USA vor Einführung des Personalausweises?

Beiträge: 4
Zugriffe: 367 / Heute: 1
Happy End:

USA vor Einführung des Personalausweises?

 
01.05.02 16:02
In nur wenigen Ländern, allen voran USA und Großbritannien, gab es bisher noch keine Ausweispflicht, doch das soll sich ändern

Was Deutsche längst gewöhnt waren, nämlich per gesetzlicher Verpflichtung immer einen Ausweis bei sich tragen und ihn auf Verlangen von Ordnungshütern vorzeigen zu müssen, soll nun auch in Ländern zur Norm werden, die bisher stolz auf ihre liberalen Traditionen waren, die sich mit einer Ausweispflicht nicht vertrugen. Doch im Kontext des "Kriegs gegen Terrorismus" ist derzeit eine hohe Akzeptanz auch in den Bevölkerungen der USA und Großbritanniens gegeben.

30 Jahre hat Großbritannien den Terror der IRA ausgehalten, ohne eine Ausweispflicht einzuführen. Doch nun ist laut einer Mori-Umfrage für das Sensationsblatt News of the World gleich eine überragende Mehrheit von 85% für die Einführung von Personalausweisen. Fast noch erschreckender sind die Details der Umfrage. Dass Informationen zu Geburtsdatum, Augenfarbe und ein Foto auf dem Ausweis enthalten sein sollen, ist jeweils für mehr als 95% eine Selbstverständlichkeit. 85% würden aber auch zustimmen, wenn ihr Fingerabdruck auf der Karte enthalten sein soll, 75% sprechen sich für die Einbeziehung von DNA-Informationen aus.

Der neue britische Innenminister David Blunkett sagte gegenüber der BBC, dass keine Überraschungsankündigungen bezüglich der allgemein verpflichtenden Einführung eines Personalausweises zu erwarten seien, doch das Thema habe für ihn "ausgesprochen hohe Priorität" in Ministeriums-internen Erwägungen. Herr Blunkett sagte auch, dass er "instinktiv" dazu neigen würde, der Terrorbekämpfung nun den Vorzug zu geben und dass diese durch eine allzusehr am Buchstaben des Gesetzes hängende Interpretation des "Human Rights Act" nicht behindert werden solle. Das Vereinigte Königreich hatte seine Rechtsprechung erst im vergangen Jahr an EU-Standards angeglichen, indem die Europäische Menschenrechts-Charta zum Bestandteil britischen Rechts gemacht wurde. Mit seiner Aussage ließ Blunkett zugleich durchsickern, dass Abänderungen an der Human Rights Charta nicht ausgeschlossen sein sollten.

Laut der  Financial Times hätten Mitarbeiter des Geheimdienstes MI5 erklärt, beim Innenminister mit keinen Ansuchen für erweiterte Befugnisse vorstellig geworden zu sein. Existierende Befugnisse würden ihnen erlauben, nachrichtendienstliche Ermittlungen zu führen und diese im Einklang mit der Menschenrechts-Charta zu gestalten, berichtete die FT. Eine Verschärfung der Gesetze bezüglich der Auskunftspflicht für Banken über Terrorismus-Verdächtige, wie sie in Nord-Irland besteht, könne allerdings wünschenswert sein, sollen einzelne Beamte gemeint haben.

Eine heftige Debatte über Personalausweise tobt nun auch in den USA. Ausgelöst wurde diese durch ein Interview, das Oracle-Boss Larry Ellison am Freitag gegeben hatte. Der Segel-Fan und 15 Milliarden Dollar schwere Chef der weltgrößten Datenbankfirma erklärte gegenüber  San Jose Mercury News, dass Fingerabdrücke enthaltende Personalausweise eingeführt werden sollten. Die notwendige Datenbanksoftware würde er gratis zur Verfügung stellen.

