Ein Hauch von »Rum and Marple«
Peter Struck wollte nicht – und nun ist er Verteidigungsminister
Von René Heilig
Es begann mit »Amtmann« Theo Blank, dann folgten Strauß, von Hassel, Schröder. Helmut Schmidt war der erste, der eine – parteipolitische, nicht inhaltliche – Bresche in die Phalanx der unionierten Verteidigungsminister schlug. Ihm folgte »Soldatenminister« Georg Leber, der weiche Apel wurde vom harten CSU-Wörner abgelöst. Der machte Rupert Scholz Platz. Von Stoltenberg blieb die Idee, Panzer als landwirtschaftliche Maschinen zu deklarieren, Nachfolger Rühe gilt als erster Manager der »Y-Reisen« und Scharping... na ja.
Nun ist also Peter Struck der Mann fürs Militär. Zu dem fällt einem zweierlei ein: Kaum jemand weiß nicht, wer das ist. Kaum jemand weiß, wer er ist. Die »Ochsentour« ist er gegangen, nachdem er offensichtlich bei einem Aushilfsjob im Zeitungskiosk seiner Mutter beschlossen hatte, selbst für Schlagzeilen zu sorgen. Und da tauchte er – seitdem er auf Lafontaines Wunsch Fraktionschef der Bundestags-SPD geworden ist – als »Zuchtmeister« auf. Es heißt, man fühle sich an »Mackie Messer« erinnert, wenn er seinen Willen durchsetzt. Was allerdings auch an der »Seeräuber-Jenny« liegen kann, die da singt: »Nimm doch die Pfeife aus dem Maul...« Übrigens: Struck hat daheim einen Golden Retriever, der, wenn er hört, auf »Cascha« hört.
»Rum and Marple«, so wird kolportiert, sei Strucks Stammmarke. Der Duft des Tabaks umgibt ihn, wo er geht und bikt. Keine Frage, dass er angenehmer ist als Waffenöl. Von dem er, wenn er demnächst die Expeditionsstreitkräfte in Afghanistan besucht, genügend riechen wird.
Nein, Minister werden will er nicht – hat er vor gut einem Jahr dem ARD-Talker Beckmann gesagt, denn: »Die Funktionen, die ich jetzt habe, sind ein bisschen mehr wert. Das wird Ihnen jeder Minister bestätigen. Ein Fraktionsvorsitzender hat, vom Finanzminister mal abgesehen, ein bisschen mehr zu sagen.«
Pech gehabt. Zwar hätte der Ungediente im Alter von 59 Jahren und nach zwei Herzinfarkten keine Chance, jemals bei der Bundeswehr genommen zu werden, doch für einen »MaZ« (Minister auf Zeit) reicht es allemal. Viel wird er da nicht »reißen«. Er selbst hat die Spielräume eng gemacht, als er am 23. September beschloss, nicht nur – wie der Kanzler uneingeschränkt solidarisch – sondern gleich ganz Amerikaner zu sein. Ungeniert zog er dabei das ganze Volk in diese Freundschaft hinein und zwirbelte seine Fraktion so lange, bis Schröder seine eigene Mehrheit fürs neue Auslandsabenteuer bekam. Umso schwerer fällt es nun, wenn man Struck glauben soll, dass er die USA vor einer möglichen Militäraktion gegen Irak warnt. »Es wäre völlig falsch, wenn Bush glaubt, das im Irak zu Ende führen zu müssen, was sein Vater begonnen hat.«
In der Bundeswehr selbst trauern wohl nur wenige der Ära Scharping nach. Die hätte, so meint der Vizechef des Bundeswehrverbandes Wolfgang Ostermeier, schon vor einem Jahr beendet werden müssen. Allzu viel habe Scharping liegen gelassen, weiß man auch in Strucks Ministerium. Die Versäumnisse beim Reformieren haben, so sagt man dort aber auch, weniger damit zu tun, dass Scharping zu sehr mit sich und seinen Affären befasst gewesen wäre. Wie objektiv die Widersprüche zwischen Wollen und Können sind, wird Struck spätestens auf der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses merken, die für August angesetzt ist. Da soll es um die Privatisierung von Teilen der (im Krieg befindlichen) Bundeswehr gehen, die mit Aufsehen angekündigt, bislang nur Marginales gebracht hat.
Heute wird Struck sich zum ersten Mal in der neuen Funktion präsentieren. Am 20. Juli hatten Stauffenberg und andere versucht, Hitlers Wahn durch einen Putsch zu stoppen. Vom Gedenken im Bendler-Block sind Wehrmachtsdeserteure und andere Militärgegner ausgeschlossen worden. Das geschah noch unter Scharping. Struck hätte die Möglichkeit, auch diese Fehlentscheidung aufzuheben. Doch damit ist nicht zu rechnen. Pragmatiker Struck braucht und missbraucht Widerstand gegen das Naziregime, wenn es ihm in den politischen Kram passt. So zitierte er im vergangenen November den Theologen, Pazifisten und darum Mitverschwörer Dietrich Bonhoeffer, um die Teilnahme Deutschlands am Krieg in Afghanistan zu rechtfertigen. Das Zitat lautete: »Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll.« Bonhoeffer wollte wissen, wie es kommt, dass es zur ethischen Tradition der Deutschen gehört, »lieber dem Befehl von ›oben‹ als dem eigenen Gutdünken zu folgen«. Diese Frage wird dem gerade zum »Feldwebel« beförderten SPD-Parteisoldaten vermutlich mehr als nur unverständlich vorkommen.
