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Doch was können sie ausrichten, wenn am Schluss die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, auf die Frage nach den wichtigsten Leistungen der rot-grünen Koalition diese Bilanz zieht: „Dass Schwule und Lesben angstfrei leben können.“
Der Autor ist Journalist und als Politikberater tätig für die Berliner Beratungsgesellschaft für Wirtschaft, Medien und Politik (WMP EuroCom AG)
Von Hans-Erich Bilges
Rudolf Scharpings Sturz ist ein weiteres Glied in der umfangreichen Kette personalpolitischer Missgriffe des Bundeskanzlers – und diese Missgriffe haben eine Ursache: Mangelnder Respekt und mangelnde Achtung vor Lebensleistung, qualifizierter Vorbildung und vor allem Fachkompetenz kennzeichnet Gerhard Schröders Regierungsstil, nicht nur in Berlin, sondern zuvor auch in Hannover. Dass er Tiefgründigkeit, seriöses Aktenstudium und solide Verwaltungsarbeit nie schätzte, bezeugt sein Biograf und Freund Jürgen Hogrefe. Zur Frage, wie Schröder es mit solidem Aktenstudium halte, schreibt Hogrefe: „In Akten liest er nicht mehr als das, was er für ein Gespräch braucht.“
Instinkte und Stimmungen haben bei Schröder stets Vorrang vor knochentrockener Solidität. Das begann mit der Auswahl des Unternehmers Jost Stollmann im Sommer 1998. An dem politisch völlig unerfahrenen Senkrechtstarter in der IT-Euphorie fand Schröder Gefallen – und wollte ihn prompt zum Bundeswirtschaftsminister machen. Es passierte prompt, was kommen musste: Stollmann machte sich mit einigen naiven Äußerungen in der SPD unbeliebt – und Schröder ließ ihn kurz vor der Kabinettsbildung fallen. In aller Hektik bekam der aus mittelhohen Managementämtern ausgeschiedene Werner Müller den Stellungsbefehl: binnen weniger Stunden musste sich Müller entscheiden. Er sagte sofort zu. Denn es war ja auch ein geradezu kometenhafter Aufstieg vom gelegentlichen Energieberater Schröders zum Wirtschaftsminister. Als schwacher Mann berufen, dessen Ministerium zuvor schon um die Grundsatzabteilung reduziert war, konnte er sich nie profilieren.
Der nächste Personalkasus: Der bei den Bauern geschätzte und fachlich versierte Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke, lange Zeit verlässlicher Freund von Schröder, wurde fallen gelassen als im Landwirtschaftsministerium eine Kontrollpanne im Lebensmittelbereich passierte. Statt einen Agrarexperten zu berufen, holten Schröder und Joschka Fischer im Zuge der BSE-Krise aus rein taktischen Motiven die Grüne Renate Künast. Als gelernte Sozialarbeiterin hatte sie keinerlei Sachkenntnis vom komplizierten Räderwerk der Agrar- und Verbraucherpolitik. Auf die Frage, welche Qualifikation sie denn überhaupt habe, antwortete sie ironisch: „Och, ich habe mal mit meinen Eltern Urlaub auf dem Bauernhof gemacht.“
Noch schlimmer hantierte Schröder mit dem Verkehrsministerium. Weil er die SPD-Linke ruhig stellen wollte, vor allem seinen damaligen Diadochen Oskar Lafontaine, verpflichtete Schröder dessen Intimus Werner Klimmt für dieses Ressort, obwohl der bis dato mit Verkehrsfragen kaum etwas zu tun hatte. Klimmt stolperte schließlich über eine Finanzaffäre. Sein Vorgänger war Franz Müntefering. Der hatte zwar auch keine Ahnung von Verkehrspolitik, war aber Chef des mächtigsten SPD-Landesverbands NRW und deshalb für Schröder unverzichtbar.
Dieser mangelnde Respekt vor Qualität und Lebensleistung ist einer der Gründe für den erschreckenden Leistungsabfall der rot-grünen Koalition. Rita Süssmuth, die ihrer Union gewiss nicht zum Munde redet, antwortet auf die Frage nach den Gründen für die hohe fachliche Qualifikation des bayerischen Kabinetts: „Eine exzellente, hoch kompetente, zumeist akademisch ausgebildete Spitzenbeamtenschaft, fachlich versierte Minister und ein Ministerpräsident, der sich in die Tiefe der Details einarbeitet und der Inkompetenz verachtet. Im Stoiber-Kabinett dominieren Vollakademiker, die meisten mit Promotion und allesamt unstrittig versierte Fachkenner in ihren jeweiligen Ressorts“.
Wäre Gerhard Schröder bei der Zusammensetzung seines Kabinetts ähnlich kompetenzbewusst gewesen, wie bei seinen engsten Beratern, er wäre womöglich nicht in die jetzige gefährliche Situation geraten. Sein engster Mitarbeiter im Kanzleramt, Staatssekretär Frank Steinmeier, zählt zu den absoluten Spitzenkräften der deutschen Beamtenschaft. Dies gilt auch für den Schröder-Intimus und Wirtschaftsstaatssekretär Alfred Tacke und Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Doch was können sie ausrichten, wenn am Schluss die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, auf die Frage nach den wichtigsten Leistungen der rot-grünen Koalition diese Bilanz zieht: „Dass Schwule und Lesben angstfrei leben können.“
Der Autor ist Journalist und als Politikberater tätig für die Berliner Beratungsgesellschaft für Wirtschaft, Medien und Politik (WMP EuroCom AG)