Auf Bedenken über Eingriffe in die "privacy" (notdürftig übersetzbar als "Privatsphäre") angesprochen, erklärte Ellison, "privacy" wäre im Computerzeitalter ohnehin eine Illusion. Jeder könne ins Internet gehen und z.B. herausfinden, wieviel der Nachbar verdient und wann er zum letzten Mal seine Kreditkarte überzogen hat und "Tonnen von weiterem Material".

Wie sehr sich auch in den Vereinigten Staaten im Anschluss an die Terrorangriffe vom 11.September die Stimmung gewandelt hat, zeigte eine Umfrage des San Jose Mercury News in der San Francisco Bay Area. Auch dort befürwortet derzeit eine deutliche Mehrheit, 69%, die Einführung eines landesweiten Systems von Personalausweisen. Noch unter der Regierung Clinton war eine diesbezügliche Initiative am Widerstand konservativer Gegner gescheitert. Damals wollte man für Nutzer des öffentlichen Gesundheitssystems Chipkarten einführen, auf denen ihre Krankengeschichte gespeichert sein sollte.

Gegner der Idee finden sich neben bekannten Verfechtern von Bürgerrechten, wie die American Civil Liberties Union (  ACLU) vor allem unter konservativen und bei ultralibertären Kreisen. Das Recht eine Waffe zu tragen und keinen Ausweis bei sich haben zu müssen, geht für sie Hand in Hand. Befürchtungen gegen Personalausweise reichen von Missbrauch, dass die Polizei z.B. die Bewegungen von Leuten verfolgen könne, bis hin zu Bürgerrechtsbedenken. Leute mit abweichenden Anschauungen, aus ethnischen und religiösen Minderheiten, könnten damit leichter Opfer von Diskriminierung werden.

Ähnliche Bedenken gibt es auch in England. Im Zweiten Weltkrieg eingeführte Personalausweise waren von Sir Winston Churchill 1953 abgeschafft worden. Die Pflicht, einen Ausweis bei sich tragen und auf Verlangen einem Polizisten zeigen zu müssen, würde bei der Bevölkerung eine negative Strimmung gegenüber der Polizei erzeugen, lautet eine weit verbreitete Befürchtung. Das würde eher zu einer Behinderung der Polizeiarbeit führen, als die Bereitschaft sie zu unterstützen, zu fördern. In der derzeitigen Situation würden vor allem Briten asiatischer Abstammung Gefahr laufen, häufig von der Polizei angehalten und nach ihrem Ausweis gefragt zu werden, meinte der Kriminologe Michael Levi gegenüber der Zeitung The Guardian. Verkompliziert werde der Umstand noch dadurch, dass Polizeidatenbanken zwischen 20 und 30 Prozent an Datenschrott enthielten, sagte Levi. Bei willkürlichen Checks auf der Straße könnten sich dadurch viele Unschuldige diskriminiert fühlen.

Die Stimmung ist derzeit ganz auf rechtsstaatlichen Aktionismus eingestellt. Doch dass die Ausweispflicht in Großbritannien und den USA tatsächlich eingeführt wird, ist deshalb noch lange nicht entschieden. Während man sich in Deutschland (unter Deutschen) scheinbar einig ist, dass Personalausweise mit Fingerabdruck für Einbürgerungswillige eingeführt werden sollen, gibt es dagegen in den anglo-amerikanischen Staaten eine tiefer sitzende Antipathie auch in weiten Teilen des Establishments. Auch ist es alles andere als sicher, ob Personalausweise die Terroranschläge vom 11.9. verhindert hätten. Falls es noch weiterer Argumente gegen die Ausweispflicht bedarf, so hat die Bürgerrechtsorganisation Privacy International schon vor Jahren eine Studie zu dem Thema in 40 Ländern durchgeführt. www.privacy.org/pi/activities/idcard/personal.html target="_new" rel="nofollow">Auszüge daraus sind im Netz einzusehen und sprechen eine beredte Sprache: Je repressiver das Regime, umso gefährlicher kann ein Personalausweis sein, ob man ihn nun bei sich trägt oder auch nicht.