(ND 20.07.02)
Peter Struck wollte nicht – und nun ist er Verteidigungsminister
Von René Heilig
Es begann mit »Amtmann« Theo Blank, dann folgten Strauß, von Hassel, Schröder. Helmut Schmidt war der erste, der eine – parteipolitische, nicht inhaltliche – Bresche in die Phalanx der unionierten Verteidigungsminister schlug. Ihm folgte »Soldatenminister« Georg Leber, der weiche Apel wurde vom harten CSU-Wörner abgelöst. Der machte Rupert Scholz Platz. Von Stoltenberg blieb die Idee, Panzer als landwirtschaftliche Maschinen zu deklarieren, Nachfolger Rühe gilt als erster Manager der »Y-Reisen« und Scharping... na ja.
Nun ist also Peter Struck der Mann fürs Militär. Zu dem fällt einem zweierlei ein: Kaum jemand weiß nicht, wer das ist. Kaum jemand weiß, wer er ist. Die »Ochsentour« ist er gegangen, nachdem er offensichtlich bei einem Aushilfsjob im Zeitungskiosk seiner Mutter beschlossen hatte, selbst für Schlagzeilen zu sorgen. Und da tauchte er – seitdem er auf Lafontaines Wunsch Fraktionschef der Bundestags-SPD geworden ist – als »Zuchtmeister« auf. Es heißt, man fühle sich an »Mackie Messer« erinnert, wenn er seinen Willen durchsetzt. Was allerdings auch an der »Seeräuber-Jenny« liegen kann, die da singt: »Nimm doch die Pfeife aus dem Maul...« Übrigens: Struck hat daheim einen Golden Retriever, der, wenn er hört, auf »Cascha« hört.
»Rum and Marple«, so wird kolportiert, sei Strucks Stammmarke. Der Duft des Tabaks umgibt ihn, wo er geht und bikt. Keine Frage, dass er angenehmer ist als Waffenöl. Von dem er, wenn er demnächst die Expeditionsstreitkräfte in Afghanistan besucht, genügend riechen wird.
Nein, Minister werden will er nicht – hat er vor gut einem Jahr dem ARD-Talker Beckmann gesagt, denn: »Die Funktionen, die ich jetzt habe, sind ein bisschen mehr wert. Das wird Ihnen jeder Minister bestätigen. Ein Fraktionsvorsitzender hat, vom Finanzminister mal abgesehen, ein bisschen mehr zu sagen.«
Pech gehabt. Zwar hätte der Ungediente im Alter von 59 Jahren und nach zwei Herzinfarkten keine Chance, jemals bei der Bundeswehr genommen zu werden, doch für einen »MaZ« (Minister auf Zeit) reicht es allemal. Viel wird er da nicht »reißen«. Er selbst hat die Spielräume eng gemacht, als er am 23. September beschloss, nicht nur – wie der Kanzler uneingeschränkt solidarisch – sondern gleich ganz Amerikaner zu sein. Ungeniert zog er dabei das ganze Volk in diese Freundschaft hinein und zwirbelte seine Fraktion so lange, bis Schröder seine eigene Mehrheit fürs neue Auslandsabenteuer bekam. Umso schwerer fällt es nun, wenn man Struck glauben soll, dass er die USA vor einer möglichen Militäraktion gegen Irak warnt. »Es wäre völlig falsch, wenn Bush glaubt, das im Irak zu Ende führen zu müssen, was sein Vater begonnen hat.«
In der Bundeswehr selbst trauern wohl nur wenige der Ära Scharping nach. Die hätte, so meint der Vizechef des Bundeswehrverbandes Wolfgang Ostermeier, schon vor einem Jahr beendet werden müssen. Allzu viel habe Scharping liegen gelassen, weiß man auch in Strucks Ministerium. Die Versäumnisse beim Reformieren haben, so sagt man dort aber auch, weniger damit zu tun, dass Scharping zu sehr mit sich und seinen Affären befasst gewesen wäre. Wie objektiv die Widersprüche zwischen Wollen und Können sind, wird Struck spätestens auf der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses merken, die für August angesetzt ist. Da soll es um die Privatisierung von Teilen der (im Krieg befindlichen) Bundeswehr gehen, die mit Aufsehen angekündigt, bislang nur Marginales gebracht hat.
Heute wird Struck sich zum ersten Mal in der neuen Funktion präsentieren. Am 20. Juli hatten Stauffenberg und andere versucht, Hitlers Wahn durch einen Putsch zu stoppen. Vom Gedenken im Bendler-Block sind Wehrmachtsdeserteure und andere Militärgegner ausgeschlossen worden. Das geschah noch unter Scharping. Struck hätte die Möglichkeit, auch diese Fehlentscheidung aufzuheben. Doch damit ist nicht zu rechnen. Pragmatiker Struck braucht und missbraucht Widerstand gegen das Naziregime, wenn es ihm in den politischen Kram passt. So zitierte er im vergangenen November den Theologen, Pazifisten und darum Mitverschwörer Dietrich Bonhoeffer, um die Teilnahme Deutschlands am Krieg in Afghanistan zu rechtfertigen. Das Zitat lautete: »Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll.« Bonhoeffer wollte wissen, wie es kommt, dass es zur ethischen Tradition der Deutschen gehört, »lieber dem Befehl von ›oben‹ als dem eigenen Gutdünken zu folgen«. Diese Frage wird dem gerade zum »Feldwebel« beförderten SPD-Parteisoldaten vermutlich mehr als nur unverständlich vorkommen.
(ND 20.07.02)