Die USA diskutieren die Einführung eines Personalausweises; Oracle und Microsoft bieten dafür die Technologie an

In den USA ist nach dem 11. September sofort eine Debatte um die Einführung eines Personalausweises entbrannt. Experten glauben, dass die von mächtigen Datenbanken gestützten Ausweise Terroristen daran hindern würden, unter Decknamen aufzutreten. Oracle-Chef Larry Ellison (You have zero privacy anyway) bot sogar an, kostenlose Software für das künftige Identifikationssystem zur Verfügung zu stellen. Bürgerrechtsorganisationen wie ACLU und EPIC, aber auch Lobbygruppen von links bis rechts hingegen befürchten, dass Bürgerrechte in "ernsthafter" Gefahr sind.

Aus deutscher Perspektive mögen die mit dem Personalausweis verbundenen Sorgen übertrieben sein. Wenn jedoch die Amerikaner ihren Personalausweis über einen Führerschein mit biometrischen Merkmalen wie dem Fingerabdruck einführen, wird dies auch die heimische Debatte um den biometrischen Personalausweis beeinflussen. Denn die Debatte in den USA und Großbritannien weist in die Richtung einer Dienstleistungskarte mit digitaler Signatur.

Autofahrer, Fluggäste, Computernutzer

Derzeit werden in den USA mehrere Möglichkeiten für die Umsetzung einer persönlichen ID-Nummer diskutiert. So schlug der Amerikanische Verband der Kraftfahrzeugsverwaltung  AAMVA vor, in die Führerscheine biometrische Daten wie den Fingerabdruck  aufzunehmen. Dafür verlangt AAMVA vom Kongress nur schlappe 100 Millionen US-Dollar - die Sozialbehörde Social Security Administration befürchtet jedoch Einführungskosten in der Höhe von 4 Milliarden US-Dollar.

Auch gibt es Pläne, Fluggäste mit Identifikationssnummern zu versehen. Ein  Bericht des Nationalen Forschungsrats, der Anfang April vorgestellt wurde, sieht sowohl in dem AAMVA-Vorschlag sowie der Fluggast-Nummerierung die Einführung eines nationalen Identifikationsstandards, was in den USA quer durch alle Parteien immer noch verpönt ist. Befürchtet werden "Gestapo-ähnliche" Situationen, in denen Sicherheitsbeamte ohne konkreten Anlass "Ihre Papiere, bitte" fordern können.

Nun wirft aber auch offenbar Softwareriese Microsoft mit einer "E-Government"-Strategie sein Gewicht in die Waagschale:  Mark Forman, IT-Direktor im Weißen Haus, teilte jüngst mit, dass man im Rahmen der "E-Identifikation"-Initiative den Einsatz von Microsofts datenschutzrechtlich umstrittener Passport-Technologie erwäge, um jedem Bürger und Unternehmen eine ID-Nummer zu verpassen, der Online-Dienstleistungen der Regierung in Anspruch nehmen will. Immerhin vergibt die US-Verwaltung in diesem und nächstem Jahr Aufträge in der Höhe von 100 Milliarden US-Dollar über das Netz. Angeblich nutzen schon heute 200 Millionen Nutzer Microsofts Passport.

Dieser Weg scheint in die wohl erfolgsversprechendste Richtung zu weisen: Die Bürger sollen von ihren neuen Ausweiskarten direkt profitieren. Entsprechend ist auch die Initiative des den Demokraten nahestehenden  Progressive Policy Institute zu sehen, das die Karten nicht nur mit biometrischen Daten, sondern auch mit weiteren Funktionen aufladen will. Sie sollen dann auch als Lebensmittelkarte für Sozialhilfeempfänger, für Wählerregistierung, als Bibliotheksausweis oder als Jagdlizenz  dienen..

Visa

Biometrische Ausweissysteme in den USA werden jedoch erst einmal flächendeckend an den Außengrenzen eingeführt. Erst am 18. April hatte der US-Senat den  Enhanced Border Security and Visa Entry Reform Act of 2001 verabschiedet. Mit dem neuen Visa-Regime dürfen spätestens ab dem 26. Oktober 2003 Reisende in die USA nur noch mit biometrischen Visa einreisen. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die USA im internationalen Standardisierungsgremium ISO auf die Einrichtung eines eigenen Sub-Committees für Biometrie drängten. Derzeit erarbeitet die US-amerikanische Standardisierungsorganisation ANSI das Arbeitsprogramm für das neue Kommittee.

Die EU-Kommission, die bereits im Oktober ein entsprechendes  Arbeitspapier vorgestellt hatte, beschloss gerade einen Tag zuvor, am 17. April, Visa für die EU künftig nur noch mit Lichtbildern auszustellen. Diese können dann ebenfalls nach biometrischen Merkmalen analysiert werden - entsprechende Bildqualität vorausgesetzt. Die Gesichtserkennung als biometrisches Verfahren wird auch von der zivilen Luftfahrtbehörde der Vereinten Nationen  ICAO (International Civil Aviation Organization) bevorzugt. Der ICAO, die für die internationale Harmonisierung des Ausweis- und Passwesens zuständig ist, arbeitet wiederum ISO zu. Damit greifen auf internationaler Ebene verschiedene Arbeitsprozesse ineinander, die letztlich auch zu der Einführung des biometrischen Ausweises in Deutschland führen werden.

Bürgerkarten in Europa

In Großbritannien hatte Innenminister David Blunkett die Einführung eines Personalausweises gefordert. Nachdem sich jedoch der schottische Justizminister Jim Wallace gegen die Einführung ausgesprochen hatte, aber auch die liberalen Demokraten Zweifel an dem auf 1 Milliarde Pfund teuren Projekt angemeldet hatten, wurde es um die Pläne wieder recht still. Dennoch richtete das Innenministerium kürzlich eine Arbeitsgruppe zum Thema ID cards ein - wohl um die Einführung von Bürgerservice-Karten zu beraten. Eine auch in Deutschland seit langem geplante Asyl-Karte samt Fingerabdruck gibt es in Großbritannien schon längst.

In Deutschland können Ausländerausweise mit biometrischen Verfahren auf der Basis einer Rechtsverordnung zugelassen werden. "Dies läuft darauf hinaus, dass der Probelauf mit elektronischen Ausweisen in Deutschland bei Ausländern durchgeführt werden kann", kritisiert der schleswig-holsteinische Datenschützer Helmut Bäumler in seinem jüngst vorgestellten Tätigkeitsbericht.

Im Bundesinnenministerium befasst sich derzeit eine Projektgruppe Biometrie mit der Bestandaufnahme verfügbarer biometrischer Systeme und Verfahren. Bei Ministergesprächen im EU-Rahmen wurden biometrische Ausweissysteme bereits diskutiert. Ein erstes Fachgespräch fand mit den Niederlanden Anfang Februar statt. Mit Italien wird ebenfalls bald ein erstes Gespräch stattfinden. Für Juni 2002 ist eine Konferenz aller EU-Mitgliedstaaten zu dem Thema geplant.

Als Vorreiter in Europa gilt der finnische Personalausweis. In Finnland können Bürger freiwillig die mit einer digitalen Signatur ausgestattete  Finn-Card beziehen. Doch sie scheint jedenfalls nicht die hoch gesteckten Erwartungen zu erfüllen. Bis Mitte 2001 wurden gerade einmal 9.864 Karten ausgegeben. Die Hälfte davon im Stadtbereich von Helsinki.


heise.de

Gruß    
Happy End
Schnorrer:

Die spinnen, die Finnen.

 
01.05.02 21:29
Es geht wirklich zur Sache: die Entmündigung des Menschen steht vor der Tür. Die Frage bleibt: wozu und wem nützt das?
Egozentriker:

Was macht der Mensch...

 
01.05.02 22:20
denn mit seiner Mündigkeit ?
Hill:

@ego

 
01.05.02 22:35
Er geht nicht wählen !
Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--